Klimagipfeld der Staats- und Regierungschefs - Wälder müssen geschützt werden, nicht für Energie verheizt werden
20. April 2021
An: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
In Kopie an: Joe Biden, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
Mette Frederiksen, Premierministerin von Dänemark
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates
Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich
Angela Merkel, Bundeskanzlerin von Deutschland
Mario Draghi, Ministerpräsident von Italien
Andrzej Duda, Präsident von Polen
Pedro Sánchez, Ministerpräsident von Spanien
Sehr geehrte Frau Präsidentin von der Leyen,
wir, die Unterzeichnenden dieses Briefes aus der gesamten Europäischen Union, begrüßen den Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur Klimainitiative von US-Präsident Biden (22. und 23. April), an dem Sie zusammen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates und den Premierminister*innen und Präsident*innen mehrerer EU-Mitgliedstaaten teilnehmen werden.
Die EU hat in den letzten Jahren Fortschritte bei der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens gemacht. Mit diesem Gipfel hat die EU die einmalige Gelegenheit, andere Länder zu ermutigen, ihre Maßnahmen gegen den Klimawandel ebenfalls zu verstärken. Der Klimagipfel kann auch ein wichtiger Schritt sein, um gemeinsame Maßnahmen zu identifizieren und zu vereinbaren.
Während es jedoch unerlässlich ist, von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen, befindet sich die EU in Bezug auf die Rolle der Bioenergie und die Zukunft der Wälder auf einem gefährlichen Weg. Wir sind zutiefst besorgt darüber, dass die Europäische Kommission in ihrer Erneuerbare-Energien-Richtlinie (REDII) die Verbrennung von Waldbiomasse immer noch als "erneuerbare" Energie einstuft.
Wie das Joint Research Centre der Europäischen Kommission gewarnt hat, ist die Verbrennung von Waldbiomasse nicht kohlenstoffneutral, da sie unmittelbar Kohlenstoff freisetzt, während Wälder Jahrzehnte bis Jahrhunderte brauchen, um nachzuwachsen und die Emissionen auszugleichen. Um die Treibhausgasemissionen in Übereinstimmung mit dem Pariser Abkommen zu reduzieren, ist es unerlässlich, dass wir Emissionen drastisch reduzieren und gleichzeitig die Aufnahme von Kohlenstoff im Landsektor, insbesondere in unseren Wäldern, massiv erhöhen. Das Abholzen und Verbrennen von Waldbiomasse erzeugt zusätzliches CO2, anstatt es zu reduzieren, und schädigt die stark degradierten Wälder der EU noch weiter, minimiert die Kohlenstoffvorräte der Wälder und schädigt die Ökosysteme, was den Zielen der EU-Biodiversitätsstrategie widerspricht.
Die Auswirkungen der EU-RED sind auch in Übersee sichtbar, da sogar dort alte Wälder abgeholzt und zu Pellets verarbeitet werden, die in europäischen Kraftwerken verbrannt werden. Hinzu kommt, dass die Holzverbrennung eine der Hauptquellen für die Luftverschmutzung ist, die jedes Jahr Hunderttausende von EU-Bürger*innen tötet.[1] Widersinnigerweise stellen die Mitgliedsstaaten jedes Jahr Milliarden Euro an Subventionen bereit, um die Umwandlung von Wäldern in Brennstoffe zu unterstützen.
Der JRC-Bericht [2] vom Januar 2021 kam zu dem Schluss, dass nur eines der 24 Szenarien der Nutzung von Waldbiomasse, die sie ausgewertet haben, ein relativ geringes Risiko für die biologische Vielfalt und das Klima darstellt, und dieses Szenario würde bedeuten, dass die Emissionen höher sein könnten als bei fossilen Brennstoffen, und das über zwanzig Jahre hinweg. Eine Reihe anderer wissenschaftlicher Befunde kommt zu demselben Schluss: Die Verbrennung von Waldbiomasse erhöht die Emissionen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen, während die intensive Abholzung für Holzpellets und Hackschnitzel die Wälder ihrer Artenvielfalt beraubt, die die EU schützen möchte. Wir fordern Sie daher auf, die EU-Politik für erneuerbare Energien zu reformieren, indem Waldbiomasse von der Anrechnung auf das EU-Ziel für erneuerbare Energien ausgenommen wird [3] und damit eine Hauptursache für Waldzerstörung entfällt.[4] Diese einfache Maßnahme würde den Waldökosystemen in der gesamten EU und in Nordamerika sowie anderen zuliefernden Nationalstaaten von Biomasse wie Russland und der Ukraine zugute kommen und würde dazu beitragen, dass die Klimabestrebungen der EU auf dem Papier mehr mit dem übereinstimmen, was die Atmosphäre tatsächlich erfährt.
