"Wir brauchen den Wald zum Leben"

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In Nordschweden werden immer noch alte Wälder von Konzernen wie Sveaskog eingeschlagen. Die Sami hängen mit ihren Rentieren von diesen Wäldern ab. Ihre Rechte werde weiterhin missachtet.
Foto ▸ Rasmus Törnquist

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Nur in alten Wäldern finden die Rentiere im Winter genug zu fressen. Die sind aber oft schon abgeholzt oder vom Holzeinschlag bedroht.
Foto ▸ Rasmus Törnquist

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"Stoppt die Waldzerstörung!" fordern Katarina Sevä und Ronny Nyström aus Muonio Sámi, Nordschweden
Foto ▸ Rasmus Törnquist

„Die Rentiere und wir sind zu 100 Prozent vom Wald abhängig. Was werden wir tun, wenn der Wald weg ist? Wovon werden die Rentiere leben?“, fragt Katharina Sevä, Rentierzüchterin im schwedischen Zuchtgebiet Muonio Sámi.

Das Rentier-Zuchtgebiet Muonio Sámi liegt im nördlichsten Teil Schwedens, in Norbotten, an der Grenze zu Finnland. Schwedens größtes Forstunternehmen, das staatseigene Sveaskog, missachtet hier immer wieder die Rechte der Sámi und holzt in diesen für die Rentierzucht wichtigen Gebieten ungebremst alte Wälder ab.
Die Zerstörung der samischen Weidegründe ist bei weitem kein punktuelles Problem, sondern hat nahezu überall in den alten schwedischen Wäldern System. Dabei ist das schwedische Forstunternehmen Sveaskog die treibenden Kraft der Zerstörung. Alleine im Gebiet Muonio Sámi meldete das Unternehmen aktuell mehr als 100 Abholzungen an, die meisten von ihnen in alten, naturnahe Wäldern. Und viele von ihnen wurden bereits kahlgeschlagen.

In Muonio Sámi fordern die Sami und Greenpeace Schweden, dass Sveaskog sofort alle Abholzungen in dem Gebiet einstellen müsse. Und zwar bis die Konsultationen mit der samischen Gemeinschaft wieder aufgenommen werden. Um ihren Forderungen Nachdruck und Öffentlichkeit zu verschaffen, produzierten sie dazu einen aufrüttelnden Film, https://www.youtube.com/watch?v=oSPejPbSoWk. Mit bewegenden Statements geben die Rentierzüchter*innen Katarina Sevä, Ronny Nyström, Hans Holma und der Forstbiologe Sebastian Kirppu Einblick in ihre schwierige Situation. Es ist deutlich zu sehen, wie eng ökologische mit sozialen und kulturellen Aspekten verwoben sind. Die Zerstörung der Wälder der Sami kommt einer Zerstörung ihrer jahrhundertealten Kultur und ihrer alltäglichen Gegenwart gleich. Der Großteil der zerstörten Wälder landet in der Papierproduktion – und Deutschland ist für diese Branche der Hauptabnehmer.  

Jana Ballenthien, Waldreferentin von ROBIN WOOD, hat die Filmstatements übersetzt:

Katharina Sevä: „Rentierzucht ist nicht nur ein Job, sondern unser Leben - rund um die Uhr, das ganze Jahr, Generation für Generation. Wir sind absolut abhängig vom Wald, der dafür sorgt, dass es mit den Flechten Nahrung für die Rentiere gibt.“

Sebastian Kirppu: „Wir befinden uns jetzt gerade während der Filmaufnahmen in einer natürlichen Kiefernwald-Umgebung. Sie können sehen, wie viele Hängeflechten es hier gibt. Und Sie sehen die vielen unterschiedlichen Stammdurchmesser, die hohen Bäume, die niedrigen Bäume, die vielen Hängeflechten, die großen Altersunterschiede der Bäume in diesem Wald. Dies sind klare Hinweise dafür, dass es sich hier um einen Naturwald handelt. Das sind unglaublich wichtige Lebensräume. Wir wissen, dass diese natürliche Waldumgebung in der Regel viel mehr hängende Flechten, oft viel mehr Bodenflechten und vor allem eine größere biologische Vielfalt aufweist als unsere gepflanzten Holzäcker, auf denen gleichaltrige Kiefern stehen, die von einer Mutterpflanze abstammen.“

