Vorbildliche Waldwirtschaft

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Die gemeinschaftliche Waldwirtschaft im Maya-Biosphärenreservat zeigt, wie sich eine behutsame, Waldnutzung mit der Entwicklung lokaler Gemeinschaften und dem Erhalt der biologischen Vielfalt in Einklang bringen lässt. Mahagoni und Spanische Zeder machen den größten Teil der Ernte und der Waldgewinne aus.
Foto ▸ Hajo Schmitz-Kretschmer

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In der Pufferzone des Biosphärenreservats leben die Menschen von der Viehwirtschaft
Foto ▸ Hajo Schmitz-Kretschmer

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Die Menschen in der Region profitieren von der Wertschöpfung in der Region: So wird das eingeschlagene Rundholz in eigenen Sägewerken zu Schnittholz sehr guter Qualität verarbeitet
Foto ▸ Hajo Schmitz-Kretschmer

Das kleine mittelamerikanische Land Guatemala gilt als ein Hotspot weltweiter Artenvielfalt. Das Spektrum der Wälder reicht von Mangroven-und Kiefernwäldern bis zu den großen tropischen Regenwälder im Norden des Landes. Alle Waldtypen leiden seit Jahrzehnten unter hohen Entwaldungsraten. Eine Ausnahme bilden größere, nachhaltig bewirtschaftete Bereiche im Maya-Biosphärenreservat (MBR), in denen die Waldfläche gegenwärtig sogar zunimmt und die Artenvielfalt erhalten bleibt. Der Schutz des Waldes und der Artenvielfalt gelingt dort durch eine nachhaltige Form der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung, die mittlerweile als Vorbild für andere tropische Regionen in der Welt dient.
 
Das Maya-Biosphärenreservat, MBR, umfasst den tropischen Norden der Provinz Petén und erstreckt sich über eine Fläche von 21.600 km². Zusammen mit den angrenzenden UNESCO-Bio­sphärenreservaten in Mexiko sowie einigen geschützten Waldgebieten in Belize bildet das MBR die Tropenwaldregion der „Selva Maya“, Maya-Regenwald, des mit 40.000 km2 größten tropischen Regenwalds in Mittelamerika. Im MBR sind über 3000 Pflanzen­arten beheimatet, darunter mehr als 250 Baum­arten, von denen viele wegen ihres Holzes oder zu anderen Zwecken genutzt werden. Die bekanntesten sind  Mahagoni (Swietenia macrophylla) und Spanische Zeder (Cedrela odorata). Über 500 Vogelarten leben im MBR ebenso wie Jaguar, Puma, Ozelot, Weißbartpekari, Beulen- und Spitzkrokodil.

Heimat von Jaguar, Ozelot und Spitzkrokodil

Neben seiner ökologischen Funktion für die Artenvielfalt ist das Maya-Biosphärenreservat als Kohlenstoffsenke für die Bekämpfung der Klimakrise von herausragender Bedeutung. Historisch-kulturell wertvoll ist es wegen seiner mehr als 200 archäologischen Stätten der Maya-Kultur mit der antiken Maya-Stadt Tikal.

Seit vielen Jahren bedrohen intensive Viehhaltung und illegale Weidewirtschaft den Maya-Wald. Zum Teil verursacht die kleinbäuerliche Sub­sistenzwirtschaft die Entwaldung. Vor allem aber wird sie von international agierenden Organisationen des Drogenhandels vorangetrieben.

Sie holzen und brennen den Wald besonders in den Nationalparks und den Schutzgebieten des Biosphärenreservats ab. Mit illegaler Viehzucht waschen sie Gelder aus dem Drogenhandel oder bauen Landebahnen für Kurierflugzeuge des Drogenschmuggels. Auf diese Weise hat zum Beispiel der im Westen des MBR gelegene größte und bedeutendste Nationalpark Guatemalas Laguna del Tigre in den letzten 20 Jahren über 30 Prozent seiner Waldfläche verloren.

Schutz statt Ausbeutung

Das Maya-Biosphärenreservat wurde 1990 vom Staat Guatemala und mit Unterstützung von Entwicklungshilfeorganisationen und zahlreicher NGOs als Reaktion auf eine über 30 Jahre andauernde unkontrollierte, ungezügelte Zerstörung und Ausbeutung der Wälder in Petén eingerichtet. Drei vorrangige Ziele sollten erreicht werden:
1. Der Schutz des Waldes und der biologischen Vielfalt,
2. der Erhalt der zahlreichen kulturhistorisch bedeutsamen Maya-Stätten,
3. die Einbeziehung der lokalen, sehr armen Bevölkerung in den angrenzenden Siedlungsgebieten, um deren Lebensgrundlagen zu verbessern.

