Politische Teilhabe fördern!
Gemeinnützigen Vereinen keine Knüppel zwischen die Beine werfen
So wie es ist, wird es nicht bleiben. Das Gemeinnützigkeitsrecht wird überarbeitet. Doch zu wessen Gunsten? Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, und sein Ministerium halten ihren seit Wochen angekündigten Vorschlag für eine Novelle der Abgabenordnung bislang unter Verschluss. Vom Koalitionspartner CDU, der noch im vergangenen Jahr auf seinem Hamburger Parteitag die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe scharf attackierte, ist erst recht keine Besserung zu erwarten.
Derweil hat ein weiterer Verein seine Gemeinnützigkeit verloren. Vergangene Woche wurde bekannt, dass das Berliner Finanzamt der Kampagnen-Organisation Campact die Gemeinnützigkeit aberkannt hat. Begründung: Campact sei in den geprüften Jahren von 2015 bis 2017 überwiegend allgemeinpolitisch tätig gewesen und habe Kampagnen zu Themen durchgeführt, die keinem gemeinnützigen Zweck der Abgabenordnung zugeordnet werden könnten. Eine schmerzhafte Konsequenz: Spenden an die Organisation sind nicht mehr steuerlich absetzbar. Campact muss zudem mehrere Hunderttausend Euro Schenkungssteuer zurückzahlen – Spenden, die damit nicht mehr für die politische Arbeit zur Verfügung stehen.
Campact hatte diesen Schritt befürchtet, seit im Februar das Urteil des Bundesfinanzhofs im Rechtsstreit um die Gemeinnützigkeit des Trägervereins von Attac bekannt geworden war. Das Gericht urteilte, „die Verfolgung politischer Zwecke“ sei "im Steuerrecht nicht gemeinnützig". Eine sehr restriktive Auslegung der Abgabenordnung, die bei vielen Vereinen die Alarmglocken schrillen ließ.
Mit Attac und Campact trifft es Vereine, die anders als ROBIN WOOD nicht den Zweck des Umwelt- und Naturschutzes verfolgen, sondern sich auf die Förderung politischer Bildung und des demokratischen Staatswesens berufen, wenn sie zu wichtigen Themen wie sozialer Gerechtigkeit, Rassismus oder Menschenrechten aktiv sind. Diese Zwecke sind bislang nicht ausdrücklich in der Abgabenordnung als gemeinnützig aufgelistet.
Weil aber – gerade in Zeiten starken Rechtsrucks – dieses Engagement wichtig ist und politische Teilhabe auch außerhalb von Parteien gestärkt werden muss, sollte die Liste der Zwecke ergänzt werden. Auch die 16 Landesfinanzminister*innen haben sich im September dieses Jahres dafür ausgesprochen, weitere Zwecke, etwa den Klimaschutz, in die Liste aufzunehmen.
Das allein aber reicht nicht. Vereinen darf auch nicht die Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit drohen, wenn sie sich über den definierten Vereinszweck hinaus politisch äußern. „Was gemeinnützige Organisationen brauchen, sind klar benannte Zwecke und die Möglichkeit, sich auch mal für andere Themen einzusetzen – damit der Gesangsverein zur Klimaschutzdemo gehen kann, ohne um seine Gemeinnützigkeit bangen zu müssen", fordert Stefan Diefenbach-Trommer von der „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“.
Keine Lösung des Problems sieht die Allianz in dem zwischen den Fachleuten von Bund und Ländern diskutierten Vorschlag, einen eigenen Steuerstatus für "politische Körperschaften". "Das wäre eine starke Abtrennung von politischem Engagement von gemeinnützigem Engagement", sagt Diefenbach-Trommer. "Doch tatsächlich wirkt gemeinnütziges Engagement immer auf die Gesellschaft ein und ist in dem Sinn politisch. Gemeinnütziges Engagement ist stets der Versuch, die Welt besser zu machen – selbstlos das Allgemeinwohl zu fördern."
Gemeinsam mit rund 120 anderen Vereinen und Stiftungen unterstützt ROBIN WOOD die "Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung", um sich für eine Modernisierung der Abgabenordnung einzusetzen.
Wer mit für eine starke Zivilgesellschaft streiten will, kann die Online-Petition „Die Zivilgesellschaft nützt der Gemeinschaft“ unterzeichnen sowie Veranstaltungen zum Thema besuchen oder organisieren.
Nächste Gelegenheit: „Gemeinnützige Zivilgesellschaft… oder doch nicht – Attac, das BFH-Urteil und die Folgen“, Veranstaltung am 29. Oktober 2019 um 19:00 Uhr im Übersee-Museum in Bremen. ROBIN WOOD ist Mitveranstalter.