Waldpolitik: Julia Klöckners Ablenkmanöver

Dass es den Waldbeständen in Deutschland schlecht geht, wurde in den letzten Jahren auch der breiten Öffentlichkeit bewusst. Die Hitze- und Dürreperioden waren prominente Themen in allen Medien. Berichte über Waldbrände und Bilder von großflächig abgestorbenen Fichtenplantagen sorgten für ungewohnte Beachtung.

Auch die bezifferten Schäden klingen beeindruckend. Ob es nun 285.000 Hektar beschädigte Waldflächen sind, 171 Millionen Kubikmeter Schadholz oder 80 Prozent aller Bäume mit sichtbar krankhaften Blattverlusten: Wir müssen etwas dagegen tun. Und es scheint so, als wären alle dabei: Waldeigentümer*innen und Forstleute wollen Millionen junger Bäume pflanzen, und die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sorgt sich gemeinsam mit deren Interessenverbänden öffentlichkeitswirksam um die Zukunft der Wälder und verspricht Unterstützung mithilfe Hunderter Millionen Euro an Steuergeldern.

Das beinhaltet finanzielle Unterstützung für das große Aufräumen, als ob abgestorbene Bäume entsorgungspflichtiger Sondermüll wären. Es werden „klimastabile“ Wälder angelegt, obwohl niemand weiß, welche Baum­arten das sein könnten und wann wir wieder ein stabiles Klima haben werden. Zusätzlich wird eine flächenbezogene, pauschale Bundeswaldprämie an all jene ausgeschüttet, die einen Antrag stellen. Ganz gleich, ob ihr Wald zu den knapp drei Prozent geschädigter Waldflächen gehört oder nicht. Es ist auch egal, ob die Beschenkten das Geld auf vernünftige oder auf sinnlose Weise in ihren Wald investieren. Oder ob sie es für andere Dinge verwenden. Waldeigentümer*innen, die Totalverluste beklagen, erhalten somit viel zu wenig Geld, während andere sich über ein Geschenk freuen können.

Dabei sind die 1,5 Milliarden Steuergelder, die nach Angaben des BMEL für den Wald bereitgestellt werden, nicht einmal das große Problem. Zumindest wenn man die Summe mit den überaus großzügigen Geldern vergleicht, die Luftfahrtunternehmen, Reisefirmen und andere Konzernen im Rahmen der Corona-Pandemie geschenkt wurden. Pro Hektar Waldfläche wären das etwa 130 Euro. Auch wenn die Gesamtsumme durch Einbeziehung von Fördermitteln, die ohnehin für den Wald eingeplant waren, pressewirksam aufgebläht wurde. Problematisch ist der lobbyfreundliche Aktionismus aus anderen Gründen.
 
1. Ministerin verschweigt die wichtigsten Ursachen der Waldschäden

Die Klimakrise eignet sich hervorragend dazu, andere Ursachen zu „vergessen“ und die Ministerin nutzt diese Chance gerne, indem sie beispielsweise in ihrer Rede zur Wahl des „Baum des Jahres 2020“ sagte: „Wir haben ein Problem. Es ist unser Wald selbst, der Prävention und Heilung braucht. Denn unserem Wald geht es nicht gut. Er leidet:
An den Folgen der extremen Dürre- und Hitzeperioden, am massiven Borkenkäferbefall,
und, weil Stürme und Waldbrände ihn dramatisch geschädigt haben“

Dabei geht es den Wäldern schon seit Jahrzehnten schlecht. Und die wichtigsten Ursachen verschweigt die Ministerin: Die Belastungen durch Luftschadstoffe, Pestizide und massiven flächendeckenden Eintrag von Stickstoff schädigten die Ökosysteme und machten sie anfälliger für zusätzliche Belastungen.

Man hatte sich irgendwie daran gewöhnt. Nicht zuletzt dank allerlei rhetorischer Kunstgriffe, denn seit der Veröffentlichung des ersten Berichtes 1984 rückten die Schadstoffe nach und nach an die letzte Stelle der Berichte und verschwanden fast gänzlich, während wahlweise Hitzewellen, Frost­ereignisse, Stürme oder Insektenvermehrung (allen voran der Borkenkäfer) als wichtigste Ursachen ganz vorne erwähnt wurden.
Sogar die verstärkte Fruchtbildung von Buchen und Eichen – eine natürliche Stressreaktion der Bäume – wurde als Ursache deklariert. Genauso könnte man einen blauen Fleck als Ursache einer Prellung bezeichnen, oder behaupten, der Husten sei schuld an einer Erkältung.

