EU-Agrosprit-Reform steht auf der Kippe

Konservative und liberale Abgeordnete des Europäischen Parlaments torpedieren gerade die Bemühungen der EU-Kommission, die europäische Agrospritpolitik zu reformieren. Sie wollen Agrokraftstoffe auch weiterhin massiv fördern. Auch hat sich ein Block aus mehreren Ländern gebildet (u.a. Ungarn, Polen, Frankreich und Österreich), der eine Begrenzung der Agrokraftstoffe in jeden Fall verhindern will. Die Regierungen dieser Länder fürchten massive negative Auswirkungen auf ihre Landwirte und die Biokraftstoffbranche. Mit dem anstehenden Regierungswechsel in Berlin droht nun auch der bis dato relativ fortschrittliche Ansatz der deutschen VertreterInnen in Brüssel ins Gegenteil verkehrt zu werden.

Derzeit werden in Brüssel Vorschläge der EU-Kommission diskutiert, den Einsatz von Agrokraftstoffen zu reduzieren. Denn auch in der EU-Kommission setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass Agrokraftstoffe keinesfalls die Heilsbringer für das Klima und die Umwelt sind, als die man sie einst gepriesen hat. Die Kommission ist daher von früheren Zielvorgaben für Agrokraftstoffe abgerückt. Nach 2020 soll kein Mitgliedsland mehr verpflichtet werden, einen Mindestanteil an Erneuerbaren Energien, in der Regeln in Form von Agrokraftstoffen, im Verkehrssektor zu erreichen. Bisher galt eine Zielvorgabe von zehn Prozent bis 2020. Die Beimischung von Kraftstoff auf Basis von Futter- und Lebensmittelpflanzen will sie von heute sieben Prozent auf 3,8 Prozent bis 2030 begrenzen. Diese Kraftstoffe stehen besonders in der Kritik, sich nachteilig auf das Klima und die Umwelt auszuwirken und auch die Preise für Lebensmittel anzuheizen.

Aus Sicht der Umweltverbände wäre dies ein Schritt in die richtige Richtung. Da das Erneuerbare-Energien-Ziel bisher fast ausschließlich über die umweltschädlichen Agrokraftstoffe erreicht wird, wollen die Umwelt-NGOs hier neue Zielvorgaben auf jeden Fall verhindern. Während Grüne und Sozialisten die Forderungen der NGOs im Großen und Ganzen vertreten, wollen etliche Abgeordnete der Konservativen und Liberalen erneut ein verbindliches Ziel für die Beimischung nach 2020 festschreiben. Einigen schwebt dabei sogar eine Zielvorgabe von 15 Prozent bis 2030 vor. Auch eine restriktive Obergrenze für Agrokraftstoffe aus Futter- und Lebensmittelpflanzen lehnen viele dieser Abgeordneten ab. Dies würde sämtliche Ansätze des Kommissionsvorschlags zunichte machen, Agrokraftstoffe in Europa zurückzudrängen. Die Abgeordneten geben dabei meist vor, nur „nachhaltige“ Agrokraftstoffe fördern zu wollen, obwohl Studien gezeigt haben, dass nahezu alle Agrokraftstoffe keinen nennenswerten Beitrag für den Klimaschutz leisten, wenn man konsequent alle negativen Folgen, wie die Indirekten Landnutzungsänderungen, berücksichtigt. Einige Agrokraftstoffe - insbesondere Biodiesel - sind wahre Klimakiller. Das gilt vor allem für Palmöldiesel, für den Tropenwälder gerodet und Torfmoore abgefackelt werden und der deshalb bis zu drei Mal so klimaschädlich ist wie herkömmlicher Diesel. Jegliche Förderung sollte daher so schnell es geht auslaufen und der Ausstieg aus allen landbasierten Biokraftstoffen bis spätestens 2030 vollzogen sein. Die von der Kommission vorgeschlagene Obergrenze für Kraftstoffe aus Futter- und Lebensmittelpflanzen reicht hier nicht aus – zumal für Sprit aus Energiepflanzen keine Obergrenze gelten soll.

Als hoch bedenklich bewerten die Umwelt-NOGs das Vorhaben der Kommission, die so genannten „modernen Biokraftstoffe“ als Alternative zu den traditionellen (1. Generation) Agrokraftstoffen zu fördern und entsprechende Zielvorgaben dafür zu machen. Diese modernen Biokraftstoffe sollen angeblich nachhaltiger sein und mehr Treibhausgase einsparen. In Wirklichkeit sind die Vorgaben, was alles als „moderner“ Biokraftstoff definiert werden darf, so schwammig formuliert, dass auch hier mehr Schaden als Nutzen zu erwarten ist. Auch dürfen Rohstoffe wie Holz verwendet werden, was als hochproblematisch anzusehen ist. Denn wird dadurch mehr Biomasse gerodet als nachwächst, kann der Wald nicht mehr in dem Umfang als CO2-Speicher fungieren wie bisher. Studien zeigen, dass der deutsche Wald aufgrund der intensiven Nutzung heute bereits weniger CO2 speichert als noch vor wenigen Jahren. Auch könnten vermehrt ökologisch hoch bedenkliche Forstplantagen für die Kraftstoffproduktion angelegt werden.

In den nächsten Wochen finden in den zuständigen Ausschüssen Abstimmungen über die vorliegenden Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag statt. Die Entscheidungen bilden die Grundlage für den „Standpunkt des Parlaments“, der den Vorschlag der Kommission ändern kann. Dieser geänderte Vorschlag bedarf dann aber der Zustimmung des Europäischen Rates, in dem die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind. Sonst geht das Gesetzespaket zurück ins Parlament zur so genannten zweiten Lesung.

Die Umweltverbände bemühen sich daher gerade intensiv, um die EU-ParlamentarierInnen von der Notwendigkeit einer Begrenzung von Agrokraftstoffen zu überzeugen. Auf Ratsebene diskutieren von deutscher Seite derzeit noch die VertreterInnen des SPD-geführten Bundesumweltministeriums und -Wirtschaftsministeriums, die eine Obergrenze und die Aufgabe von Zielvorgaben im Grunde befürworten. Sollten diese Ministerien nun nach der Bildung einer Jamaika-Koalition in die Hände der CDU oder der FDP wandern, droht eine 180-Grad-Wende und damit ein Scheitern der Reformbemühungen, da Deutschland in den Verhandlungen eine wichtige Schlüsselposition einnimmt.