Soja - So nicht!
Kein Tropenwald im Futtertrog!
Die Studie von Mighty Earth „Die vermeidbare Krise: die Umweltkatastrophe der deutschen Fleischindustrie“ von Ende März 2018 zeigt, dass trotz zahlreicher Siegel und Selbstverpflichtungen der deutschen Futtermittel- und Fleischindustrie, sowie der großen Handelsketten in Südamerika immer noch tausende Hektar Urwald für den Anbau von Futtersoja gerodet werden. Ein großer Teil davon fließt in die deutsche Produktion von Fleisch, Milch und Eiern.
Das ROBIN WOOD-Magazin berichtete bereits in der letzten Ausgabe (136/1.2018) über Tropenwaldzerstörung für Soja in Südamerika, insbesondere im Cerrado-Gebiet. Nun veröffentlichte unsere Partnerorganisation Mighty Earth eine neue Studie über die Waldvernichtung für Futtersoja. In dieser geht es vor allem um die Auswirkungen auf die Trockenwälder des Gran Chaco, ein Gebiet, das den Norden Argentiniens, den westlichen Teil Paraguays und den Südosten von Bolivien umfasst.
Der Chaco ist nach dem Amazonas das zweitgrößte noch zusammenhängende Waldgebiet in Südamerika mit hoher Artenvielfalt. Die bisherigen Waldschutzmaßnahmen, das Sojamoratorium von 2006, beschränkt sich auf den brasilianischen Amazonas Regenwald. Dies führt zu einem verstärkten Entwaldungsdruck in anderen Soja produzierenden Regionen wie dem Cerrado und dem Gran Chaco. Am deutschen Teil der Studie, der eine Befragung der größten deutschen Futter- und Fleischproduzenten sowie die größten Einzelhandelsketten umfasst, wirkte ROBIN WOOD mit.
Die Studie dokumentiert mit umfangreichen Video- und Bildmaterial eindrücklich, dass für die deutsche Tierproduktion noch immer Wälder abgeholzt werden. Sie geht aber auch ausführlich auf die gesundheitlichen Auswirkungen und sozialen Konflikte im Zusammenhang mit den riesigen Monokulturen ein.
Da das Klima für den Sojaanbau in den Trockenwaldregionen nicht ideal ist, wird dort besonders häufig gentechnisch verändertes Soja angebaut. Dies benötigt besonders große Mengen an chemischem Dünger und giftigen Pestiziden, wie dem Pflanzenschutzmittel Glyphosat. In Folge dessen findet eine großflächige Verunreinigung der Gewässer statt. Die Mitglieder der lokalen Gemeinden berichten immer wieder über einen Anstieg von Geburtsdefekten, Krebs und Atemwegserkrankungen.
Deutschland ist mit 3,7 Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojamehl einer der wichtigsten Importeure von Soja aus Südamerika. Das ist mehr als die Hälfte der Soja-Gesamtimporte von 6,3 Millionen Tonnen. Das Land, das benötigt wird, um allein die Sojabohnen für Deutschland anzubauen, entspricht der Größe von Mecklenburg-Vorpommern, nämlich ca. 2,6 Millionen Hektar.
Die Lieferkette des Raubbau-Sojas vom Feld bis in die Fleischtheke zu verfolgen, ist ein sehr schwieriges Unterfangen: Kaum ein Beteiligter möchte reden. Die Besitzverhältnisse von örtlichen Unternehmen oder Lagerstätten sind meist unklar. Die Großkonzerne, die das Soja weltweit handeln, haben keine direkten Mitarbeiter*innen vor Ort. Die Zulieferung erfolgt meist über Drittfirmen. Mighty Earth konnte lediglich starke Indizien dafür sammeln, an welche Großkonzerne das meiste Raubbau-Soja fließt.
Bei ihren Vor Ort-Recherchen nannten die örtlichen Handelsvertreter*innen immer wieder die US-amerikanischen Firmen Bunge und Cargill als Hauptkäufer.
Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, antwortete Cargill, es sei sehr unwahrscheinlich, dass seine Silos von den von Entwaldungen besonders betroffenen Orten und Betrieben beliefert würden. Bunge gab an, über gar keine Aufzeichnungen der Ankäufe von entsprechenden Betrieben zu verfügen.
