Neuer Bericht: Wie die EU Bäume im Namen der Erneuerbaren Energie verbrennt

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Holzpolter
Ein Ausschnitt des riesiges Holzlagers eines Holzbiomassekraftwerkes der Stadtwerke Leipzig in Bischofferode.
Foto ▸ Jana Ballenthien

Ein neuer Bericht der Forest Defenders Alliance, eines internationalen Zusammenschlusses nichtstaatlicher Umweltschutzorganisationen, zeigt, dass viele Holzkraftwerke und Holzpelletfabriken in der EU offenbar direkt aus dem Wald geschlagene Bäume verwenden, während sie behaupten, Sägespäne und andere Holzabfälle als Brennstoff und Ausgangsmaterial zu verwenden. Wissenschaftler*innen der Europäischen Kommission warnen, dass die Verbrennung von Bäumen zur Energiegewinnung sowohl die Klima- als auch die Naturwiederherstellungsziele der EU untergräbt.

Der Bericht enthält Fotos von mehr als 40 Biomasse- und Pelletanlagen in ganz Europa, in denen offenbar Baumstämme (Stammholz) als Brennstoff und Ausgangsmaterial verwendet werden. Die Fotos des Berichts stammen aus einer Vielzahl öffentlich zugänglicher Informationen, darunter Google Maps/Earth-Satellitenansichten, die Google Street-View-Funktion, Bilder und Videos von den Websites der Unternehmen sowie Vor-Ort-Fotos.

Der Bericht vergleicht die Belege für die Verwendung von Rundholz mit den Angaben der Unternehmen auf ihren Websites über die Art des verwendeten Holzes und stellt fest, dass etwa ein Viertel der Unternehmen irreführende Behauptungen aufstellt, in der Regel, dass sie Sägemehl und andere Sägewerksrückstände verwenden, ohne Stammholz zu erwähnen.

Der Bericht untersucht auch die Behauptungen der Unternehmen über die Klimaauswirkungen der Verbrennung von Waldholz. Trotz der unmissverständlichen Aussagen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und führender Wissenschaftler*innen, dass Waldbiomasse nicht als "kohlenstoffneutral" oder vorteilhaft für das Klima angesehen werden sollte, machen 25 der Unternehmen - mehr als die Hälfte - irreführende Behauptungen dieser Art. Sie stehen in direktem Widerspruch zum anerkannten Stand der Forschung. Die Behauptungen erreichen oft ein Ausmaß, das nach den EU-Verbraucherschutzgesetzen geprüft werden sollte.

"Für die Nachhaltigkeitsbehauptungen der Biomasseindustrie gibt es nur ein Wort: Fiktion", sagte Luke Chamberlain, Direktor für EU-Politik beim Partnership for Policy Integrity. "Wenn diese Schnappschüsse so viele Fälle erfassen können, in denen die Biomasseindustrie Bäume statt Sägewerksabfälle verwendet, ist die Umweltbelastung durch die gesamte Branche viel schlimmer als bisher angenommen."

Der Bericht kommt zu einem Zeitpunkt, an dem führende EU-Politiker*innen, darunter der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, ihre Besorgnis über die Menge an Bäumen, die zur Energiegewinnung verbrannt werden, zum Ausdruck bringen und eine Reform der Biomassepolitik zusagen.

Fenna Swart von der niederländischen Nichtregierungsorganisation Clean Air Committee bemerkt dazu: "Herr Timmermans will eindeutig die Anzahl der zur Energiegewinnung verbrannten Bäume reduzieren, versteht aber nicht, dass die Rückstände aus den Sägewerken nicht einmal den derzeitigen Bedarf decken können. Dieser Bericht zeigt, wie verbreitet das Verbrennen von Bäumen bereits ist und wie wichtig es ist, dass die EU aufhört, das Verbrennen von Wäldern auf die Ziele für erneuerbare Energien anzurechnen."

