Wälder retten bis 2030?

Ein Kommentar unserer Waldreferentin Jana Ballenthien zur Absichtserklärung aus Glasgow.

Mit großem Tamtam wurde jüngst auf dem Weltklimagipfel in Glasgow verkündet, dass 100 Staaten bis zum Jahr 2030 die Entwaldung gestoppt haben wollen. Insgesamt repräsentieren diese Staaten ca. 85 Prozent der weltweiten Waldfläche. Auch die Staaten mit den größten Waldvorkommen überhaupt sind dabei. Aber auch die Staaten, in denen derzeit Waldabholzung in nie dagewesenem Ausmaß stattfindet, wie z.B. Brasilien. Schon 2014 war eine ähnliche Absichtserklärung verfasst worden, die bis heute praktisch nichts bewirkt hat. Und: Die nächsten zehn Jahre kann so ungestört weiter die „grüne Lunge der Erde“ vernichtet werden. Das kann nicht sein!

Es ist prinzipiell genau das, was wir auch schon immer gefordert haben: VOR allen Aufforstungs-Bestrebungen muss zunächst einmal dafür gesorgt werden, dass die bestehenden Wälder der Welt angemessen geschützt und erhalten werden und die Wirtschaftswälder über reinen Nachhaltig hinaus wirklich naturnah und schonend bewirtschaftet werden.

Die Absichtserklärung aus Glasgow können wir nur kommentieren mit: Nein danke! Wer jetzt noch, in Zeiten der Klimakatastrophe und des rasanten Artensterbens, davon spricht, irgendwann in zehn Jahren selbstverpflichtend mit dem Waldnaturschutz anzufangen, der hat den Erhalt der Wälder heute schon verspielt.
Es handelt sich ja tatsächlich auch nur um eine freiwillige Selbstverpflichtung, und wir müssen leider sehr pessimistisch sein, ob diese großen Worte uns bzw. den Wäldern weiterhelfen werden. Die Entscheidung kann bedeuten, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre im schlimmsten Fall nur noch viel beschleunigter die Keule oder vielmehr die Kettensäge geschwungen wird, um die Zeit bis 2030 noch möglichst profitorientiert zu nutzen.

Aber selbst wenn wir davon ausgingen, dass sich auf Januar 2022 geeinigt worden wäre: Die Entwaldung ist ein globales und multidimensionales Problem. Wenn wir uns anschauen, welche mannigfaltigen Interessen hinter der Entwaldung stehen, dann werden wir mit so unterschiedlichen und vor allem wirtschaftlichen Profitinteressen konfrontiert, dass es keine Willensbekundung und auch kaum eine einzelne Gesetzgebung dieser Welt schaffen wird, all diese Mechanismen einfach so zu unterbinden.

Sei es nun ein verrückter Diktator, der die Wälder abbrennt, seien es korrupte Regierungen, seien es die Abholzungen für Soja-Futtermittel-Plantagen, für Kautschuk oder für Palmöl, sei es der Energiehunger Europas, der im Rahmen der Energiewende nun dazu führt, dass an vielen Stellen auf der Erde Wälder abgeholzt werden, um sie in Großkraftwerken direkt zu verfeuern. Oder sei es auch einfach nur der gut gemeinte steigende Bedarf an Holz, z.B. um Plastikprodukte durch Papierprodukte zu substituieren oder um die Baubranche grundlegend zu reformieren.

Der Druck auf die Wälder ist enorm und der Wald wird von jeder Branche auf die eigene Art und Weise verplant. Dazu kommt noch der menschengemachte Klimawandel, der die Wälder durch Extremwetterereignisse wie Hitzeperioden, Stürme und Starkregen weiter schwächt und schädigt.

Wie schlecht es um den Schutz der bestehenden Wälder gestellt ist, lässt sich gut an einem besonders prägnanten Beispiel skizzieren. In Europa existieren in Rumänien die letzten großen noch zusammenhängenden Buchenwälder, die zu großen Teilen auch noch als wirkliche Urwälder oder als urwaldnah bezeichnet werden können. Und selbst in diesen wertvollen Wäldern wird der illegale Holzeinschlag nahezu nicht geahndet. Die Europäische Kommission hat aktuell ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien laufen, doch momentan scheint dies im Sande zu verlaufen. Bisher lässt sich die Europäische Kommission mit einigen unzureichenden Alibi-Maßnahmen der rumänischen Regierung abspeisen. Wenn sich die Europäische Kommission nun tatsächlich damit zufrieden gibt, dann wäre dies ein eklatantes Beispiel dafür, dass selbst Europa mit seinem wichtigsten Naturschutz-Werkzeug, dem EU-weiten Natura 2000-Netzwerk, daran scheitert, die wertvollsten unter den Wäldern in der Europäischen Union zu schützen.