Wohlgemerkt: Beide Firmen haben sich öffentlich zu einer entwaldungsfreien Lieferkette verpflichtet. Ein Versprechen, das ohne eine transparente und lückenlose Rückverfolgbarkeit bis zum Feld lediglich ein Lippenbekenntnis ist. Auf die Frage nach der Rückverfolgbarkeit gaben weder Cargill noch Bunge Antworten, die zeigen würden, dass diese Unternehmen vollständig Kenntnis darüber haben, wo und wie ihre Produkte hergestellt wurden (siehe: http://www.mightyearth.org/avoidablecrisis/de/)
Weder Cargill noch Bunge geben Auskunft, wo ihre Produkte herkommen
ROBIN WOOD und Mighty Earth wollten sich auch die Situation in Deutschland genau ansehen. Zu Beginn dieses Jahres haben wir in einer großen schriftlichen Befragung die wichtigsten Futtermittel-, Fleisch- und Milchproduzenten sowie die größten Einzelhandelsketten über deren Systeme der Rückverfolgung und Nachhaltigkeit befragt. Zahlreiche Unternehmen gaben an, über Strategien zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit bei ihrer Sojabeschaffung zu verfügen und auf die entwaldungsfreie Herkunft zu achten. Jedoch war kein einziges Unternehmen bereit oder in der Lage, die Herkunft seines Sojas vollständig offenzulegen und ein lückenloses System der Rückverfolgbarkeit zu belegen.
Nur ein einziger Futtermittelproduzent hat uns gegenüber zumindest zwei seiner Sojaerzeuger offengelegt. Besonders miserabel war die Antwortbereitschaft bei den Fleischproduzenten. Trotz mehrmaliger telefonischer Nachfragen, haben uns nur zwei von zehn Fleischproduzenten überhaupt geantwortet.
Hier zeigen sich deutlich die Probleme, die bei allen freiwilligen Selbstverpflichtungen und Zertifizierungssystemen auftauchen: Sie können nicht umfassend und unabhängig kontrolliert werden. Denn dafür müssten die Lieferketten lückenlos rückverfolgbar und transparent sein. Und es gibt keine wirksamen Sanktionsmechanismen, für den Fall dass die Unternehmen ihre Selbst- und Transparenzverpflichtung nicht einhalten. Bisher existieren keine gesetzlichen Anforderungen, dass die Firmen die Herkunft der Sojabohnen dokumentieren oder einen Legalitätsnachweis erbringen müssen.
Nur wenige Bioverbände schließen Importe von Überseefutter aus
Bisher garantieren nur wenige Bioverbände wie Demeter und Bioland, sowie das Fleischsiegel-Neuland die entwaldungsfreie Herkunft ihrer Produkte, indem sie den Import von Überseefutter ausschließen. Weit verbreitete Siegel wie das RTRS (Round Table on Sustainable Soy) legen hingegen nur minimale Umwelt- und Sozialstandards fest und sind ungeeignet, Entwaldung und Raubbau für Soja zu stoppen.
Prognosen zufolge wird die Nachfrage nach Soja weiter zunehmen. Entschärfen werden sich die Probleme in Südamerika erst, wenn auch die Nachfrage nach Soja nicht immer weiter steigt. Dafür ist auch eine deutliche Reduktion der Tierproduktion hier bei uns in Europa nötig. Und über kurz oder lang muss die Tierproduktion ganz ohne Futterimporte aus Übersee auskommen. Dafür brauchen wir Ansätze, die die regionale Versorgung mit Futtermitteln sicherstellen.
Solange aber hierzulande Soja aus den Tropen verfüttert wird, brauchen wir, möglichst auf EU-Ebene, einen gesetzlichen Rahmen, der die Rückverfolgung vom Sojafeld über den Futtertrog bis in die Fleischtheke transparent sicherstellt.
Hoffnung gibt hier eine Gesetzesinitiative in Frankreich: 2017 entwickelte Frankreich eine nationale Strategie, um in Zukunft gewährleisten zu können, dass seine importierten Waren wie Palmöl und Soja keine Abholzung zur Folge haben. Alle Unternehmen mit über 10.000 Mitarbeiter*innen müssen eine Risikobewertung vornehmen, sowie über Umwelt- und Sozialschäden in ihren Lieferketten – einschließlich der Subunternehmer und Lieferanten weltweit – Bericht erstatten und diesbezüglich Maßnahmen ergreifen.
Die eindrucksvollen Bilder für diesen Beitrag wurde uns von unserer Partnerorganisation Mighty Earth zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank!