Zementindustrie zerstört Kendeng-Gebirge

Wir befinden uns im Norden der indonesischen Insel Java: Hinter Feldern voller Reis, Mais und Gemüsepflanzen ragen von Wäldern gesäumte Felsen auf. Darunter liegen Höhlen, aus denen unterirdische Flüsse zahlreiche Quellen speisen.

Felsen und Höhlen gehören zum Kendeng-Karstgebirge, das sich über sieben Landkreise erstreckt. Karst besteht aus wasserlöslichen Gesteinen – meist Kalkstein, aber auch Gips und Salzstein, die durch Regen und CO2 verwittern. Karste sind keine toten Felsen. Sie sind aktiv wie eine Lunge. Sie nehmen Regenwasser und Kohlendioxid auf, speichern einen Teil und geben einen Teil wieder ab, was wiederum zur weiteren Verkarstung beiträgt. Es bilden sich Höhlen, die den Wasserkreislauf steuern, Quellen hervorbringen und Flüsse speisen. Wissenschaftler*innen betonen die Wichtigkeit von Karsten für Biodiversität und Wasserversorgung für Mensch und Natur und warnen vor Eingriffen in Karstgebirge.

Diese Eingriffe werden am Kendeng-Gebirge durch die Zementindustrie bereits verübt oder sind in Planung, unter anderem von Indo­cement, einer Tochter der deutschen HeidelbergCement AG (HC). Karstgestein birgt Rohstoffe, die für die Zementindustrie lukrativ sind. Eine Zerstörung der Karstlandschaft würde jedoch das Ende der kleinbäuerlichen Landwirtschaft bedeuten und die Lebensgrundlage der Anwohner*innen bedrohen. Zu ihnen gehört die indigene Gruppe der Samin, die seit Jahrhunderten am Kendeng-Gebirge Landwirtschaft auf überwiegend ökologische Weise betreibt.

Netzwerk der Menschen, denen das Kendeng-Gebirge am Herzen liegt

Den Samin, die sich selbst Sedulur Sikep, die freundlich Gesinnten, nennen, sind ihre Traditionen heilig. Dazu gehört die enge Verbundenheit mit ‚Mutter Erde’. So bewahrt die Gemeinschaft z.B. Wissen über traditionelle Pflanzenheilkunde. Die Samin kaufen überwiegend auf traditionellen Märkten ein. Sie schicken ihre Kinder nicht auf staatliche Schulen. Sie gehören keiner der offiziell anerkannten Religionen an. Die Samin-Gemeinschaft ist Teil eines breiten Bündnisses mit dem Namen: Netzwerk der Menschen, denen das Kendeng-Gebirge am Herzen liegt (JM-PPK). Seit über einem Jahrzehnt führte JM-PPK nicht nur zahlreiche Gerichtsprozesse gegen die Zementindustrie. Sie wurde wegen ihrer gewaltfreien und kreativen Protestaktionen für andere soziale Bewegungen Indonesiens Beispiel gebend, bei denen Frauen oft in der ersten Reihe stehen.

Im April 2016 protestierten neun Frauen vom Kendeng-Gebirge, ihre Füße in Zement gegossen, vor dem Präsidentenpalast in Jakarta. Im August 2016 sicherte Präsident Joko Widodo eine umfassende Umweltstudie (KLHS) zu. Deren Ergebnis besagt, dass am Kendeng-Gebirge kein Bergbau betrieben werden, sondern Schritte zum Schutz des fragilen Karst-Ökosystems unternommen werden sollten. Zahlreiche Wissenschaftler*innen haben deshalb an Politik und Unternehmen appelliert. Dennoch treibt die Zementindustrie ihre zerstörerischen Pläne weiter voran.

Der gewaltfreie Widerstand der JM-PPK sorgte für viel Aufmerksamkeit und Solidarität. Seit 2017 wird der Protest vom transnationalen Solidaritätsnetzwerk Save Kendeng nach Deutschland getragen. Gunarti, eine Vertreterin der JM-PPK, ging 2017 auf Deutschlandtour und informierte bei öffentlichen Vorführungen des Films Samin vs Semen (Film mit deutschen UT, https://www.youtube.com/watch?v=EUE9D0wzJ3s) darüber, was für die Menschen vor Ort auf dem Spiel steht. Gunarti sprach auch auf der Aktionärsversammlung von HeidelbergCement und forderte einen Stopp des Projekts, während sich vor dem Versammlungsgebäude fünf Menschen solidarisch zeigten und ihre Füße einzementierten.

Im Mai 2018 setzte Save Kendeng die Proteste in Deutschland fort. Erneut forderte Sobirin, ein indonesischer Aktivist von der Umweltstiftung Desantara, von den Aktionär*innen von HC nicht zuzulassen, dass für ihr Profitstreben die Umwelt zerstört und menschliche Existenzgrundlagen vernichtet werden. Begleitet wurde dieser Appell von einer kraftvollen Parallel­demonstration. Je neun Menschen zementierten sich vor der deutschen Botschaft in Jakarta und vor der Heidelberger Stadthalle die Füße ein. Das Bewusstsein für die Klimafolgen von Zementproduktion wächst ebenso wie die Solidarität mit von Landraub und Umweltzerstörung Betroffenen im Globalen Süden. 2019 und 2020 protestierte Save Kendeng anlässlich der Hauptversammlung von HC in einem breiten Bündnis mit Watch Indonesia!, ROBIN WOOD, der Grünen Jugend, Fridays for Future, Extinction Rebellion, dem Klimakollektiv Heidelberg und Wurzeln im Beton.