ROBIN WOOD goes Romania

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Protest gegen die Waldzerstörung vor der rumänischen Botschaft in Berlin im Januar 2019
Foto ▸ Maraz/Forum Umwelt und Entwicklung

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Juli 2019: Vor Ort für den Schutz der rumänischen Wälder aktiv
Foto ▸ ROBIN WOOD/Minierva Vincza

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Der Kontrast zu den Wäldern, in denen Forstwirtschaft betrieben wird, ist groß: Jahrhundertealte Bäume und viel lebendiges Totholz, Urwüchsigkeit ohne Ordnung, ein riesiger Artenreichtum.
Foto ▸ ROBIN WOOD

Wir waren dieses Jahr einige Male zum Schutz der rumänischen Urwälder aktiv. Mit Baumstämmen, Kettensägen, Schnittschutzhose, Helm und fast echten Bären haben wir vor der rumänischen Botschaft in Berlin symbolisch sichtbar gemacht, was in den rumänischen Urwäldern passiert. Ihr habt die Fotos gesehen. Kurze Zeit später initiierten wir ein Statement von 13 deutschen, rumänischen und internationalen NGO für den Schutz rumänischer Ur- und Naturwälder an das rumänische Umwelt- und Forstministerium und die rumänische Forstverwaltung. Auch das konntet ihr im letzten Magazin lesen. Heute erzählen wir euch, was bisher noch geschah und wie es weiter geht.

Aber zunächst: Warum überhaupt Rumänien? Gibt es hier in Deutschland nicht genug zu tun zum Schutz der Wälder? Das haben uns einige von euch gefragt.

ROBIN WOOD hat sich immer schon international für den Schutz der Wälder eingesetzt. Sei es gegen die Abholzung der skandinavischen Urwälder, der Tropenwälder in Südamerika oder der indonesischen Wälder. Waldschutz ist überall auf dem Planeten wichtig. Denn alte und artenreiche Wälder sind unsere stärksten Verbündeten gegen den Klimawandel. Der Arteinreichtum ist ein Garant für die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme.

Wenn wir einen Blick auf die Zerstörung der Wälder in der EU werfen, so weisen Rumäniens Wälder einige Besonderheiten auf. In Rumänien befinden sich 32 Prozent der größten zusammenhängenden, nahezu unberührten Wälder und die größten alten Buchenwälder. Gleichzeitig ist die Entwaldungsgeschwindigkeit eine der höchsten. Gab es 2004 noch 218.500 Hektar unberührte Wälder, so sind es inzwischen nur noch die Hälfte.

Gerodet wird für den europäischen Markt. Auch Deutschland ist Abnehmer rumänischen Holzes. Über große europäische Holzhandelsfirmen wie Schweighofer, Egger und Kronospan, landet das Holz z.B. als Spanplatten in unseren Baumärkten. IKEA zum Beispiel bezieht acht Prozent seines Holzes aus rumänischen Wäldern.
Noch sind längst nicht alle Urwälder Rumäniens kartiert. Solange das der Fall ist, können sie weiter gerodet werden.
Aber auch ein Status als Nationalpark oder Natura 2000-Gebiet ist kein Garant für einen effektiven Schutz. Umweltschutzorganisationen und Wissenschaftlicher*innen dokumentieren regelmäßig großflächige Rodungen. 70 Prozent der registrierten Fällungen finden in geschützten Gebieten statt.

Wissenschaftlicher Workshop
 
Gemeinsam mit unserem Waldexperten und Aktionskoordinator Alex Gerschner traf ich Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen von NGO sowie Journalist*innen aus Deutschland und Österreich bei einen Workshop im Semenic Nationalpark, der im Rahmen eines mehrjährigen Wald-Kartierungsprojektes rumänischer, slowakischer und deutscher Wissenschaftler*innen stattfand. Die Kartierungen sind Teil eines Forschungsprojektes unter der Leitung der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg und werden von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt finanziert.
Alle Flächen, die durch die Kartierung als störungsfrei, also als unberührte Wälder, erkannt werden, werden einer Kommission zur Aufnahme in einen Schutzkatalog vorgeschlagen. 5.259 Hektar sind bereits aufgenommen. Die Arbeit wird allerdings durch diverse bürokratische Hürden behindert.

