Urwälder für Hamburger Wärmeproduktion verfeuern?

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Kahlschlag
Gerodeter Laubwald im US-Bundesstaat North Carolina / Das Holz landete in einem Pelletwerk des Unternehmens Enviva
Foto ▸ Dogwood Alliance

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Der Kahlschlag für Heizenergie hinterlässt Spuren der Zerstörung - gerodete Fläche in Estland
Foto ▸ Save Estonia's Forests

Der von den Hamburger Energiewerken erstellte „Nachhaltigkeitskodex für den Einsatz von Biomasse in Tiefstack“ ist unzureichend und bietet keinerlei Gewähr für Umwelt- und Klimaschutz. Das ergibt eine Analyse der Begleitstudie zum Kodex, die ROBIN WOOD und Biofuelwatch erstellt und heute veröffentlicht haben. Im Kohlekraftwerk Tiefstack, in dem die Hamburger Energiewerke (HEnW) künftig Holz verfeuern wollen, dürften demnach sogar Holzpellets aus der Rodung von Urwäldern verbrannt werden.

Der sogenannte Nachhaltigkeitskodex erlaubt, jegliche Art Holzpellets zu verbrennen, solange sie die gesetzlichen Minimalanforderungen aus der EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien erfüllen. Diese untersagen den Einsatz von Frischholz aus dem Wald und Holz aus der Rodung von Urwäldern zurzeit nicht. Die gesetzlichen Anforderungen müssen die HEnW ohnehin erfüllen, um Fördergelder zu erhalten und keine CO2-Abgabe für die Holzverfeuerung zu zahlen. Der Kodex bietet also keinen relevanten ökologischen Zugewinn.

Aus dem Kodex geht hervor, dass auch Holzpellets, die Zertifikate wie das des Sustainable Biomass Program (SBP) tragen, in Tiefstack verbrannt werden dürften. Das SBP-Zertifizierungsprogramm bietet wegen lascher Kriterien und Kontrollen keinerlei Gewähr für Umweltverträglichkeit. Es wurde von Energie- und Pelletunternehmen ins Leben gerufen und zertifizierte bereits sogar Pellets aus Holz von gerodeten Urwäldern im kanadischen British Columbia sowie aus der Abholzung besonders artenreicher Laubwälder innerhalb eines Biodiversitäts-Hotspots im Südosten der USA.

Von SBP-Zertifizierern wird noch nicht einmal erwartet, dass sie Wälder, aus denen das Holz stammt, selbst besuchen und sich vor Ort von der Einhaltung ihrer ohnehin schon schwachen Nachhaltigkeitskriterien überzeugen. Die Überprüfung der Forstpraxis in den Wäldern soll stattdessen durch die Pelletunternehmen selbst erfolgen.

Die Regeln des SBP erlauben sogar die Nutzung von Rundholz aus Ländern, in denen der Wald bereits aufgrund der intensiven Forstwirtschaft zu einer CO2-Quelle geworden ist.

Diese und weitere in der Analyse aufgezeigte Schwächen der Begleitstudie zum Nachhaltigkeitskodex der HEnW führen ROBIN WOOD und Biofuelwatch vor allem darauf zurück, dass sie ausschließlich von Rechtsexpert*innen und Expert*innen von Energiesystemen verfasst wurde. Autor*innen mit Expertise in Fachgebieten wie Waldökologie, Forstwirtschaft oder Kohlenstoffbilanzen von Wäldern waren nicht beteiligt.

„Der Nachhaltigkeitskodex der Hamburger Energiewerke bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen. Ein umgerüstetes Tiefstack-Kraftwerk dürfte Holzpellets aus dem Raubbau an besonders artenreichen und gefährdeten Wäldern aus aller Welt verbrennen. Diese Pläne müssen gestoppt werden! Hamburg muss stattdessen ausschließlich in klimafreundliche, regenerative Energien investieren“, fordert Jana Ballenthien, Waldreferentin von ROBIN WOOD.

Beim sogenannten „Zukunftsdialog“ der HEnW im Februar diesen Jahres hatten Vertreter des Unternehmens behauptet, dass nach der Umrüstung des Kohlekraftwerkes Tiefstack auf Biomasse dort kein Frischholz verbrannt werden solle. Der Nachhaltigkeitskodex und die Begleitstudie widersprechen dem. Demnach dürfte sehr wohl Frischholz verfeuert werden.

„Es überrascht uns nicht, dass die Hamburger Energiewerke erlauben wollen, Pellets aus ganzen Baumstämmen zu verbrennen“, sagt Almuth Ernsting von Biofuelwatch. „Denn wenn Tiefstack von Kohle auf Holz umgerüstet wird, kann dort aus technischen Gründen nur hochwertiges Holz eingesetzt werden. Und das muss auf dem internationalen Pelletmarkt gekauft werden, wo Nachhaltigkeit nur ein Greenwashing-Slogan ist.“

Kontakte:

  • Biofuelwatch, Almuth Ernsting, biofuelwatch [at] gmail.com, Tel. +44-131-6232600
  • ROBIN WOOD, Jana Ballenthien, Fachreferentin Wald, Tel. +49 40 380 89211, wald [at] robinwood.de; Ute Bertrand, Pressesprecherin, Tel. +49 171 8359515, presse [at] robinwood.de