Protestaktion in Köln: Freie Bahn für ökologische Transformation

Wehrhaftigkeit oder eine gerechte Zukunft?

Lasst uns auch in der Klimabewegung über Friedenspolitik streiten!

19. September 2025
Mobilität
Annika Fuchs
ROBIN WOOD Mobilitätsreferentin
Blog

Der 21. September ist der Weltfriedenstag der Vereinten Nationen. Ein Tag, der für mich und viele Menschen meiner Generation keine große Bedeutung mehr hatte. Viele Menschen in meinem Alter, ich bin jetzt 30, hat eher der „Erdüberlastungstag“ geprägt oder der nächste Klimastreik.

 

Doch nun ist die Friedens- und Sicherheitspolitik wieder ganz oben auf der politischen Agenda. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird von einer Zeitenwende gesprochen, die hohe staatliche Investitionen in Militär und Rüstung nach sich zieht. Der Bundestag hat ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen und am 18. März 2025 die Lockerung der Schuldenbremse beschlossen. Außerdem haben sich die NATO-Staaten im Juni 2025 das Ziel gesteckt, zukünftig fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben zu verwenden. Die Gesamtausgaben für Rüstung, für die Ausstattung der Bundeswehr, für die Verbesserung der Infrastruktur aus militärischen Gründen steigen enorm.

Daraus folgt ein massiver Umbau der Wirtschaft in Deutschland: Der Schienenfahrzeughersteller ALSTOM in Görlitz wurde vom französischen Rüstungskonzern KNDS übernommen, die Deutz AG in Köln produziert nun Rüstungsgüter statt Züge und in Braunschweig hat Rheinmetall die Leichtwerk AG übernommen, die in der zivilen Luftfahrt aktiv war. Auch in Berlin gibt es diese Beispiele: Dort wird die Pierburg GmbH, ein Automobilzulieferer, zur Rheinmetall Waffen Munitions GmbH. Und Rheinmetall plant, einen VW-Standort in Osnabrück zu übernehmen. Aus vormalig zivilen Unternehmen werden nun Konzerne, die Rüstungsgüter produzieren. 

Begründet wird das damit, Abschreckung und die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu gewährleisten. Aber selbstverständlich wird Deutschland auch weiter Rüstungsgüter in Krisengebiete exportieren – auch solche Waffen werden in deutschen Werken hergestellt. Waffen, die dann in Saudi Arabien oder Katar eingesetzt werden. 

Und dieser Umbau (Konversion) von Werken führt zu Pfadabhängigkeiten: Stützt sich die deutsche Wirtschaft vermehrt auf Rüstung, hängen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze daran, ob es Absatzmärkte für diese Rüstungsgüter aus deutscher Produktion gibt. Somit wird Krieg zum vermeintlichen Garanten für Wohlstand in Deutschland.

Dabei sind gerade Rüstungsgüter – zusätzlich zu gravierenden Menschenrechtsproblemen – das Gegenteil einer sozial-ökologischen Transformation, die für die Eindämmung der Klimakrise essenziell ist. Rüstungsproduktion ist enorm klimaschädlich und heizt die Klimakrise an.Rüstungsgüter haben keinen Nutzen für einen zivilen Alltag und können dazu genutzt werden, Grenzen zu verteidigen, an denen auch Geflüchtete, die aufgrund der eskalierenden Klimakrise ihr Land verlassen mussten, zurückgedrängt werden können.

Sollte die Industrie also Jobs auf Krieg aufbauen? Es gibt jahrelange Wartezeiten für die Produktion von Schienenfahrzeugen, die es dringend bräuchte, um den öffentlichen Nahverkehr aufrecht zu erhalten – aber die Unternehmen, die diese bauen könnten, werden nicht gestärkt, sondern von Rüstungsfirmen übernommen.

Auch darüber hinaus ändert sich das politische Klima in Deutschland. Gerade erst wurde eine „Wehrpflicht light“ im Bundeskabinett beschlossen, militärische Festtage wie der „Veteranentag“ werden bundesweit begangen und in Veranstaltungen sitzen Bundeswehr, Wirtschaft und Politik an einem Tisch. Rund um den 1. September fanden sich dafür gleich zwei prominente Beispiele im Rheinland, während dort ROBIN WOOD-Aktive mit einem Aktionsfloß für Klimagerechtigkeit unterwegs waren: Einerseits hatte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker für den 2. September zu einem sogenannten „Townhall Meeting“ zum Thema „Wehrhaftigkeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ eingeladen. Dass Generalleutnant Gerald Funke dabei einen Input gehalten hat, ist kein Einzelfall: Wie Correctiv berichtete, finden in vielen deutschen Orten zurzeit Gespräche von der Bundeswehr mit Lokal- und Landespolitik im Rahmen des sogenannten „Operationsplans Deutschland“ statt. Zum anderen fand am 1. und 2. September in Düsseldorf, Hauptsitz des Rüstungskonzerns Rheinmetall, eine Handelsblatt-Konferenz statt mit dem Titel „Wirtschaftsfaktor Rüstung 2025 – Motor für den Industriestandort Deutschland?“ mit namhaften Sprecher*innen wie Armin Papperger, CEO von Rheinmetall, und auch Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall. 

Diese zunehmende Militarisierung, also eine Ausrichtung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nach einer Kriegslogik, wird offenbar von einer Mehrheit der Gesellschaft gerade mitgetragen, groß ist die Sorge vor einem Angriff Russlands auf NATO-Staaten. Doch die Schnelligkeit dieser Entwicklung lässt wenig Raum für kritischen Diskurs, für Abwägung und Politisierungsprozesse zu dem Thema. Ich frage mich, wie wir in der Aufrüstungsdebatte mehr Platz schaffen können für Gegenrede und Zweifel, für die Suche nach zivilen Lösungen.

Ich frage mich, ob von der momentanen Aufrüstung am Ende eigentlich wirklich die Gesellschaft oder doch wieder vor allem die Aktionär*innen von Rheinmetall und Co. profitieren. Ich mache mir darüber Gedanken, wieso nicht stärker über zivile und soziale Verteidigung und Diplomatie, sondern vor allem über Soldat*innen für die Bundeswehr gesprochen wird. Und ich frage mich auch, ob die stattfindende Militarisierung nicht die AfD weiter stärkt – und was passieren könnte, falls wir dann eine starke Bundeswehr, aber auch eine rechte Mehrheit im Parlament haben.

Für keine dieser Fragen gibt es einfache Antworten. Aber gerade deshalb: Lasst uns weiter darum ringen, zu den Themen Aufrüstung, Militarisierung und Sicherheit Positionen zu finden und einen solidarischen Kurs einzuschlagen. Lasst uns von einander lernen und uns fragen, wie die Themen, die uns bewegen – mögen es Klimapolitik, Feminismus, Antirassismus sein – mit dem Thema Aufrüstung verschränkt sind. Und lasst uns gemeinsam Antworten finden, auch wenn diese etwas Zeit brauchen.

Und damit wird der Zeitraum zwischen dem 1. September als Antikriegstag und dem 21. September als Weltfriedenstag, plötzlich wichtig im politischen Kalender – auch bei ROBIN WOOD.

Was das im Konkreten heißen kann, versuchen wir mit unserer Kampagne „Öffis statt Panzer“ herauszufinden. Hier kannst du mehr darüber erfahren.