Morde an zwei Waldrangern in Rumänien

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Foto ▸ ROBIN WOOD

Mit Bestürzung haben wir am 21. Oktober von den Morden an zwei rumänischen Waldrangern erfahren.

Im nächsten Absatz dieses Blogbeitrags wird genauer auf die Umstände der Morde an den beiden Waldrangern eingegangen. Wer dies nicht lesen möchte, kann ihn überspringen.

Schon vor rund einem Monat fanden Kollegen den 50-jährige Waldranger Raducu Gorcioaia in seinem Auto. Er wurde mit mehreren Axthieben in den Kopf getötet. Drei Personen wurden festgenommen. Genaueres ist nicht bekannt. Vor wenigen Tagen nun wurde der 30-jährige Forstinspektor Liviu Pop tot in einer Schlucht im Wald entdeckt. Er starb an Schüssen, die aus seinem eigenen Gewehr auf ihn abgefeuert wurden. Zuvor wurde er misshandelt und offenbar vorher schwer verletzt. Er hinterläßt eine Familie mit drei kleinen Kindern.

Beide Ranger befanden sich nicht weit entfernt von illegalen Waldrodungen. Liviu Pop war explizit aufgebrochen, um dem Hinweis nach einer illegalen Rodung nachzugehen.

Illegale Rodungen sind in Rumänien keine Seltenheit. Vor wenigen Monaten wurden bislang geheim gehaltene Zahlen aus der Nationalen Forstinventur bekannt, wonach zwischen 2013 und 2018 jährlich mehr als 30 Millionen m3 Holz geerntet worden waren - rund 20 Millionen m3 mehr als durch Waldmanagementpläne genehmigt. Das heißt, auf jeden einzelnen legalen Holzeinschlag folgt ein zweiter illegaler.

Und auch Übergriffe auf Menschen, die sich für den Wald einsetzen sind keine Seltenheit. Allein in diesem Jahr gab es 16 Angriffe. 650 waren es in den letzten fünf Jahren. Darunter sind sechs Morde und unzählige schwere Verletzungen durch Hiebe und Stichwaffen. Sie richten sich gegen Förster*innen, Forstingenieur*innen und Waldarbeiter*innen. Kaum ein Berufsstand dürfte gefährdeter sein. Von der Forstverwaltung Romsilva werden die Taten verurteilt. Gleichzeitig benennt die Forstverwaltung den Konflikt zwischen Forstarbeiter*innen und Holzdieben als Auslöser für die Attacken. Ob dies den Tatsachen entspricht, ist zumindest zu bezweifeln. So gibt es immer wieder investigative Recherchen, die nahelegen, dass auch offizielle Holzfirmen in die illegalen Rodung von Wäldern in Schutzgebieten involviert sind und Forstverwaltung und Regierung dies decken. Die Holzmengen und die gerodeten Flächen sind gigantisch und es ist auch mit viel Fantasie nicht vorstellbar, dass dies ohne professionelle, unternehmerische Strukturen und Mitwisserschaft der Behörden vonstatten geht. Die Reaktionen der Forstverwaltung sind bezeichnend für eine allgemeinen jahrzehntelangen Politik von Forstverwaltung und Regierung, den illegalen Holzhandel im Land zu negieren oder gar davon zu profitieren. In zwei Fällen führte dies nun erneut zum gewaltsamen Tod zweier Ranger.

Seit kaum einem Jahr sind wir als Umweltschutzorganisation in Rumänien aktiv und haben in dieser kurzen Zeit von unzähligen Fällen von Repression und Einschüchterung erfahren. Die Morde haben wieder einmal gezeigt: das Klima der Angst unter Menschen, die den Wald schützen möchten beschränkt sich nicht auf Aktivist*innen. Waldranger und Forstinspektor*innen sind davon betroffen, die sich in ihrer Tätigkeit als "Hüter*innen des Walds" insbesondere in Schutzgebieten täglich die Frage stellen müssen, wie sie reagieren, wenn sie illegale Holzfällungen entdecken. Es setzt sich aber auch fort unter allen anderen Menschen, die im und um den Wald herum beruflich aktiv sind und die sich solidarisch zeigen mit den Belangen der Umweltschützer*innen. Die Repression zieht sich bis in die Kreise der Wissenschaftler*innen, die sich dafür einsetzen, die alten und unberührten Wälder Rumäniens durch ihre Expertise als solche zu markieren und ihnen Schutz zu gewähren. Sie alle müssen damit leben, dass sie berufliche Nachteile erleben, dass sie versetzt, bedroht oder verletzt werden. Und sie alle müssen damit leben, dass ihre Stimmen ungehört bleiben bei denjenigen, die in der Lage wären, die Strukturen zu ändern.

Aus der rumänischen Umweltbewegung sind uns Fälle von massivem Datenklau und Datenmanipulation aber auch von Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit bekannt. Einer unserer engsten Verbündeten, der Umweltaktivist Gabriel Paun von der Umweltorganisation Agent Green, erlebte bereits mehrfach Übergriffe, die ihm fast das Leben kosteten. Krankenhausaufenthalte nach Knochenbrüchen, Platzwunden und dem Angriff mit Reizgas gehörten dazu.

