Protest bei Automesse: Kein Tropenwald in Autoreifen!

DSC_5865.JPG

Zwei Aktivist*innen halten Banner "Kein Tropenwald in Autoreifen
ROBIN WOOD-Aktive zeigen die dreckige Seite der Reifenindustrie / In den Messenhallen in Hannover präsentiert sich zurzeit die Branche bei der IAA Nutzfahrzeuge
Foto ▸ ROBIN WOOD

signal-2022-09-20-115934_007.jpeg

Aktivist*innen halten Banner,davor Qualm und Autoreifen
ROBIN WOOD fordert die Reifenhersteller auf, für Lieferketten ohne Tropenwaldzerstörung, Landraub und Menschenrechtsverletzungen zu sorgen und ein entsprechendes Lieferkettengesetz in der EU mit voranzubringen.
Foto ▸ ROBIN WOOD

151-kautschuk-einl.png

Die Reifenindustrie verbraucht etwa 70 Prozent des global produzierten Naturkautschuks. Die Ausweitung der Kautschukproduktion in den vergangenen zwei Jahrzehnten – angeheizt durch den stark gestiegenen Straßenverkehr – führt in den Ländern des globalen Südens zu Landraub und zur Zerstörung von Regenwäldern.
Foto ▸ Mighty Earth, 2020

Anlässlich der heute beginnenden Nutzfahrzeugmesse „IAA Transportation“ in Hannover protestieren ROBIN WOOD-Aktivist*innen gegen Entwaldung in den Tropen für die Reifenindustrie. Vor dem Eingang West des Messegeländes in Hannover entrollten sie am Mittag ein Banner mit der Forderung „Kein Tropenwald in Autoreifen!“ und zeigten mit Bergen von Altreifen und viel Qualm die dreckige Seite der Reifenindustrie.

Wie intransparent die Branche bisher arbeitet, belegt ein Marktcheck, den ROBIN WOOD zur diesjährigen IAA vornahm. Von den fünf Reifenherstellern, die dort ausstellen, machte keiner genaue Angaben zur Herkunft des von ihnen verarbeiteten Kautschuks. ROBIN WOOD fordert die Reifenhersteller auf, für Lieferketten ohne Tropenwaldzerstörung, Landraub und Menschenrechtsverletzungen zu sorgen und ein entsprechendes Lieferkettengesetz in der EU mit voranzubringen.

Die Reifenindustrie verbraucht etwa 70 Prozent des global produzierten Naturkautschuks. Kautschuk-Plantagen bedecken mehr als 12 Millionen Hektar der Erde – eine Fläche vier mal so groß wie Belgien. Die rasche Expansion der Kautschukproduktion in den vergangenen zwei Jahrzehnten – angeheizt durch den stark gestiegenen Straßenverkehr – hatte verheerende Auswirkungen auf Millionen Hektar Tropenwald und die Artenvielfalt in Ländern des globalen Südens. Zwischen 2003 und 2017 wurden allein in Südostasien und in Subsahara-Afrika über fünf Millionen Hektar Tropenwald für Kautschuk-Plantagen gerodet, wie eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigt. Die Waldzerstörung geht einher mit zahlreichen Landnutzungskonflikten und Menschenrechtsverletzungen. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, werden bis 2030 weitere drei Millionen Hektar Land in Kautschuk-Monokulturen umgewandelt.

ROBIN WOOD hat für einen Marktcheck Ende August dieses Jahres den fünf marktrelevanten Reifenherstellern – Bridgestone, Continental, Goodyear, Hämmerling und Michelin – Fragen zu ihrer Kautschuk-Lieferkette geschickt. Dabei interessierte die Umweltschützer*innen insbesondere, ob und wie die Hersteller sicherstellen, dass der von ihnen verarbeitete Kautschuk ohne Entwaldungen und Menschenrechtsverletzungen angebaut wird. Außerdem fragten sie nach Anstrengungen zur Reduktion von Kautschuk und zur Runderneuerung von Reifen. Das Ergebnis: Nur Continental und Goodyear haben überhaupt geantwortet, auch sie konnten Entwaldung und Menschenrechtsverletzungen jedoch nicht nachvollziehbar ausschließen. Bezüglich der Runderneuerung von Reifen zeigen sie lediglich geringe Anstrengungen. Dabei braucht es für die Runderneuerung eines Reifens 70 Prozent weniger Kautschuk als für deren Neuproduktion. Die drei anderen Hersteller blieben Antworten komplett schuldig.

„Unser Marktcheck zeigt, dass die Reifenindustrie ihrer Verantwortung für sozial und ökologisch nachhaltige Lieferketten nicht im Ansatz nachkommt. Die Industrie macht sich offenbar mehr Sorgen um Wettbewerbsnachteile als um Klima, Artenschutz und Menschenrechte“, sagt ROBIN WOOD-Tropenwaldreferentin Fenna Otten. „Wir brauchen ein starkes Lieferkettengesetz. Die Zeit von leeren Versprechungen und unkontrollierten Selbstverpflichtungen ist vorbei. Das müssen auch die Hersteller von Reifen erkennen. Sie sollten jetzt nicht auf der Bremse stehen, sondern gesetzliche Vorgaben für eine sozial und umweltverträgliche Lieferketten proaktiv einfordern und umsetzen.“

Die EU arbeitet zurzeit daran, die Entwaldung in den Tropen für die Produktion von Konsumgütern der EU durch ein Lieferkettengesetz zu stoppen. In der vergangenen Woche hatte das EU-Parlament dafür gestimmt, dass Kautschuk mit unter das Lieferketten-Gesetz fallen soll. Nun geht der Entwurf in den Trilog zwischen EU-Kommission, dem Parlament und Rat, bis Jahresende soll eine Entscheidung fallen.

Notwendig ist über das Lieferkettengesetz hinaus eine umfassende Mobilitätswende.

„Das autozentrierte Verkehrssystem hinterlässt viele Schäden, wobei die Reifen-Problematik bisher noch zu wenig Beachtung findet. Zusätzlich zur Entwaldung durch die Kautschukproduktion führen die Nutzung und die Beseitigung von Reifen zu hohen Feinstaub- und CO2-Emissionen“, ergänzt ROBIN WOOD-Mobilitätsreferentin Dominique Just. „All diese Probleme könnten wir auf einmal angehen, wenn wir eine grundlegende Mobilitätswende vorantreiben. Das bedeutet: Weniger Autoverkehr und mehr Güter von der Straße auf die Schiene!"

Kontakte:

  • Fenna Otten, ROBIN WOOD-Tropenwaldreferentin, 0160 344 12 08, tropenwald [at] robinwood.de
  • Dominique Just, Mobilitätsreferentin, 0151 618 139 42, verkehr [at] robinwood.de
  • Ute Bertrand, Pressesprecherin, 0171 835 95 15, presse [at] robinwood.de