Ampel-Koalition: Wir fordern grünes Licht für Züge statt Flüge!

Carla Reemtsma

Links auf dem Bild ist FFF-Aktivistin Carla Reemtsm vor dem Flughafen Berlin-Brandenburg zu sehen. Rechts ist ROBIN WOOD-Flugverkehrsreferent Jonas Asal zu sehen, im Hintergrund ist das Bundestagsgebäude.
Gemeinsam mit Attac und der Fridays for Future-Aktivistin Carla Reemtsma haben wir über 70 000 Unterschriften gesammelt, um das Aus für Kurzstreckenflüge zu fordern.

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Das Bild zeigt Bahnschienen und Oberleitungen vor dem Abendhimmel, der vom Sonnenuntergang rot angestrahlt wird. Auf dem Bild ist das Kampagnenlogo und der Slogan "Züge statt Flüge" in weißer Schrift zu sehen.
Gemeinsam mit Attac und der Fridays for Future-Aktivistin Carla Reemtsma fordern wir mit unserer Petition das Aus für Kurzstreckenflüge: change.org/zügestattflüge

In dieser Woche sind die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP in die entscheidende Endphase gegangen. Bislang sind so gut wie keine Zwischenergebnisse nach außen gedrungen. Doch es steht zu befürchten, dass die Mobilitätswende buchstäblich an der Ampel zum Stehen kommt. Mit unserer Kampagne "Züge statt Flüge" fordern wir als ROBIN WOOD gemeinsam mit 17 anderen Organisationen die sofortige Abschaffung von Kurzstreckenflügen und den Ausbau des Bahnverkehrs. Diese Maßnahmen sind ein wichtiger Baustein für eines der wichtigsten Projekte der Zukunft: eine ökologische und soziale Mobilitätswende. Wir wollen so schnell wie möglich durchsetzen, dass alle Menschen - unabhängig ihrer finanziellen Ressourcen und individuellen Voraussetzungen - Zugang zu guter und klimaschonender Mobilität haben. Die Mobilitätswende ist kein bloßer Wunschtraum, sie ist angesichts der anhaltend hohen Emissionen des Verkehrssektors dringend notwendig. Im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stand dabei bislang vor allem der Autoverkehr. Es ist bitter, dass schon das Sondierungspapier ein mehr als enttäuschendes Signal sendet: auf ein längst überfälliges, einfach umzusetzendes und für den Klimaschutz dringend notwendiges Tempolimit kann sich die neue Regierung nicht einigen. Doch wie sieht es bei der Aufgabe aus, den klimaschädlichen Luftverkehr zu regulieren und den Schienenverkehr sozial und ökologisch auszubauen?

Zum Thema Luftverkehr ist bisher überhaupt nichts von den verhandelnden Parteien zu vernehmen, obwohl in diesem Sektor besonders dringender Handlungsbedarf für mehr Klimaschutz besteht. Denn in den letzten Jahrzehnten war der Luftverkehr mit einem Emissionsanstieg von 29% zwischen 2009 und 2019 die am schnellsten wachsende Quelle von Treibhausgasemissionen in der EU. Auch die langfristigen Prognosen für die Emissionen der Flugindustrie sehen bedrohlich aus. Es ist also höchste Eisenbahn, die politischen Weichen für Züge statt Flüge zu stellen. Der Ausbau des Schienenverkehrs wird von der Ampel-Koalition mehr in den Fokus genommen: Die Grünen sprechen von einer „Neuen Bahnstrategie“, wollen die Nutzung der Bahn attraktiver machen und den Anteil der Schiene am Güterverkehr deutlich erhöhen. Gleichzeitig gibt es auch großen Anlass zur Besorgnis, denn aus den Verhandlungen ist bekannt geworden, dass die FDP und Teile der Grünen die sogenannte Trennung von Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn fordern, was die ohnehin seit Jahren fortschreitende Tendenz zur Zersplitterung und Privatisierung der Bahn noch weiter anheizt. Eine solche Trennung würde bedeuten, dass der Staat für die kostenintensive Instandhaltung flächendeckender Schienennetze aufkommt, während private Anbieter und die staatseigene Deutsche Bahn in einen Wettbewerb um den Betrieb der Bahnleistungen treten. Bei solchen Ausschreibungswettbewerben gewinnt häufig das niedrigste, nicht zwangsläufig das qualitativ beste Angebot. Im Nah- und Regionalverkehr ist diese Praxis heute schon gängig - und führt immer wieder zu Verspätungen, Ausfällen, nicht gesicherten Anschlüssen, schwer durchsetzbaren Fahrgastrechten aber auch zum Einsatz völlig veralteter Züge, die eine Beförderung von z.B. älteren oder mobilitätseingeschränkten Fahrgästen zusätzlich erschweren oder gar verunmöglichen. Statt einer weiteren Aufteilung, Privatisierung und Konkurrenz im Bahnverkehr brauchen wir also das genaue Gegenteil: eine gemeinwohlorientierte und integrierte Bahn in öffentlicher Hand mit vernetzten Fahrplänen, dichten und aufeinander abgestimmten Takten, europaweiten Zugverbindungen, Investitionen in das Schienennetz, weniger Barrieren und guten Arbeitsbedingungen. Nur wenn sich die neue Regierungskoalition darauf einigen kann, können mehr Flüge auf Züge verlagert und die Klimaziele im Verkehrssektor umgesetzt werden. Die SPD lehnt eine Aufspaltung der Bahn und eine Herauslösung des Schienennetzes bisher strikt ab. In ihrem Zukunftsprogramm nennt die SPD die Bahn einen „Garant verlässlicher Mobilität“, der als integrierter Konzern in öffentlichem Eigentum erhalten bleiben soll, und setzt sich zum Ziel, dass Bahnfahren innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen sein soll. Doch wir brauchen Taten statt Worte, denn obwohl die SPD bereits in den letzten acht Jahren an der Regierung beteiligt war, hat sie dafür deutlich zu wenig getan. 

