Raubbau für Soja
Kein Tropenwald im Futtertrog
Grasende Kühe auf der grünen Wiese und hübsche Fachwerkhäuser – deutsche Fleisch-, Eier- und Milchproduzent*innen werben gerne mit Naturnähe und Regionalität. Übersehen wird dabei oft, dass die Herstellung dieser Produkte im hohen Maße von dem Import von Futtermitteln, vor allem Soja, abhängig ist. Sie steht damit in Zusammenhang mit gravierenden sozialen Problemen sowie der massiven Zerstörung von Tropenwäldern.
Der Sojaanbau ist, nach der Weidehaltung für die Produktion von Rindfleisch, der größte Waldvernichter in Lateinamerika. Etwa ein Viertel der Amazonas Entwaldung bis 2004 ging auf das Konto des Sojaanbaus. Und die Zerstörung geht weiter und betrifft auch weite Gebiete außerhalb des Amazonas. Neben dem tropischen Regenwald müssen nun auch andere tropische Wälder wie der Chiquitano-Trockenwald oder artenreiche Savannengebiete wie die Cerrados dem Soja weichen.
Wer heute im großen Maßstab Fleisch, Milch oder Eier produziert, kommt an Sojafutter nicht mehr vorbei. Rund 80 Prozent des weltweit angebauten Sojas landet im Futtertrog. Ohne Soja könnte kein Masthähnchen binnen 30 Tagen auf Schlachtniveau gemästet werden und kein Schwein täglich bis zu 800 Gramm zunehmen, um dann mit knapp sieben Monaten das Schlachtgewicht von rund 120 kg erreicht zu haben. In einem Kilo Hühnerfleisch steckt umgerechnet ein Kilo Sojafutter. Für ein Kilo Schweinefleisch wird immerhin noch 500 Gramm Soja benötigt.
Soja ist eine Pflanze, die ursprünglich in der tropisch/subtropischen Klimazone heimisch war, weshalb sie dort die meiste Ernte bringt. Heute wird sie vor allem in Südamerika und im Süden der USA angebaut. In Deutschland spielt der Anbau von klimaangepassten Sojapflanzen nur eine marginale Rolle. Jahrelang wurde hier auch der Anbau von heimischen Eiweißfutterpflanzen, wie Ackerbohne und Lupinen, vernachlässigt. Hinzu kommt die großzügige Befreiung von Zöllen für Sojaimporte aus z.B. Brasilien und Argentinien. Soja ist so günstig, dass es in der Tierproduktion heute scheinbar unverzichtbar ist. Fast das gesamte hier verfütterte Soja muss nach Deutschland importiert werden. Der größte Anteil kommt aus Brasilien, wo die Abholzungsraten die höchsten in Lateinamerika sind.
Neben der Entwaldung bringt der großflächige Sojaanbau weitere ökologische und soziale Probleme mit sich. Ohne massiven Pestizideinsatz ist er nicht denkbar. Allein in der Region Mato Grosso werden jährlich 200 Mio. Liter Agrochemikalien ausgebracht. Der Chemieeinsatz stellt für die örtliche Bevölkerung nachweislich ein hohes Risiko dar. Er begünstigt u.a. Krebs, neurologische Erkrankungen sowie Fehlgeburten. Der Sojaanbau trägt außerdem entscheidend zu einer weiteren Verarmung der Landbevölkerung bei. Sojaanbau ist nur lukrativ, wenn er im großen Stil erfolgt, für Kleinbäuer*innen lohnt er sich meist nicht. Arbeit finden sie auf den neuen Sojafeldern aber auch nicht. Der Sojaanbau kommt mit extrem wenigen Arbeitskräften aus. Der Landhunger der Sojaindustrie führt auch immer wieder zu unrechtmäßigen Vertreibungen auch von indigenen Gruppen oder zu erzwungenen Landverkäufen.
Soja-Moratorium
Nachdem die dramatische Dezimierung des Amazonas Regenwaldes durch den Sojaanbau einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, kam auf intensiven Druck der Umweltbewegung, vor allem von Greenpeace, 2006 ein Soja-Moratorium zum Schutz des brasilianischen Amazonas-Waldes zu Stande. Demnach verpflichteten sich nahezu alle großen Sojaproduzenten und -exporteure kein Soja mehr zu verwenden, das auf nach 2006 gerodeten Regenwaldflächen angebaut wurde. In den darauf folgenden Jahren sank die Entwaldung im brasilianischen Amazonasgebiet deutlich.