Die billigste und effektivste Lösung für das Klima ist es, die Wälder älter werden zu lassen und die Abholzung weitgehend zu reduzieren. Naturwälder, die altern dürfen, wirken wie eine Kohlenstoffbank, während die Verbrennung von Waldbiomasse zur Energiegewinnung die Wälder effektiv in die "neuen Kohle" verwandelt.
Wir unterstützen voll und ganz das "Do No Harm"-Prinzip, das im europäischen Green Deal verankert ist. Die Verbrennung von Waldbiomasse ist mit diesem Prinzip unvereinbar und bedeutet das Zufügen eines Schadens [engl.: to do harm] – für die biologische Vielfalt der Wälder, für die menschliche Gesundheit und für das Klima. Es ist an der Zeit, EU-Verpflichtungen und Ziele in Bezug auf Biodiversität und Klima zusammenzubinden. Wir bitten Sie eindringlich, die Gelegenheit dieses Gipfels zu nutzen, um die Nutzung von Waldbiomasse als Energieträger in der EU zu beenden und andere Staats- und Regierungschefs zu ermutigen, das Gleiche zu tun.
Mit freundlichen Grüßen,
Jana Ballenthien, Waldreferentin, ROBIN WOOD, Deutschland
Lina Burnelius, Projektleiterin und internationale Koordinatorin, Protect the Forest, Schweden
Luke Chamberlain, Direktor für EU-Politik, Partnership for Policy Integrity, Österreich
Anton Foley, Fridays For Future Schweden, Schweden
Åsa Larsson Blind, Vorsitzende, Sámiid Riikkasearvi, Schweden
Bruno Doucet, Leiter der französischen Waldkampagne, Canopée Forêts Vivantes, Frankreich
Radosław Ślusarczyk, Verein Workshop for All Beings, Polen
Fenna Swart, Vorsitzende, Comité Schone Lucht, Niederlande
Johan Vollenbroek, Vorsitzender, Mobilisation for the Environment, Niederlande
Maarten Visschers, Vorstandsmitglied, Leefmilieu, Niederlande
Piotr Tyszko-Chmielowiec, Projektleiter, Stiftung für nachhaltige Entwicklung (Fundacja EkoRozwoju), Polen
Martin Pigeon, Wissenschaftler & Kampainer, Corporate Europe Observatory, Belgien & Niederlande
Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer, EuroNatur Stiftung, Deutschland
Zoe Lujic, Geschäftsführerin, Earth Thrive, UK/Serbien
Francisco Ferreira, Vorstandsvorsitzender, ZERO - Association for the Sustainability of the Earth System, Portugal
Toby Aykroyd, Koordinator, Wild Europe, Belgien
Marzena Błaszczyk, Emilia Mielewczyk, Łukasz Sołtys - Vorstandsmitglieder - Modrzew Association - Civic Monitoring of Trees (Stowarzyszenie MODrzew - Monitoring Obywatelski Drzew), Polen
Bente Hessellund Andersen, Mads Kjærgaard Lange, Tobias Jespersen, Kampagne gegen Bioenergie, NOAH-Friends of the Earth Dänemark
Marloes Spaander, Mitbegründerin, Föderation gegen Biomassekraftwerke, Niederlande
Jeroen Spaander, Vorstandsmitglied, EDSP ECO, Niederlande
Hannah Mowat, Kampagnen-Koordinatorin, Fern
Régis Lindeperg, Koordinator, SOS Forêt Frankreich
Evelyn Schönheit, Umweltwissenschaftlerin, Forum Ökologie & Papier, Deutschland
Juraj Lukáč, Leiter, WOLF Waldschutz-Bewegung, Slowakei
Annika Lund Gade, Politikberaterin, Rådet for Grøn Omstilling/Green Transition Denmark, Dänemark
Thomas Meinert Larsen, politischer Berater, Klimabevægelsen / 350 Dänemark
Ronald Schout, Vorstandsmitglied, Arnhems Peil Stiftung, Niederlande
Piotr Rymarowicz, Präsident, Towarzystwo na rzecz Ziemi, Polen
Marjan Houpt, Vorstandsmitglied, Bomenstichting Achterhoek, Niederlande
Joke Volkers, Initiatorin Landelijk Netwerk Bossen- en Bomenbescherming, Niederlande.
