„Nachhaltiges Palmöl“: Auf dem Weg zu 100 Prozent Scheinheiligkeit?

ROBIN WOOD widerspricht der Darstellung des "Forums Nachhaltiges Palmöl" (FONAP), dass 72 Prozent des im Jahre 2015 in Deutschland verwendeten Palmöls nachhaltig seien. Auch für zertifiziertes Palmöl werden Tropenwälder zerstört und Menschenrechte verletzt. Das Forum veröffentlichte gestern eine neue Studie mit dem Titel „Der Palmölmarkt in Deutschland im Jahr 2015“. FONAP ist ein Lobbyverein, in dem kleine, mittlere und multinationale Firmen aus verschiedenen palmölverarbeitenden Sektoren zusammenarbeiten.

„Die aktuelle Studie des 'Forums Nachhaltiges Palmöl' bezeichnet Palmöl, das nach RSPO- oder ISCC-Standard zertifiziert ist, als nachhaltig. Das halten wir für Greenwashing. Die Zertifizierung dient als bloßes Marketing-Instrument im Palmölmarkt“, kritisiert ROBIN WOOD-Tropenwaldreferent Sven Selbert.

Die beiden Zertifizierungssysteme RSPO (Roundtable on Sustainable Palm Oil) und ISCC (International Sustainability & Carbon Certification) haben viele und jahrelang dokumentierte Fehler: Die sogenannten Nachhaltigkeits-Kriterien sind viel zu lasch und werden dennoch oftmals nicht eingehalten. Verstöße werden fast nie geahndet. Da eine Rückverfolgbarkeit des Palmöls bis auf die Anbaufläche nicht gegeben ist, sind die Systeme sehr anfällig für Fälschungen und den Zustrom von illegalem Palmöl. Zudem sind Unternehmen nicht gezwungen, ihre gesamte Produktion gemäß den Kriterien umzustellen.

ROBIN WOOD weist darauf hin, dass es mithilfe der Zertifizierungsinstrumente nicht gelungen ist, die Regenwaldzerstörung zu stoppen. So gibt es den RSPO seit 12 Jahren, RSPO-zertifiziertes Palmöl hat mittlerweile einen Weltmarktanteil von ca. 20 Prozent. Die Tropenwaldvernichtung in Südostasien ging dennoch im gleichen Zeitraum ungebremst weiter. Beispiele ökologischer Verbrechen und Vergehen gegen Menschen- und Arbeitsrechte von RSPO-Mitgliedern füllen mittlerweile ganze Bände.

Als Alternative zu unwirksamen Siegeln fordert ROBIN WOOD eine radikale Reduzierung des Palmölverbrauchs in der EU. Eine Halbierung des Verbrauchs ließe sich allein durch eine gesetzliche Neuordnung der Agrokraftstoffpolitik erreichen. Noch immer wird die Verwendung von Palmöl als Kraftstoff im Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU-RED) paradoxerweise als klimafreundlich gefördert. Die Praxis der Subventionierung von landbasierten Kraftstoffen, vor allem von Pflanzenölen, gehört sofort gestoppt.

„Eine Zertifizierung nach RSPO und ISCC ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Schwache Siegel helfen dem Tropenwald nicht, sondern erlauben den Unternehmen hierzulande, Verantwortung auf den Endkonsumenten und zurück in die Herkunftsländer des Palmöls abzuschieben. Das ist eine fatale Entwicklung“, sagt Selbert.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, dessen Ministerium den Trägerverein des FONAP finanziell unterstützt, schreibt sich das 100 Prozent-Ziel für zertifiziertes Palmöl auf die Fahnen. „Statt sich für den Erhalt der letzten Tropenwälder einzusetzen“, so Selbert, „propagiert Landwirtschaftsminister Schmidt unwirksame Siegel. Er steuert damit nicht auf 100 Prozent Nachhaltigkeit zu, sondern auf 100% Scheinheiligkeit.“

Kontakt:
Sven Selbert, Tropenwaldreferent, Tel. 0170 / 47 20 498,
tropenwald(at)robinwood.de

Ute Bertrand, Pressesprecherin, Tel. 040 / 380 892 22,
presse(at)robinwood.de

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"Grüne Wüste" - Palmölplantagen in Indonesien
Foto ▸ H. Schultze