Das Moratorium zeigte scheinbar seinen gewünschten Erfolg – zumindest was den Schutz des brasilianischen Teils des Amazonas angeht. Umweltschützer*innen bemängeln jedoch, dass sich die Entwaldung für Soja zu einem Teil lediglich auf wertvolle Ökosysteme außerhalb des Schutzgebietes verlagert hat. Statt des brasilianischen Amazonas-Regenwaldes würde nun vor allem der Cerrado oder aber Amazonas-Regenwald in den Nachbarländern gerodet. Insbesondere in Bolivien, wo Wälder, einschließlich des tropischen Regenwaldes, kaum Schutz genießen, wird immer mehr Wald vernichtet. Seit 1991 hat dort die Sojaanbaufläche um 500 Prozent zugenommen. Außerdem sei in den Jahren vor dem Moratorium im brasilianischen Amazonas so viel gerodet worden, dass überhaupt keine neuen Entwaldungen nötig geworden seien.
Kritisiert wird auch, dass viele Kleinbäuer*innen durch das Moratorium verstärkt unter Druck gesetzt würden, ihr Land zu verkaufen, da es häufig nicht unter das Moratorium falle. Teilweise würden diese Menschen sogar gezwungen ihr Land zu verlassen. Beobachtet wird auch, dass die Sojaindustrie nun vermehrt auf ehemalige Weideflächen ausweicht, für die dann wiederum neuer Wald gerodet werde. Der Sojaanbau würde so weiter indirekt zu einer Entwaldung beitragen.
2009 trat deshalb auch eine Vereinbarung für die Rinderhaltung auf Weideflächen in Kraft. Demnach dürfen Viehbesitzer*innen, deren Rinder auf nach 2009 gerodeten Weiden grasen, ihre Rinder nicht mehr verkaufen. Diese freiwillige Vereinbarung wurde aber von Anfang an immer wieder geschickt unterlaufen. So wurde beispielsweise beobachtet, dass Viehbesitzer*innen ihre Rinder erst kurz vor der geplanten Schlachtung von frisch gerodeten Flächen auf bereits lange bestehende Weiden übersiedeln.
Die Diskussion um die Moratorien zeigt, wie wichtig es ist, Schutzmaßnahmen ganzheitlich zu betrachten. Prognosen zufolge wird die Soja- und Fleischnachfrage weiter wachsen. Wenn wir die Tropenwälder schützen und die Rechte der örtlichen Bevölkerung wahren wollen, brauchen wir länderübergreifende Ansätze, die alle schützenswerten Flächen einschließen und soziale Aspekte einbeziehen. In den nächsten Jahren, wenn die wirtschaftlichsten Flächen außerhalb der Schutzzonen belegt sind, wird der Druck auf den brasilianischen Amazonas wieder zunehmen und das bestehende Soja-Moratorium stärker gebraucht denn je. Ein Verstoß darf dann nicht ohne Folgen bleiben.
Cargill und Bunge vernichten weiter Tropenwälder
Zusammen mit unserer Partnerorganisation Mighty Earth sind wir gerade dabei nachzuvollziehen, ob Soja von gerodeten lateinamerikanischen Waldflächen auch in deutschen Futtertrögen landet. Nach durch Satellitenbilder gestützten Analysen von Mighty Earth sind die US-amerikanischen Agrargiganten Cargill und Bunge in unverhältnismäßig hohem Umfang für die Abholzungsaktivitäten z.B. in der brasilianischen Savanne, den Cerrados und im bolivianischen Amazonasbecken verantwortlich. Eine schockierende Enthüllung, wenn man bedenkt, mit wie viel Aufwand insbesondere Cargill sich nach Unterzeichnung des Soja-Moratoriums als Retter des Tropenwaldes inszeniert hat. Und umso weniger verwunderlich ist nun, dass sich sowohl Cargill als auch Bunge bisher beharrlich weigern das Moratorium auf andere wertvolle Waldgebiete wie den Cerrado auszudehnen. Beide Agrarunternehmen gehören zu den wichtigsten Sojalieferanten nach Deutschland. Knapp 400.000 Tonnen Soja dieser Firmen kommen allein aus Brasilien jedes Jahr zu uns.
Den direkten Lieferfluss des Sojas vom Feld bis in die Futtertröge und von dort in die Fleischtheken der Supermärkte nachzuvollziehen, ist alles andere als einfach. Die Firmen halten ihre Warenströme meist strikt geheim. Oft laufen sie über verschiedene Drittfirmen, so dass der Weg der Waren nur noch sehr schwer nachzuvollziehen ist.
Wir fordern absolute Transparenz: vom Feld über die Futtertröge bis zum Endprodukt. Nur so kann Soja aus Raubbau sicher verhindert werden. Die führenden Akteure der deutschen Fleischindustrie Toennies, PHW Gruppe und Westfleisch, bewerben allesamt ihre Umweltstandards, doch keiner will die nachhaltige Beschaffung von Futtermitteln bisher lückenlos und für uns glaubhaft nachweisen.
Die eindrucksvollen Bilder für diesen Beitrag wurde uns von unserer Partnerorganisation Mighty Earth zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank!