Der Kampf um den Urwald: Bialowieza

Seit in Polen das „Baummassaker-Gesetz“ in Kraft ist, schwindet die Anzahl der Bäume in ganz Polen. Dabei wird auch das UNESCO Weltnaturerbe Bialowieza, der letzte nahezu unberührte Urwald Europas mit beeindruckender Artenvielfalt nicht verschont. 77 % aller polnischen Wälder werden vom Staatsforstbetrieb Lasy Panstwowe bewirtschaftet, so auch ein Großteil des Bialowieza-Waldes. Da die führenden Positionen des Betriebs grundsätzlich von der Regierungspartei besetzt werden, ist es wenig verwunderlich, dass diese Positionen seit der Wahl der rechten PiS-Regierung (Partei für Recht und Gerechtigkeit) nun von nationalkonservativen Vertreter*innen mit wenig Interesse am Umweltschutz besetzt werden. Die derzeitigen Fällungen in Bialowieza werden von der Regierungsseite als notwendige Reaktion auf einen starken Borkenkäferbefall begründet. Das wird jedoch sowohl von Wissenschaftler*innen als auch Umweltschützer*innen vehement kritisiert, da ein weitgehend intakter natürlicher Wald wie Bialowieza durch den Borkenkäferbefall auf begrenzter Fläche die Möglichkeit zur Erneuerung von Biotopstrukturen hat. Beispielsweise ist das entstehende Totholz für den Wald kein Abfall sondern Nahrung und Lebensraum für viele Tiere, wie die acht mitteleuropäischen Spechtarten. Hier geht es offensichtlich um wirtschaftliche Ziele, aber auch um eine ausgeprägte Anti-Naturschutz-Ideologie: So erklärten Unterstützer der Regierungslinie die Ökologie zum „grünen Faschismus“ und unterstellen „Einflüsterungen des Satans“.

Die UNESCO, die Teile des Urwalds schon 1979 zum Weltnaturerbe erklärte, fordert, dass der Holzentnahme sofort ein Ende gesetzt werden muss. Ansonsten könnte der Urwald auf die Unesco-Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt werden. Dies ist die drastischste Mahnung, die die Organisation der Vereinten Nationen zu diesem Zeitpunkt aussprechen kann. Doch die polnische Regierung zeigt keinerlei Einsicht.

Auch auf EU-Ebene passiert nun einiges: Bialowieza gehört seit 2008 zum Natura2000-Gebiet, einem Netz von Flächen zum Schutz gefährdeter Arten. Aufgrund der Fällungen hat die Europäische Kommission nun vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Der Holzschlag verstößt nicht nur gegen das EU-Recht, sondern wird richtigerweise als schwerer, irreversibler Schaden angesehen, sodass auch eine einstweilige Verfügung beantragt wurde. Diese soll die Waldzerstörung stoppen, bis ein endgültiges Urteil gefällt wird. Schon im April hatte die Europäische Kommission, auf den Hilferuf von Umweltschutzorganisationen hin, die polnische Regierung dazu aufgefordert, Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Vorschriften zum Vogelschutz und zum Schutz natürlicher Lebensräume umzusetzen. Da die polnische Regierung hierauf nicht reagiert, geht der Fall nun mit der Klage vor dem EU-Gerichtshof weiter.

Ob und wie die internationalen Bemühungen Erfolg haben wird sich zeigen. Doch auch die Umweltschutzbewegung ist nicht tatenlos. Auf die Initiative von polnischen Aktivist*innen hat sich ein internationales Protestcamp gegründet, für das auch weiterhin Unterstützung gesucht wird. Schon mit 10 Blockaden konnten die Baumfällarbeiten zeitweilig gestört oder verlangsamt werden. Doch der Druck von staatlicher Seite wächst: Immer mehr Polizei und Wachleute kommen in den Wald und der Tonfall gegenüber den Aktivist*innen wird zunehmend aggressiver. Dennoch will das Camp weitermachen, bis die Fällungen gestoppt sind. Der Schutz des letzten Tiefland-Urwaldes in Europa, der Schutz des Lebensraumes von Wisent, Bär und Wolf, braucht unsere Unterstützung! Save Bialowieza!     

+++Eilmeldung+++
28.07.2017, 13:30 Uhr: Der Europäische Gerichtshof hat nach Berichten von ClientEarth entschieden, dass die Fällarbeiten in Bialowieza bis zu jeder weiteren Entscheidung sofort gestoppt werden müssen. Die polnische Regierung ist nun verpflichtet diese Verfügung umzusetzen. Ob sie dies allerdings tun wird ist noch offen.

agresja-strazy-lesnej-2.jpg

Sitzblockaden zur Rettung des Bialowieza Waldes Foto ▸ Małgosia Klemens