Rückschritte im weißen Hemd

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur außenpolitisch bisherige Selbstverständlichkeiten abgelöst. Auch klima-, energie- und mobilitätspolitisch ist innerhalb kürzester Zeit einiges ins Wanken geraten. In dieser Blogserie beleuchten wir die aktuellen Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven. In Teil 1 werfen wir einen kritischen Blick auf die kürzlich besiegelte Energiepartnerschaft mit Katar.

Weißes Hemd, die Ärmel sind hochgekrempelt. Robert Habeck meldet sich mal wieder auf Instagram, das macht er oft in letzter Zeit. Vor ein paar Tagen hat er in über sieben Minuten erklärt wie sein Ministerium mit Hochdruck daran arbeitet, unabhängig von russischen Energieimporten zu werden. In diesem Video aber ist er nicht vor einer grauen Wand in seinem Ministerium, sondern in Doha der Hauptstadt von Katar, im Hintergrund das Meer. Er beginnt sein Video damit wie surreal die Situation für ihn ist, in der Ukraine sterben Menschen und er steht vor der Skyline von Doha. Die Ukraine Krise, der schreckliche Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, ist der Grund für Habecks Reise.

Seinen Besuch mit sterbenden Menschen in der Ukraine zu rechtfertigen ist wahrscheinlich nicht besonders geschickt, ja fast schon makaber. Denn auch in Katar sterben Menschen. In den letzten Jahren sind mindestens 15.000 Arbeiter*innen alleine beim Bau der Stadien und Gebäude für die WM 2022 gestorben. Die vielen Toten sind ein Resultat der extrem schlechten Arbeitsbedingungen im Land, auch um alle anderen Menschenrechte ist es in Katar nicht gut bestellt. Außerhalb der Landesgrenzen gilt Katar als einer der großer staatlichen Finanzierer Islamistischer Terrororganisationen wie dem sogenannten IS.

Habeck selber nennt die Arbeitsbedingung in Katar „nicht so ganz gut“, früher waren sie laut ihm katastrophal. Woher Habeck die Grundlage für seine Aussage hat bleibt fraglich. Amnesty International sagt zu den Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in Katar, das sie nur auf dem Papier existieren. Verschiedene Quellen legen nahe, das die Todesraten der Arbeiter*innen von 2020 auf 2021 sogar noch angestiegen sind.

Aber wegen Menschenrechten oder Terrorismusfinanzierung ist Habeck nicht unterwegs. Er will Deutschland schnell unabhängig von russischem Öl, Kohle und Gas machen. Öl und Kohle sind nicht das Problem. In dem angesprochen Instagram Video vor ein paar Tagen sagte Habeck optimistisch, dass Deutschland die Unabhängigkeit von russischer Kohle wahrscheinlich bis zum Herbst erreicht und von Öl bis zum Ende des Jahres.

Gas ist da komplizierter, denn ohne Russisches Pipeline-Gas muss Deutschland Flüssigerdgas (LNG) aus Übersee einschiffen. Dafür fehlt sowohl die Infrastruktur, als auch die Handelspartner und davon gibt es nicht viele. Die USA hat gerade ihre Kapazitäten hochgefahren, doch deren Erdgas ist umstritten, weil sie aufs Fracking zurückgreifen. Fracking ist in Deutschland nicht zulässig, es ist mit enormen Risiken für die Umwelt verbunden und es entweicht deutlich mehr Methan bei der Förderung als bei herkömmlichen Fördermethoden. Andere LNG-Anbieter sind Australien, Malaysia, Nigeria und Indonesien, alles Länder die ziemlich weit weg sind. Deshalb ist Habeck gerade in Doha, denn Katar ist einer der weltgrößten LNG Exporteure und geographisch vergleichsweise nah. Außerdem hat Katar gerade angekündigt seine Fördermengen hochzuschrauben.

Das Ergebnis des Treffens von Habeck mit unter anderem dem Emir von Katar ist eine langfristige Energiepartnerschaft, Unternehmen die mit nach Katar gekommen sind werden nun in Vertragsverhandlungen einsteigen. Die Energiepartnerschaft soll nicht nur die Lieferung von LNG, sondern auch den Ausbau von erneuerbaren Energien und Maßnahmen zur Energieeffizienz umfassen, es wird also ein breites wirtschaftliches Bündnis geschmiedet.

Aber bedeutet das jetzt, dass wir bald die LNG Tanker an deutschen Häfen anlegen und wir die russischen Pipelines zudrehen können, damit nicht jeden Tag Millionen Euros von Deutschland nach Russland fließen? Wohl eher nicht, denn Deutschland fehlt es an einer geeigneten Infrastruktur für Flüssigerdgas, ein Terminal muss noch gebaut werden, und das wird vermutlich nicht vor 2026 fertig sein, für eine kurzfristige Lieferung müsste das LNG über andere europäische Häfen wie Rotterdam nach Deutschland kommen. Habeck selbst sagt, das wir noch ein bis zwei Jahre Abhängig von russischem Erdgas sein werden. In den letzten Wochen hat Habeck den Neubau von LNG-Infrastruktur damit gerechtfertigt, das sie nur eine Ergänzung zu Erneuerbaren darstellen sollen und eine schnelle Umrüstung auf Wasserstoff geplant ist. Das ist leider ein Märchen. Guckt man sich die Verträge die Katar in der Vergangenheit abgeschlossen hat an, wird es wahrscheinlich auf einen 20 Jahres Liefervertrag mit einer Take-or-Pay Klausel herauslaufen. Damit ist auch eine mittelfristige Umrüstung der LNG-Infrastrukur auf Wasserstoff unwahrscheinlich, die unabhängig davon technisch sowieso noch nicht ausgereift ist. Das Projekt würde Deutschland noch Jahre an die Verbrennung von Erdgas binden anstatt diese schrittweise zu reduzieren und lässt damit eine Klimaneutralität 2045 in weiter ferne rücken.

Anstatt uns weiter von fossilen Energien und autokratischen Staaten abhängig zu machen, sollten wir unseren Fokus auf dem Ausbau der erneuerbaren Energien setzen. Aber vor allem ein Umdenken im Wärmemarkt, wo noch eine große Abhängigkeit von Erdgas besteht, ist notwendig.  Wir müssen schnellstmöglich damit beginnen unsere Gebäude Energieeffizienter zu machen, durch Gebäudesanierungen und dem Einbau von Wärmepumpen. Nur so ist eine wirklich nachhaltige Energiewende möglich, die im Einklang mit Mensch, Umwelt und Klima steht.

Wir als Robin Wood werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass wir schnellstmöglich aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas aussteigen. Wir und viele andere Akteure der Klimabewegung lassen uns nicht an der Nase herumführen. Wir werden nicht zulassen, dass das dreckige Gas der einen Autokratie, gegen das einer anderen ausgetauscht und unsere Abhängigkeit von Fossilen weiter ausgebaut wird. Eine erneuerbare, sozial gerechte Energie- und Wärmewende ist möglich!