Naturwissenschaftler*innen, die im Wald tätig sind und die sich dem Umweltaktivismus gegenüber zu solidarisch zeigen, sind generell gefährdet. Sei es, dass sie ihren Job verlieren könnten oder ihr wissenschaftlicher Ruf gefährdet ist.

Die Biologin Teodora Alina Sinculeț kündigte nach 15 Jahren der wissenschaftlichen Begleitung des Semenic Nationalparks resigniert ihren Job. Die Repression, die sie erlebte, war schlichtweg die Ignoranz gegenüber ihrer wissenschaftlichen Expertise und der Frevel an den Wäldern des Semenic Nationalparks. „15 Jahre lang habe ich unzählige Beschwerden eingebracht, aber es wurden keinerlei Maßnahmen ergriffen. Der Managementplan wurde tagtäglich von der Parkverwaltung missachtet“, so Sinculet.

Unsere Aufenthalte in Rumänien im Frühjahr und Sommer 2019 waren begleitet von regelmäßigen Kontakten zu Rangern, Menschen aus der Bergrettung, Wissenschaftler*innen und Menschen aus der Forstverwaltung, die sich uns und unseren Umweltschutzzielen gegenüber solidarisch zeigten, aber in der Öffentlichkeit nicht mit uns in Verbindung gebracht werden wollten. So hatten wir während unserer Zeit in Rumänien Kontakt zu Wissenschaftler*innen, die zwar mit uns als NGOs agierten, aber bei allen gemeinsamen Aktivitäten tunlichst darauf achteten, dass keine zeithistorischen Belege - seien es Fotos oder Videos - ihre Zusammenarbeit mit uns nachweisen konnten.

Und das aus gutem Grund. So wurde eine Person im Laufe ihrer Berufsbiografie sofort und ohne erkennbaren Grund in eine andere Stadt versetzt, nachdem sie auf Videos bei einer waldpolitischen Aktion zu sehen war.

Eine Person, die wir besuchten, wies uns eindringlich darauf hin, in der Nähe ihres Hauses keinerlei politischen Symbole zu tragen und uns unauffällig zu verhalten, damit sie ihren Job nicht verlöre. Eine andere, mit der wir sehr vertraut waren, begann uns plötzlich zu siezen, als andere staatliche Autoritäten in Hörweite waren. Sie gab uns damit zu verstehen, dass sie uns offiziell nicht kennen durfte. Wir konnten eine geführte Wanderung durch die Wälder erleben, wurden aber auch hier wieder darauf hingewiesen, bitte von unserer Begleitperson keine Fotos oder Videos anzufertigen oder gar zu veröffentlichen.

Die Geschichte des ehemaligen Forstinspektors Mihail Hanzu kommt einem Krimi gleich. Zahlreiche Male wurde ihm offen mit Mord gedroht und er wurde als "Volksschädling" und psychisch krank diffamiert, weil er das ihn umgebene korrupte System nicht hinnehmen wollte. Als wir ihn im April trafen, wirkte er keineswegs eingeschüchtert - im Gegenteil. Wie auch Gabriel Paun von Agent Green geht er unbeirrbar seinen Weg gegen die korrupte Holzmafia. Unsere Solidarität und die Solidarität vieler anderer Menschen und Organisationen ist einer der Gründe dafür. Ohne diese mutigen Menschen in Rumänien, käme kaum ein Waldfrevel ans Tageslicht.

Unsere Erlebnisse stellen keine repräsentativen Ergebnisse über das tatsächliche Ausmaß von Repression gegenüber Waldnaturschützer*innen dar. Sie skizzieren aber das Bild eines Systems der Angst, das auf allen Ebenen des Waldnaturschutzes installiert ist. Nicht erst durch die zwei Morde, die diesen Monat stattfanden, wissen wir, dass die Angst gerechtfertigt ist.

Ohne einen europäischen oder internationalen Blick auf die Geschehnisse und einen internationalen Druck, die illegale Holzwirtschaft zu unterbinden und die mörderischen Strukturen dahinter abzustellen, wird sich in Rumänien nichts ändern. Umweltschützer*innen werden weiter in Angst leben, werden sich dagegen entscheiden, Familien zu gründen, müssen in ihren Umweltschutzbestrebungen unerkannt bleiben oder werden gar nicht erst aktiv. Das System der Angst ist stabil und etabliert.

Die Wahl einer neuen Regierung, die kurz bevorsteht (eventuell wird sich schon diesen Freitag, den 25.10.19, ein neues Parlament konstituieren), birgt die Chance mit der Korruption im allgemeinen, mit der illegalen Holzwirtschaft im spezifischen und mit der Repression gegenüber sich offen zum Waldnaturschutz bekennenden Menschen aufzuräumen. Aber darauf verlassen wir uns nicht.

Wir bleiben dran! Die unberührten Wälder Rumäniens und all die Menschen im Waldnaturschutz brauchen unsere Unterstützung! Doch nun trauern wir erst einmal um all die, die in Rumänien aufgrund ihres Aufbegehrens für die Umwelt bis heute gelitten haben oder gar ihr Leben verloren haben.