Bereits 2019 hatte der DB-Konzern seine Dachstrategie „Starke Schiene“ vorgestellt. Deren erklärtes Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 die Fahrgastzahlen im Bahnverkehr zu verdoppeln, den Marktanteil der Schiene im Güterverkehr auf 25% zu steigern und durch diese Verkehrsverlagerung jährlich 10,5 Mio. Tonnen CO2-Emissionen einzusparen. Doch die Realität sieht aktuell noch anders aus: Der Anteil der Schiene am Personennah- und Fernverkehr ist in Deutschland mit 10,3% nach wie vor erschreckend niedrig. Beim Güterverkehr sieht es mit einem Anteil von 18,9% zwar etwas besser aus, doch der Lkw-Verkehr nimmt deutlich stärker zu. EU-weit macht der Bahnverkehr laut einer kürzlich veröffentlichten Greenpeace-Studie sogar weniger als 7% des gesamten Personenverkehrs aus. Mit seiner zentralen Lage in Mitteleuropa kommt Deutschland bei der gesamteuropäischen Mobilitätswende eine besondere Rolle zu: Deutschland ist Transitland für viele grenzüberschreitende Verkehre, und rund ein Drittel der 150 meistgenutzten Flugstrecken innerhalb der EU starten oder enden in Deutschland. Nur wenn Engpässe im deutschen Schienennetz beseitigt werden, kann der Langstrecken-Lkw-Verkehr zwischen West- und Osteuropa und der innereuropäische Luftverkehr vermehrt auf die Schiene verlagert werden. Daher muss es auch Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, sich für den Ausbau und eine stärkere Vernetzung des europäischen Schienennetzes einzusetzen. Es braucht eine europäische Bahnstrategie, grenzüberschreitenden Verkehr und vor allem Nachtzüge. Mehr Kooperation statt Konkurrenz ist dabei auch auf europäischer Ebene der Schlüssel zum Erfolg, denn grenzüberschreitender Bahnverkehr funktioniert am besten als möglichst gut aufeinander abgestimmtes Netzwerk mit vereinheitlichten Buchungssystemen. Nur dann können auch innereuropäische Flüge mit einer Distanz von 1000 bis 1500 km effektiv auf die Schiene verlagert werden.

Ein Ausbau des Schienennetzes, der Deutschlandtakt und eine europäische Bahnstrategie bringen allerdings wenig für eine Verkehrsverlagerung, wie sie Grüne und SPD fordern, wenn Bahnfahren immer teurer wird. In wenigen Tagen werden die Preise der Deutschen Bahn im Fernverkehr erhöht. Als Grund nennt die Bahn Einbußen durch die Corona-Pandemie. Dabei wird wieder einmal deutlich, dass im Verkehr ungleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen: Denn während die Flugbranche während der Pandemie vom deutschen Staat mit Darlehen, Anleihen und direkten Subventionen unterstützt wurde, blieb eine solche Unterstützung für den Bahnverkehr aus. Und während die Lufthansa nun wieder fette Dividenden an ihre Anteilseigner*innen ausschüttet, sollen die Fahrgäste der Bahn aus eigener Tasche für deren Ausfälle während der Pandemie aufkommen. Das ist nicht nur hochgradig ungerecht, sondern setzt auch ein völlig falsches Signal. Denn die Mobilitätswende kann nur vorankommen, wenn Bahnverkehr zugänglicher und erschwinglicher für alle wird. Nur so können die Fahrgastzahlen wie geplant verdoppelt werden. Doch der Flugverkehr wird weiterhin künstlich verbilligt, indem der deutsche Staat auf Kerosin keine Energiesteuer und auf internationale Flüge keine Mehrwertsteuer erhebt.

Es bleibt daher die dringende Aufgabe der Ampel-Koalition, diese Wettbewerbsverzerrung durch direkte und indirekte klimaschädliche Subventionen zu beenden. Auch die Klimabewegung, allen voran Fridays For Future, fordert von der Ampel-Koalition ein schnelles Ende von klimaschädlichen Subventionen, die den Staat derzeit jährlich ca. 50 Milliarden Euro kosten. Angesichts des großen Streitthemas Haushalt und Finanzierung bei den Ampel-Verhandlungen, das vor allem von der FDP immer wieder ins Feld geführt wird, während sie anderswo häufig gegen staatliche Eingriffe in den „freien“ Markt wettert, wäre ein Ende von Subventionen, die fossile Industrien künstlich am Leben halten und Wettbewerbsbedingungen zugunsten klimaschädlicher Mobilität verzerren, nicht nur gerecht, sondern auch logisch konsequent. Die neue Bundesregierung muss daher die vielfältigen, indirekten und versteckten Subventionen des Luftverkehrs endlich beenden! Gleichzeitig ist ein Verbot von besonders unnötigen und klimaschädlichen Ultrakurzstreckenflügen eine längst überfällige klimapolitische Sofortmaßnahme. Wir fordern grünes Licht für Züge statt Flüge!