Das fordern wir:

Was wir jetzt und schon immer neben großen Worten und heren Selbstverpflichtungen brauchen, ist die ganz praktische juristische Ahndung, wenn Frevel – seien es nun illegale Kahlschläge oder sei es eine zu intensive Forstwirtschaft – aufgedeckt werden. Und hier helfen auch keine Rügen, sondern für die Schädigung oder Zerstörung unserer Wälder wären empfindliche Strafen angebracht.

Aber auch das allein wird nicht viel bringen, wenn die Weltgesellschaft nicht ihren Bedarf an Holz reduziert, sparsamer und achtsamer mit dem wertvollen Rohstoff Holz umgeht, Altes erhält satt Neues zu produzieren und zu bauen und versucht, eine wirkliche Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Solange hier nicht ein Umdenken stattfindet, dem wirksames Handeln folgt, solange werden wir die Wälder kaum entlasten können, geschweige denn die globale Entwaldung stoppen können.

Aufforstung als Lösung?

Gefühlt jeder zweite Internethändler bietet an, einen Baum zu pflanzen, wenn man sich für sein Produkt entscheidet. Feigenblatt oder echtes Engagement?

Ja, Aufforstung kann auch ein Teil der Lösung sein, aber man muss schon sehr genau hingucken, wer was genau anbietet. Was bringen uns aufgeforstete Flächen, auf Böden, auf denen es sehr unwahrscheinlich ist, das ein Wald überhaupt wachsen kann, was bringen uns die falschen Baumarten oder noch schlimmer das Anlegen von Plantagen statt Wäldern, und was bringen uns damit verbundene Landnutzungskonflikte und Menschenrechtsverletzungen? Es ist nicht empfehlenswert, auf die Angebote von Unternehmen hereinzufallen, die sich eine grüne Weste waschen wollen. Sinnvoller ist es, Aufforstungen zu unterstützen, die mit Sinn und Verstand an die Sache herangehen. Die Suchmaschine Ecosia oder auch das Bergwaldprojekt können als positive Beispiele hervorgehoben werden.

Was brauchen wir auf Deutschland bezogen?

Die ehemalige Agrarministerin Julia Klöckner schlug mit ihrer Waldstrategie 2050 unlängst den falschen Weg ein, der zum Teil eine sehr traditionelle und eher intensive Forstwirtschaft unterstützt.

Aus Waldnaturschutz-Perspektive wünschen wir uns, neben inflationären neuen Anpflanzungen auch viel Wert auf eine natürliche Verjüngung zu setzen, den Wald schonend und achtsam zu bewirtschaften und Waldbesitzenden dann nicht nach der Größe ihrer Flächen Finanzhilfen zu geben, sondern Ökosystemfunktionen des Waldes angemessen zu entlohnen.

Und außerdem sollte schleunigst nochmal ein Blick darauf geworfen werden, welche Wälder aktuell in Deutschland einen Schutzstatus haben, nämlich nur 2,8 % von den seit Jahren angestrebten 5 %, in denen zum Teil immer noch Forstwirtschaft betrieben wird. Noch schlimmer wird es, wenn wir das dann damit zu vergleichen, welche Wälder tatsächlich geschützt sein sollten.

Die Studie "Schutzgebiete schützen nicht", die unter der Mitwirkung der Naturwaldakademie Lübeck entstanden ist und erst vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde, evaluierte, dass mindestens 15 % unserer Wälder in Deutschland streng schützenswert wären, wenn wir die Waldnaturschutzbrille aufsetzen würden.

Das heißt: In den Baumwipfeln ist noch viel Luft nach oben! Wir bleiben weiter dran, wirklich wirksamen Waldnaturschutz für die nationalen Wälder, aber auch für die Wälder weltweit zu fordern.