In einem Bericht des Joint Research Center (der Gemeinsamen Forschungsstelle) der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2021 wird die Verbrennung von Bäumen und größeren Holzstücken, die nach dem Holzeinschlag übrig bleiben, als ein "Lose-Lose"-Szenario für die Biodiversität und das Klima bezeichnet. Insgesamt werden durch die Holzverbrennung in der EU über 311 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittiert, was in etwa den gemeldeten Treibhausgasemissionen Spaniens entspricht. Trotz dieser Emissionen behandelt die EU-Politik die Holzverbrennung als kohlenstofffrei und erlaubt den Mitgliedsstaaten, die Holzverbrennung zu subventionieren. Die Subventionen für die gesamte Biomassenutzung, einschließlich der Holzverbrennung, belaufen sich auf rund 17 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Mitglieder der Forest Defenders Alliance äußerten sich wie folgt zu dem Bericht:

Deutschland: "Die größten Pelletunternehmen der Welt sehen Deutschland als ihren nächsten großen Markt. Das wäre eine Katastrophe für die Wälder und das Klima", so Jana Ballanthien, Waldreferentin von ROBIN WOOD. "Die Bundesregierung muss schnellstens einen Subventionsstopp für die Holzverbrennung beschließen. Deutschland muss mit gutem Beispiel vorangehen und in der europäischen Klimapolitik eine starke Stimme gegen die Holzverbrennung sein. Die Verbrennung unserer Wälder ist nicht erneuerbar!"

Schweden: "Was wir auf diesen Fotos sehen, ist das, was die Biomasseindustrie und die EU-Politik als 'Restholz' bezeichnen - alte Bäume, totes Holz, Laubbäume - ein Großteil davon stammt aus unersetzlichen Urwäldern", sagte Lina Burnelius, Projektleiterin bei Skydaskogen in Schweden. "Das ist alles Kohlenstoff, der aus der Atmosphäre verbannt war und sich nun im Namen der 'fossilfreien' Energie buchstäblich in Rauch auflöst. Zu allem Überfluss werden die Wälder nicht nur als Brennstoff verbrannt, sondern auch durch klima- und umweltschädliche Plantagen ersetzt - das Gegenteil von den Klima-Helden, die wir unbedingt brauchen: Waldökosysteme.”

Portugal: "Die Einstufung von Waldbiomasse als erneuerbare Energie fördert die Verbrennung von Bäumen zu einer Zeit, in der wir dringend Wälder schützen und Kohlenstoffemissionen reduzieren sollten", sagte Nuno Forner, Policy Officer bei Zero (Portugal). "Statt echter forstwirtschaftlicher Abfälle wird Holz ineffizient verbrannt, was zu einer nicht nachhaltigen Waldbewirtschaftung beiträgt."

Estland: "Estlands Wälder standen schon vor dem Krieg in der Ukraine unter starkem Abholzungsdruck, aber jetzt sehen wir, wie die Holzindustrie die Situation skrupellos ausnutzt", sagte Liina Steinberg von Save Estonia's Forests. "Uns gehen die Wälder aus, und die kahlschlagfreudigen staatlichen Forstverwaltenden fällen Wälder in der Nähe von Dörfern und Städten, die für die Einheimischen und Besucher*innen unseres Landes sehr wichtig sind."

Italien: "Die europäischen Bürger*innen zahlen Milliarden von Euro für sogenannte grüne Energie, die den Wäldern und dem Klima schadet. Das ist nichts anderes als Greenwashing", sagte Gaia Angelini, Green Impact, Italien. "Die Wälder sind unsere Zukunft, sie müssen für das Gemeinwohl erhalten werden, um die Auswirkungen auf das Klima zu minimieren und die Artenvielfalt zu erhalten."

Finnland: "Wir müssen die finnischen Wälder schützen und dürfen sie nicht zur Energiegewinnung verbrennen", sagte Sommer Ackerman, Aktivistin von Europe Beyond Burning, einer Kampagne von Fridays For Future. "Die EU muss ihre Emissionen drastisch senken, was bedeutet, dass sie mit ihren falschen Lösungen aufhören muss. Wir müssen auf die Wissenschaft hören, die Subventionierung der Verbrennung von Biomasse einstellen und stattdessen echte erneuerbare Energien finanzieren."

Fotos aus dem Bericht, sortiert nach Ländern, finden Sie unter

https://forestdefenders.eu/biomass-photos/

Kontakt:

  • ROBIN WOOD: Jana Ballenthien, Waldreferentin, wald [at] robinwood.de, Tel. +49 40 380 892 11
  • Partnership for Policy Integrity: Luke Chamberlain, lchambo [at] pfpi.net, +43 676 412 1885; Joel Wool, jwool [at] pfpi.net;: +1 978 697 0361; Skype: joelwool [at] gmail.com