Unter Stress stehen Wälder auch durch die stetig zunehmende Verstärkung des Holzeinschlags und des vermehrten Einsatzes von immer schwereren Maschinen, mit denen die Waldböden geschädigt oder zerstört werden. Die Waldbestände werden zu stark aufgelichtet, den Waldböden wird zu wenig Biomasse überlassen, die aber für das Bodenleben und Nährstoffversorgung wichtig wäre.
Und die klassische Forstwirtschaft hat selbst dafür gesorgt, dass mit dem massenhaften Anbau standortsfremder Baumarten wie Fichten oder Kiefern in riesigen Monokulturen auch vormals unauffällige Insektenarten wie der Borkenkäfer ihre Arbeit in immer größerer Zahl erledigen.

2. Alternativen zur teuren und größtenteils waldschädlichen Räumung und Aufforstung werden kaum finanziert

Viele Waldeigentümer*innen säubern die geschädigten Flächen komplett, verdichten die Böden und sorgen damit für ein Savannenklima, in dem gepflanzte Bäumchen nicht aufwachsen können. Wer viele geschädigte Bäume stehen oder liegen lässt und dadurch keine Kosten verursacht, geht leer aus. Der Verzicht auf mögliche Einnahmen aus dem Holzverkauf wird nicht belohnt. Dafür können diese Waldbesitzer*innen damit rechnen, dass die bereits vorhandenen Jungpflanzen im Schutz der toten Bäume und der Vegetation besser aufwachsen. Später können gegebenenfalls weitere Bäume hinzugepflanzt werden.

3. Die Behauptung, „klimastabile“ Wälder zu pflanzen, entbehrt jeder fachlichen Grundlage. Sie dient vor allem dazu, die Schadholzräumung und Zaunbau zu finanzieren

Obwohl niemand weiß, welche Baum­arten ein zukünftiges Klimageschehen überstehen können, wird munter drauflos gepflanzt. Sicher, Nichtstun ist auch nicht immer die beste Lösung, aber es fällt doch auf, dass besonders häufig solche Baumarten gepflanzt werden, von denen man schnelles Wachstum und gute Holzpreise erwartet. Eine Abkehr von der Plantagenwirtschaft rückt in weite Ferne, denn es werden mitunter sogar wieder Fichten und Kiefernplantagen angelegt. Besser wäre es, die heimischen Baumarten zu bevorzugen, denn die Jungbäume können sich durchaus unter anderen Klimabedingungen anders entwickeln, wenn ihre genetischen Anlagen dies erlauben. Neue Baumarten sollten nur stellenweise und versuchsweise ausprobiert werden, so dass Korrekturen problemlos möglich sind.

4. Die Hauptursachen der Probleme werden erst gar nicht angegangen

Das größte Versagen derzeitiger Wald-und Förderpolitik ist es, dass selbst die offensichtlichsten Schadursachen nicht bekämpft werden. Waldeigentümer*innen und Forstleute scheinen sich mit etwas Geld zufriedenstellen zu lassen und vermeiden im Gegenzug die gebotene harte Kritik an den fehlenden Klimaschutzanstrengungen.
Waldrodung für den Autobahnbau inklusive der dadurch geförderten Treibhausgasemissionen? Kein Problem für die Branche, denn es werde ja anderswo aufgeforstet. Rodung des Hambacher Forstes? Auch das wird lediglich als Verlust einer beliebigen, recht kleinen Waldfläche gewertet. Dass darunter Hunderte Millionen Tonnen Braunkohle lagern, deren Verbrennung sowohl Wirtschaftswälder als auch Waldschutzgebiete bedrohen und zerstören dürfte, ist unwichtig.

Fazit: Eine wirklich sinnvolle, waldfreundliche Forstpolitik wird nicht verfolgt. Bundesministerin Julia Klöckner beschränkt sich darauf, Steuergelder und warme Worte zu verteilen, um einer konservativen Klientel zu gefallen und mächtige Wirtschaftsbosse zu bedienen. Für die Wälder, für den Klimaschutz, für eine lebenswerte Zukunft und auch für die Forst-und Holzwirtschaft eine fatale Strategie.