Mieke Vodegel-Versteeg, Vorstandsmitglied, Stichting De Woudreus, Niederlande
Gabriel Păun, Präsident, Agent Green Association, Rumänien
Andreea Leonte, Präsidentin, MăEduc.ro Association, Rumänien
Jadwiga Kopeć, Koordinatorin, Polnischer Ökologischer Club Pommersche Region, Polen
Zdzisław S.Nitak, Präsident, Stiftung Global Action Plan Polska, Polen
Małgorzata Grabowska-Snarska, Präsidentin, Stowarzyszenie Okolica, Polen
Dawid Kaźmierczak, Vorstandsvorsitzender, Fundacja Dzika Polska, Polen
Liina Steinberg, Mitglied des Vorstands, Save Estonia`s Forests, Estland
Žymantas Morkvėnas, Baltisches Umweltforum, Litauen
Augustyn Mikos, Inicjatywa Dzikie Karpaty, Polen
Max A. E. Rossberg, Vorsitzender, European Wilderness Society, Österreich
Anca Elena Chirilă Gheorghică, Dr., Asociația Mai bine, Rumänien
Torsten Welle, Dr., Leiter Wissenschaft und Forschung, Naturwaldakademie, Deutschland
Daniela Mitrofan, Präsidentin Asociația Platforma Reset, Rumänien
Zoltan Kun, Sekretär des Vereins, Freunde des Fertő-Sees, Ungarn
Elena Rastei, Vizepräsidentin, Zero Waste Romania, Rumänien
Tobias Wohlleben, Geschäftsführer, Wohllebens Waldakademie, Deutschland
Leo Rudberg, Vorsitzender, Natur und Jugend Schweden, Schweden
Pia Björstrand, Sprecherin, Klimataktion, Schweden
Robin Zachari, Geschäftsführender Direktor, Skiftet, Schweden
Robin Holmberg, Vorsitzender, PUSH Schweden, Schweden.
Björn Abelsson, Vorsitzender, Swedish Society for Nature Conservation (SSNC) Västernorrland, Schweden
Jonas Bane, Vorsitzender von The Climate Parliament, Schweden
Kajsa Falk, Nätverket Stoppa Preemraff, Schweden
Alex Brekke, Generalsekretär, Amazon Watch Schweden, Schweden
Martin Westberg, Präsident, Schwedische Flechtengesellschaft, Schweden
Mikael Sundström, Vorsitzender, Friends of the Earth Schweden, Schweden
Radosław Sawicki, Stowarzyszenie Ekologiczno-Kulturalne "Wspólna ZIemia", Polen
Almuth Ernsting, Biofuelwatch, UK/USA
Piotr Skubisz, Instytut Spraw Obywatelskich INSPRO, Polen
Kuba Gogolewski, Vorstandsmitglied, Fundacja Rozwój TAK - Odkrywki NIE, Polen
Erdstreik/Strajk dla Ziemi - Łódź, Polen
Daria Schmidt, Stiftung Szkatułka, Warschau, Polen
Leif Miller, Geschäftsführer, NABU, Deutschland
Krzysztof Cibor, Leiter der Biodiversitätskampagnen, Greenpeace Polen, Polen
Brian Rohan, Leiter des Bereichs Klima und Wälder, ClientEarth, UK/International
Martin Luiga, Internationaler Koordinator, Waldhilfe, Estland
Jan Pieter Janse, Ritter der Bäume/ Bomenridders Groningen, Niederlande
Gry Bossen, Politischer Koordinator, Forests of the World, Dänemark
[1] Carvalho, H. 2019. Air pollution-related deaths in Europe - time for action. Journal of Global Health 9(2):020308.
[2] Camia, A., et al. 2021. The use of woody biomass for energy production in the EU, EUR 30548 EN. Eine Version, die die Hauptergebnisse zusammenfasst; eine weitere Zusammenfassung des Berichts aus zivilgesellschaftlicher Perspektive
[3] Sekundäre Holzbiomasse, die aus Rückständen der Holzproduktherstellung und "post-consumer" Holz gewonnen wird, kann weiterhin für erneuerbare Energie genutzt werden, sollte aber auf Biomasse beschränkt werden, die nicht in materielle Produkte recycelt werden kann. Dies ist mit der Empfehlung in der Biodiversitätsstrategie vereinbar.
[4] Die JRC-Studie vom Januar 2021 kam zu dem Schluss, dass von der gesamten primären Biomasse, die zur Energiegewinnung verbrannt wird, schätzungsweise 53 % "Stammholz" und 47 % Äste und Wipfel sind. Etwa 14 % des energetisch genutzten Holzes sind unbekannter Herkunft, höchstwahrscheinlich direkt aus Wäldern und möglicherweise aus illegalem Holzeinschlag stammend.