Zerstörung made in Stuttgart

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Protest gegen das geplante Kohlekraftwerk Rampal in Bangladesch
Protest gegen das geplante Kohlekraftwerk Rampal in Bangladesch
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Zykoln Amphan trifft die Küste von Bangladesch
Zykoln Amphan trifft die Küste von Bangladesch

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Solidaritäts Aktion im Rheinischen Braunkohlerevier
Solidaritäts Aktion im Rheinischen Braunkohlerevier

Ob in großen Werbekampagnen im ICE oder grüngestrichenen Internetauftritten: seit dem der Kohleausstieg in der Bundespolitik angekommen ist, verspüren selbst die fossilsten Unternehmen in Deutschland das zunehmende Bedürfnis, sich als Vorreiter des Kohleausstiegs zu inszenieren. Gleichzeitig sind eine ganze Reihe deutscher Unternehmen weiterhin ohne mit der Wimper zu zucken beim Ausbau der dreckigen Kohleindustrie im Ausland dabei. Ein Unternehmen, dem das Anfang dieses Jahres auf die Füße gefallen ist, ist Siemens, das von Fridays For Future Aktivist*innen für seine Beteiligung an Kohleinfrastruktur in Australien scharf kritisiert wurde. Ein anderes – und weniger bekanntes - Beispiel ist das Stuttgarter Ingenieurbüro Fichtner. Die Stuttgarter sind ausgerechnet an dem umstrittenen Kraftwerkprojekt Rampal in Bangladesch beteiligt.

Das 1,3 GW starke Kohlekraftwerk Rampal wird in unmittelbarer Nähe zu den Sundarbarns Mangrovenwäldern gebaut, einem UNESCO-Weltnaturerbe. Umweltschützer*innen befürchten eine massive Beeinträchtigung der wertvollen Mangrovenwälder. Die Sundarbarns sind die Lebensgrundlage für viele Menschen und Tiere vor Ort und bilden für Bangladesch einen wichtigen Schutzwall gegen Sturmfluten. Sowohl die Schadstoffemissionen des Kraftwerks, als auch der Eintrag von Kohle und Kohlestaub beim Transport der benötigten Steinkohle, drohen die Wälder zu schädigen. Fichtner ist von der Indisch-Bangladeschischen Baugesellschaft für Beratungsaufgaben und Überprüfung des Baufortschritts beauftragt.

Im September haben ROBIN WOOD Aktivist*innen in Stuttgart mit zwei Kletteraktionen gegen die Beteiligung von Fichtner am Bau von Rampal protestiert. Am Tag des internationalen Klimastreiks hängten die Kletterer*innen ein Banner vor der Firmenzentrale, während gleichzeitig einen Demonstration von Fridays for Future stattfand. Mit dabei war auch die aus Bangladesch stammende Wirtschaftswissenschaftlerin und Klimagerechtigkeitsaktivistin Tonny Nowshin.

Tonny Nowshin ist schon lange gegen das Kraftwerksprojekt aktiv. Unter anderem hat sie eine an Fichtner gerichtete Petition initiiert, die mittlerweile über 30.000 mal unterschrieben wurde. Wir sprachen mit ihr über die Auswirkungen des Kraftwerks auf Umwelt und Menschen vor Ort, den ausdauernden Protest und ihre Petition.

Das Interview führte ROBIN WOOD Energiereferent*inn Ronja Heise

 

? Die Premierministerin von Bangladesch, Sheikh Hasina, nannte das Rampal-Kraftwerk einst ein „sauberes Kohlekraftwerk“, das für die Stromversorgung der Region notwendig ist - wie würden Sie darauf antworten?

! Die Bewegung hat darauf bereits eine Antwort gegeben; Es gibt keine saubere Kohlekraftwerke! Wir brauchen keine Kohle, wir haben schon jetzt umweltfreundlichere und billigere Alternativen zur Verfügung. Ein Argument war, dass Kohle eine Brückentechnologie für unsere Energiewende sein könnte. Die Wahrheit ist, dass wir für unsere Energie nicht auf importierte veraltete Kohlekraftwerke angewiesen sind - insbesondere im Jahr 2021, wenn wir zu diesem Zeitpunkt dringend aus der Kohle aussteigen müssen. Laut einer Studie von CDP (Carbon Disclosure Project Anm. d. Red.) und Brot für die Welt ist es für Bangladesch absolut möglich, unseren Energiebedarf zu 100% mit erneuerbaren Energien zu decken – und Unternehmen können diesen Übergang unterstützen.

? Wie sind die Menschen in der Region vom geplanten Kraftwerk betroffen? Wie werden sie betroffen sein, wenn die Anlage in Betrieb genommen wird?

! Menschen wurden bereits für dieses Kohlekraftwerk von ihrem Land vertrieben. Eine Studie zeigt, dass die Verschmutzung durch dieses eine Kraftwerk allein den vorzeitigen Tod von 6000 Menschen und Untergewicht von 24000 Neugeborenen verursachen würde. Dazu kommt, dass Schwermetalle wie Quecksilber und Blei in das Ökosystem des Waldes gelangen würden. Das Abwasser des Kraftwerks wäre 2 Grad wärmer als die Flüsse, und dies würde im Laufe der Zeit die Fischzucht in den Flüssen beeinträchtigen.

