Hamburger Senat trödelt beim Kohleausstieg

Das Hamburger Klimaschutzgesetz verpflichtet die Stadt, „den Einsatz von unmittelbar aus Stein- oder Braunkohle produzierter Wärme“ bereits vor Ablauf des Jahres 2030 „möglichst weitgehend zu vermeiden“.

Die gesetzliche Pflicht besteht, jetzt zu handeln. Das macht auch ein in dieser Woche veröffentlichtes Rechtsgutachten klar, das die Anwaltskanzlei Günther im Auftrag von EnergieNetz Hamburg, dem BUND Hamburg und der Kampagne „Tschüss Kohle“ erstellt hat. Demnach hat der Senat „eine ständige Prüfpflicht zur bestmöglichen Dekarbonisierung“, sagt Dirk Legler, Mitverfasser des Gutachtens. „Die Dekarbonisierung hat eindeutig Vorrang vor betriebswirtschaftlichen Erwägungen.“ Beim gestern veranstalteten "11. Hamburger Wärmedialog" begründete er, warum die aktuelle Situation „rechtswidrig“ ist.

Anders als rechtlich erforderlich haben die Umweltbehörde BUKEA und das kommunale Unternehmen Wärme Hamburg bislang keinen verbindlichen Plan veröffentlicht, wie der Kohleeinsatz im Kraftwerk Tiefstack im laufenden Betrieb reduziert werden kann. Die Behörde macht ihr Handeln zudem nicht ausreichend transparent.

Tatsächlich wird seit 2019 in Tiefstack und auch im Kohlekraftwerk Wedel, das sich ebenfalls im Eigentum der Stadt befindet, nicht weniger Strom aus Steinkohle erzeugt. Die Umweltbehörde und Wärme Hamburg stehen in der Pflicht, hier jetzt Abhilfe zu schaffen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren – unabhängig davon, was nach dem Kohleausstieg mit den beiden Kraftwerken passiert.

Zur Umrüstung des Kraftwerks Tiefstack läuft zurzeit  – als Folge der 2019 abgeschlossenen Volksinitiative "Tschüss Kohle" – ein Beteiligungsprozess. Diskutiert werden dort fünf verschiedene Varianten, bei zweien davon käme auch Biomasse zum Einsatz. [Anm. UB, 5/2022: Die entsprechende Folie zu den fünf Varianten ist inzwischen leider nicht mehr online. Protokolle der für die Öffentlichkeit freigegebenen Inhalte der Workshops finden sich hier.]

Unklar ist, woher die Biomasse kommen soll. Pläne, dort Holz aus Namibia zu verbrennen, waren auf breiten Widerstand der Klimabewegung gestoßen – auch von ROBIN WOOD. Seitdem liegt dieser Prüfprozess auf Eis.

Offenbar wird aber weiter in Betracht gezogen, künftig dort Holz aus anderen Quellen zu verfeuern. Mitglieder des „Beteiligungsgremiums Tiefstack“, in dem Vertreter*innen der Zivilgesellschaft mitarbeiten, haben inzwischen einen Vortrag zu Alt- und Restholzbeständen bekommen, die es angeblich im 200-Kilometer-Umkreis von Hamburg geben soll.

ROBIN WOOD weist darauf hin, dass eine Wärmeversorgung der Stadt mit der Verbrennung von Holz nicht klimafreundlich gestaltet werden kann. Kraftwerke auf Holzverbrennung umzurüsten, erhöht den Nutzungsdruck auf Wälder, die dringend für den Kampf gegen den Klimawandel gebraucht werden. Bei einer ökologischen Bewirtschaftung muss Totholz im Wald bleiben, die Wälder dürfen gerade nicht „leergekratzt“ werden, überflüssige „Reste“ gibt es in der Natur nicht. Altholz – also Holz, das als Sperrmüll gesammelt wird – sollte stärker recycelt werden. Selbst der Bundesverband der Altholzaufbereiter und -verwerter fordert den „expliziten Ausschluss einer Förderung zur Umrüstung von Kohlekraftwerken auf Altholz“ – allein schon wegen des dadurch entstehenden immensen Brennstoffbedarfs.

Nur eine der fünf Varianten, die Wärme Hamburg prüft, nennt sich „brennstofffrei“. Dies würde eine Abkehr vom bisherigen Konzept bedeuten würde, Rohstoffe zu verbrennen, was auch ROBIN WOOD fordert. Dafür könnten zwei Flusswasser-Wärmepumpen und eine Luftwärmepumpe eingesetzt werden. Allerdings soll Gas als Absicherung eingesetzt werden, wenn der Regelbetrieb gestört ist.

Große CO2-Einsparpotentiale liegen auch in der Nutzung industrieller Abwärme, etwa aus einer ertüchtigten Müllverbrennungsanlage Borsigstraße oder der Kupferhütte Aurubis. Beides kommt aber offensichtlich nicht schnell genug voran.

Derweil blasen Hamburgs Kohlekraftwerke weiterhin CO2 in die Luft. Künftig weder Kohle, Gas noch Holz in Kraftwerken zu verfeuern, stellt den größten Einzelhebel für den Klimaschutz in Hamburg dar. Wenn die Umweltbehörde nicht mehr Tempo bei der Energiewende macht, sondern in erster Linie darauf abzielt, dass die Kasse stimmt und die Energieversorgung Gewinne abwirft, missachtet sie das Pariser Klimaziel und heizt die Klimakrise weiter an.