Katharina Sevä: „Ich sehe, wie schnell die Abholzung voranschreitet. Es geht Jahr für Jahr immer schneller. Und bald werden wir überhaupt keine Wälder mit hängenden Flechten mehr haben. Wir haben keine älteren Wälder mehr. Das ist fatal. Ich bin sehr beunruhigt. Vor ein paar Jahren gab es noch Konsultationen mit Sveaskog. Leider hat die Firma plötzlich alle Beratungen mit uns eingestellt. Wir haben nie eine offizielle Erklärung bekommen.“

Ronny Nystrom, der auch der ehemalige Verhandlungsführer der Sami ist: „Eines Frühjahrs kam ein Vertreter von Sveaskog zu mir, und teilte mir mit, dass es keine Besprechungen mehr mit uns geben würde - Befehl von oben.“

Katharina Sevä: „Und bis dahin hat Sveaskog die Gebiete, die wir vor dem Abbruch der Konsultationen besprochen hatten, in Ruhe gelassen, weil sie für die Rentiere und die Rentierzucht wichtig sind. Heute haben wir keine Ahnung, was Sveaskog auf unserem Land macht. Wir stoßen einfach auf ihre Abholzungsmarkierungen in den Wäldern, und wir stehen da und denken: Oh Gott, soll das auch abgeholzt werden?“

Hans Holma (Vorsitzender des Rentier-Zuchtgebiets Muonio Sámi): „Sveaskog hat die Wälder sehr stark beansprucht. Und jetzt hat man das Gefühl, dass sie nicht mehr viel herausholen können, denn bald ist alles verschwunden.“

Ronny Nystrom: „Wälder mit hängenden Flechten, alle unsere Frühjahrswaldweidegründe sind im Prinzip schon weg, es gibt nur noch ein paar kleine Streifen. Vielleicht sind irgendwo noch ein paar Randzonen übrig geblieben.“

Katharina Sevä: „In den letzten Jahren hat das Futter im Wald für die Rentiere nicht mehr ausgereicht und wir mussten zufüttern. Das ist gar nicht gut, auf keinen Fall. Aber wenn es im Wald keine Nahrung mehr gibt und immer mehr abgeholzt wird, haben wir keine andere Wahl.“

Hans Holma: „Es wird das Ende der Rentierzucht sein, wenn wir die wenigen verbliebenen hängenden Flechtenwälder verlieren. Alleine auf ihren Winterweiden werden wir die Rentiere nicht mehr halten können.“

Katharina Sevä: „Da das Abholzen durch Sveaskog schon so weit vorangeschritten ist, sind wir vom Mounio Sámi Rentierzuchtgebiet der Meinung, dass die Holzfirma alle geplanten Einschläge stoppen muss. Und zwar so lange, bis unsere gemeinsamen Konsultationen wieder aufgenommen werden.“

Magazinrückblick, Ausgabe 147/4.20: Vor etwa einem Jahr  im Dezember 2020 haben wir über die drohende Zerstörung eines Naturschutzgebites im nordschwedischen Karatj-Råvvåive berichtet. Eine Petition hat damals den Druck auf den Landbesitzer erhöht, seine Pläne zu ändern und das gesamt Gebiet verläßlich zu schützen. Noch laufen die Verhandlungen zwischen der Umweltbehörde und dem Besitzer. Aber es bleibt nach wie vor fraglich, ob die wertvollen Wälder in Zukunft von der Kettensäge geschützt sind. Das ist unabdingbar für den Klimaschutz und den Schutz der Artenvielfalt und die Weidegründe der Rentierherden der Sami.