Die Wälder als sogenannte „Virgin Forests“ zu definieren, ist in Rumänien schwieriger als anderswo, weil strengere Kriterien festgelegt wurden: Alle Bäume müssen alt sein (was nach Windbruch oder anderen natürlichen Störungen nicht mehr der Fall ist), kein einziger abgesägter Stumpf darf zu sehen sein (was aber immer mal vorkommen kann, wenn sich Ortsansässige ihre Kleinstmengen aus dem Wald holen oder kleine Pfade freigehalten werden), es muss genug Totholz vorhanden sein (das ist eine weiche Kategorie, die nicht messbar ist und die auch schon zu absurden Ablehnungen geführt hat). Damit ist der hohe Anspruch an „Virgin Forest“ gleichzeitig ein Werkzeug geworden, diesen erst gar nicht ausweisen zu können.

Komplizierte Kartierungspraxis in rumänischen Wäldern

Die Kommission macht sich nur selten selbst ein Bild vor Ort. Wenn die Managementpläne der Privatwaldbesitzer*innen darauf schließen lassen, dass es sich nicht um einen „Virgin Forest“ handelt, dann wird dem häufig mehr Glauben geschenkt als der wissenschaftlichen Kartierung.
Privatwaldbesitzer*innen müssen der Kartierung zustimmen. Wenn sie den Wald wirtschaftlich nutzen wollen, stimmen sie der Kartierung natürlich nicht zu. Damit geht von vorneherein viel potenziell schützenswerter Wald verloren. Im Fagaras-Gebirge sind 40 Prozent der Wälder in privater Hand.

Auch scheint die Regierung den Katalog schnell schließen zu wollen. Das konnte durch das unermüdliche weitere Kartieren des Projekts aber abgewendet werden. Der gesamte bürokratische Akt bleibt allerdings so kompliziert, dass er sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, die für die Feldforschung genutzt werden könnte

Exkursion in den Semenic Nationalpark

Am letzten Tag unserer Rumänien-Reise besuchten Alex und ich mit Wissenschaftler*innen, NGO-Vertreter*innen und Journalist*innen ein Tal im Fagaras-Gebirge in den Karpaten südlich von Victoria. Der Zustand des Waldes schockierte uns. Der leidlich befestigen Straße in die Berge konnten wir ihre Übernutzung ansehen. Sie bestand aus hohem Matsch aus frisch von schweren Maschinen aufgewühlter Erde. Alle paar hundert Meter zweigten Rückewege ab, die sich vertikal bis zu fünf Meter tief in den Waldboden geschürft hatten. Auch diese Wege wirkten frisch angelegt. Jahrhundertealte Bäume mussten am Rand der Wege gefällt werden, weil die Forstmaschinen beim Befahren der Rückwege die Hälfte der Wurzeln komplett abrasiert hatten und die Bäume sonst auf die Wege gestürzt wären. Überall dort, wo die Steigung es zuließ, türmten sich frisch gefällte, dicke Buchenstämme, die in kurze Stücke zersägt worden waren.

Das grobe Zersägen des Stammholzes gab uns einen Hinweis darauf, dass die Stämme nicht unbedingt zu langlebigen Dachbalken oder speziellen, hochwertigen Massivholzmöbeln verarbeitet werden sollten. Eher die Nutzung als Feuerholz oder für billige Spanplatten kam in Frage. Dies ist also die „normale“ Forstwirtschaft in Rumänien.

Nicht nur die ruppige Art der Arbeiten sondern auch der Zeitpunkt, zu dem die Arbeiten ausgeführt wurden, führte zu den dramatischen Schäden, die wir dokumentieren konnten. Es war Frühjahr – Brut- und Setzzeit, in der den Tieren Ruhe gewährt werden sollte, damit sie ihre Jungen zur Welt bringen und aufzuziehen können. In Rumänien gibt es solche gesetzlich geregelten Ruhephasen nicht. Selbst die niedrigsten Standards des Naturschutzes, die wir aus anderen europäischen Ländern kennen, wurden in dem von uns besuchten Taleinschnitt nicht eingehalten.