Die Sundarbans Mangrovenwälder sind ein einzigartiges und besonders verletzliches Ökosystem. EIn Mangrovenwald ist direkt von dem Wasser und der Luft abhängig. Es gibt Studien von Expert*innen, die detailliert aufzeigen, wie die Luft- und Wasserverschmutzung durch das Kohlekraftwerk den Wald letztendlich töten würde.

Der Wald ist nicht nur die größte Mangrove der Welt und beheimatet viele einzigartige Arten wie die Königstieger und Gangesdelfine. Er ist auch eine Lebensgrundlage für Millionen von Menschen. Er ist außerdem zentral für Bangladesch, um den Auswirkungen des Klimawandels gewachsen zu sein. Der Wald schützt das Landesinnere bei Überschwemmungen und extremen Ereignissen wie Wirbelstürmen.

Betrachtet man eine Abbildung der Windgeschwindigkeiten einer der Zyklone, der Bangladesch getroffen hat, ist es offensichtlich, dass die Windgeschwindigkeit im Süden des Landes dramatisch abnimmt, als ob er dort auf eine Wand treffen würde. Diese unsichtbare Wand ist der Wald. Der Wald nimmt immer die ersten Auswirkungen dieser katastrophalen Wetterereignisse auf und schützt die dort lebenden Menschen und Tiere. Sie sehen also, wie absurd es ist, ein Kraftwerk zu bauen, das einem so kostbaren Wald schadet.

?Wie sieht der Protest gegen Rampal in Bangladesch aus? Wer ist involviert und wo gibt es bisher Erfolge?

! In den letzten neun Jahren gab es eine starke Protestbewegung gegen das Projekt. Der Protest vor Ort begann, sobald die Absichtserklärung für das Projekt unterzeichnet war - und fand seit dem zu verschiedenen Zeitpunkten und in unterschiedlichsten Formen statt.

Mehrmals wurde gegen das geplante Kohlekraftwerk vor dem höchsten Gericht in Bangladesch geklagt. In den Jahren 2013 und 2014 nahmen mehr als 30000 Menschen an langen Protestmärschen teil. Sie gingen mehr als 500 km von der Hauptstadt in die dem Mangrovenwald nächstgelegene Stadt. Im Dezember 2019 fand in Dhaka ein Volksgericht statt, das eine öffentliche Anhörung gegen dieses Kraftwerk organisierte. Es gab Lieder, Theaterstücke, Sit-ins von schwangeren Müttern mit ihren Kleinkindern. Menschen aus allen Gegenden und sozialen Schichten haben sich dem Protest gegen dieses Projekt angeschlossen.

Letztes Jahr gingen wir sogar zum Treffen des UNESCO-Welterbekomitees (da der Wald zum Weltkulturerbe gehört) und forderten es auf, sich bei allen zuständigen Akteuren für den Stopp des Projektes einzusetzen. Die UNESCO hat eindeutig vor dem Bau dieses Kraftwerks und allen anderen Industriebauten in der Nähe des Waldes gewarnt.

? Die Beteiligung von Fichtner am Bau von Rampal wird von der deutschen Klimabewegung scharf  kritisiert. Inwieweit spielt die Beteiligung eines deutschen Unternehmens eine Rolle im Diskurs um Rampal in Bangladesch?

! Wenn in Bangladesch nachweislich kein Bedarf für Kohlekraft besteht – warum soll uns trotzdem noch im Jahr 2021 Kohle aufgezwungen werden? Die Antwort lautet: Kohle ist heute eine aussterbende Industrie - alle frühen Industrienationen werden auf absehbare Zeit aus der Kohle aussteigen. Daher versuchen Kohlekonzerne jetzt solange es geht noch Gewinn in Ländern wie Bangladesch, Kenia und dergleichen zu machen. Alle internationalen Unternehmen sind an dieser Art von Projekten beteiligt.

Fichtner gibt zu Hause vor, ein grünes Unternehmen zu sein - sie versuchen, ein gutes Bild von sich selbst zu schaffen. Aber sie sind an solch schmutzigen und kontroversen Projekten wie dem Rampal-Kraftwerk in Bangladesch beteiligt. Es ist eine Schande. Und sie müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

? Hat Fichtner bisher auf Ihre erfolgreiche Petition reagiert?

! Fichtner hat nicht geantwortet, sie haben unsere Petition erhalten. Sie gaben uns einen Brief, in dem sie alle möglichen falschen Dinge sagten, einschließlich der Tatsache, dass das Kraftwerk sehr weit vom Wald entfernt ist, dass die UNESCO nicht vor Rampal und dergleichen gewarnt hat. Ihre Position ist also sehr schwach und sie haben wahrscheinlich nicht erwartet, dass sie ihren eigenen Stadtbewohnern in Deutschland über dieses Projekt antworten müssen.

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Protest vor dem Büro des Stuttgarter Ingenieur Büros Fichtner
Foto ▸ Ben Engelhard