„Du musst zum Feldstecher greifen, um dir die Kronen der Bäume anschauen zu können“

Am Ende der befahrbaren Straßen nahmen wir einen Pfad zu Fuß in die Berge. Welch ein Kontrast, und welch ein Erlebnis. Jahrhundertealte Bäume und viel lebendiges Totholz, Urwüchsigkeit ohne Ordnung, ein riesiger Artenreichtum und keine sichtbaren Einflüsse des Menschen.
Wie es Alex formulierte: „Es ist schon etwas Besonderes, wenn du zum Feldstecher greifen musst, um dir die Kronen der Bäume anzuschauen.“ Mit einer Gruppe Waldexpert*innen in solch einem Wald zu sein, bedeutet zwangsläufig ein sehr langsames Vorankommen. Arten wurden bestimmt. Es wurde gestaunt, gerätselt und mit dem Kopf geschüttelt. Wir können uns sicher sein, dass Bären uns gesehen haben.

Doch von hier sahen wir auch die Kahlschläge auf der gegenüberliegenden Bergseite. Immer wieder entwickelten sich Gespräche über die Definition von „Virgin Forests“ anhand von Praxisbeispielen am Wegesrand. Die Wanderung war ein Erlebnis zwischen fachlicher Expertise und dem Erleben der Natur mit allen Sinnen.

Spektakuläres Zeichen für den Schutz des Weltnaturerbes

Beeindruckt von den Urwaldriesen, schockiert von den Spuren der Forstwirtschaft und bestürzt über die Schwierigkeiten, die der Einsatz für den Schutz der Wälder in Rumänien mitsichbringt, beschlossen wir, dass ROBIN WOOD dranbleibt. Gemeinsam mit der Stiftung EuroNatur und der rumänischen Organisation AgentGreen schmiedeten wir Pläne für die Zukunft. Und so starteten wir Ende Juli mit 10 Aktiven von ROBIN WOOD in den Nationalpark Domoglet-Valea Cernei. Dort organisierten wir gemeinsam mit unseren Bündnispartner*innen von AgentGreen und EuroNatur eine spektakuläre Kletteraktion!

Ein internationales Team von Kletter*innen spannte ein 50 Meter langes Banner auf mit dem Schriftzug „SAVE ROMANIAN PRIMARY FORESTS!“ Am Samstag flatterte das Banner über den Graslandschaften eines Passes, am Sonntag über einem 200 Meter breiten Taleinschnitt. Wir markierten auf diese Weise den Abschnitt der rumänischen Karpaten, der als UNESCO-Weltnatur­erbe unter dem Schutz der gesamten Menschheit steht.
 
Der Protest richtet sich gegen den geplanten Ausbau der National­straße 66a mitten durch die beiden Nationalparks Domogled und Retezat, der sich massiv auf die gesamte europäische Weltnaturerbe-Stätte auswirken würde. Die rumänische Regierung plant den Ausbau der bisher bestehenden, nicht-asphaltierten Forststraße zu einem zweispurigen Highway. Von den 19 Kilometern des geplanten Bauabschnitts verläuft ein Kilometer durch die Kern­zone des UNESCO-Schutzgebietes. Die Aktivist*innen fordern von der rumänischen Regierung, die EU-weit bedeutenden Ur- und Naturwälder des Landes konsequent zu schützen und alle Pläne zum Ausbau der DN66a endgültig aufzugeben, die Naturlandschaften von „universellem Wert“ irreversibel schädigen würde.
 
Nachdem die Pläne für den Ausbau der DN66a bereits 2010 durch den massiven Protest von Umweltschützer*innen gestoppt worden waren, hat sich die Situation aktuell massiv zugespitzt. Am 25. Juli 2019 wurde die Ausschreibung für den Straßenbau geschlossen und der rumänische Verkehrsminister Razvan Cuc hat den Baubeginn innerhalb eines Monats angekündigt.
Weiter geht‘s

Für die Zukunft haben wir bereits weitere Bündnisaktionen geplant. Lasst euch überraschen. Aber auch inhaltlich geht es für uns weiter. Über sogenannte Isotopenananlysen werden wir den Referenzkatalog von Holz aus geschützten Gebieten Rumäniens erweitern. Wir hoffen damit in Zukunft, Lieferketten von rumänischen Holzprodukten bei IKEA oder in deutschen Baumärkten prüfen zu können. Deutschland ist Abnehmer rumänischen Holzes – auch aus illegal geschlagenen geschützten Gebieten, so unsere Vermutung. Wir bleiben dran und halten euch auf dem Laufenden!