Viele der über 200.000 Einwohner*innen der Region Petén sind indigene Nachfahren der Maya oder sie sind europäisch-indigener Abstammung. Sie leben meist in großer Armut ohne Zugang zu ihren Landrechten oder wissen nicht, wie sie diese schützen können. Da eine Ausweisung als reines Schutzgebiet von den Menschen nicht akzeptiert worden wäre, wurde ein differenziertes Schutzregime errichtet. Das Reservat ist in drei Zonen unterteilt:

  • Eine Kernzone (36 %), die aus Nationalparks und geschützten Gebieten besteht und in der nur wissenschaftliche Forschung und Ökotourismus erlaubt ist,
  • eine Mehrfachnutzungszone (MUZ) (40 %), in der eine schonende und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen erlaubt ist und
  • eine Pufferzone als begrenzender Streifen, in dem durch die Möglichkeiten landwirtschaftlicher Aktivitäten der Nutzungsdruck von den Kernzonen genommen werden soll.

Während der Staat bisher den Schutz der Kern- und Schutzzone vor Entwaldung nur unzureichend gewährleisten kann, hat sich ein Instrument als besonders wirksam für den Waldschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt erwiesen: In der Mehrfachnutzungszone wurde ein System von Gemeinschaftskonzessionen eingerichtet, die unter strengen und kontrollierten Auflagen in eigener Verantwortlichkeit den Wald und Waldprodukte nutzen dürfen.
 
Gemeinschaftskonzessionen schützen den Wald

Die Gemeinschaftskonzessionen im Norden Guatemalas sind die Konsequenz aus der Erfahrung, dass staatliche Forstwirtschaft in der Regel in­effizient ist und private Unternehmen mehrheitlich auf Gewinn fixiert sind. Bei einer Gemeinschaftskonzession überträgt der Staat einer kommunalen Waldgemeinschaft das Recht, Holz und Nicht-Holzprodukte einer definierten Waldfläche für eine bestimmte Zeit eigenverantwortlich zu nutzen. Dies ist an Bedingungen geknüpft wie die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und den Erhalt der Ökosysteme.

Derzeit existieren elf Gemeinschaftskonzessionen und zwei Unternehmenskonzessionen, die mit über 1300 Mitgliedern zusammen etwa 5500 km2 bewirtschaften. Die Größe der Konzessionen variiert zwischen 20.000 und 83.000 Hektar. Um eine Konzession beantragen zu können, mussten die kommunalen Waldgemeinschaften über eine legale und funktionierende Organisationsform verfügen. Dazu mussten sie in der Lage sein nachhaltige Waldwirtschaft zu betreiben und die fachliche Unterstützung einer NGO nachweisen. Jede Konzession muss zudem eine FSC-Zertifizierung besitzen. Diese stellt  fachliche Richtlinien für Waldbewirtschaftung und Schutz bereit und erleichtert den Zugang zu den Märkten. Das Land bleibt weiterhin Eigentum des Staates.

Die Gemeinschaften bilden unterschiedliche Rechtsformen wie Verein, Genossenschaft oder eine sonstige zivilgesellschaftliche Organisation. Eine Regierungsbehörde, die CONAP (Nationaler Rat für Schutzgebiete), vergibt und kontrolliert die Konzessionen zur Waldbewirtschaftung in Petén und legt Anforderungen für die Bewirtschaftung des Waldes fest. Die Konzessionen wurden zunächst für einen Zeitraum von 25 Jahren vergeben und sind vor einiger Zeit um weitere 25 Jahre verlängert worden.

Nach Erteilung der ersten Konzession im Jahr 1994 bedurfte es eines mehrjährigen Erfahrungs- und Entwicklungsprozesses, um das System der Gemeinschaftskonzessionen zu einem erfolgreichen Modell zu entwickeln. Dabei halfen die technische und finanzielle Unterstützung durch CONAP und NGOs. Wichtig für die weitere Entwicklung war die Gründung eines gemeinsamen Dachverbandes im Jahr 1995: der Vereinigung der Waldgemeinschaften von Petén (ACOFOP). Sie vertritt die Interessen der Gemeinschaften, verteidigt ihre Besitzrechte und stärkt den Prozess der Gemeinschaftskonzessionierung. Die ACOFOP unterstützt die Waldgemeinschaften auch bei der Finanzierung von Waldinventuren und Bewirtschaftungsplänen, bei der Weiterverarbeitung, der Vermarktung von Nichtholzprodukten sowie der Förderung des Ökotourismus. 2003 gründeten die lokalen Waldgemeinschaften ein gemeinsames Forstdienstleistungsunternehmen (FORESCOM), das für die Weiterverarbeitung des Holzes sowie die Vermarktung der Holz- und Nichtholzprodukte des Waldes verantwortlich ist.

Forstpläne und Schutz sensibler Ökosysteme

Wie sieht die Waldbewirtschaftung einer Konzession nun konkret aus?
Jede Forstkonzession muss auf der Grundlage einer konzessionsweiten Waldinventur drei aufeinander bezogene Forstpläne erstellen: einen auf 25  Jahre ausgerichteten Bewirtschaftungsplan mit einer Gesamtstrategie für ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit, einen Fünfjahresplan mit Festlegung der Einschlagsgebiete und einen jährlichen Betriebsplan mit einer georeferenzierten Darstellung aller Bäume mit Brustdurchmesser größer als 30 Zentimetern. Ökologisch sensible Bereiche sind grundsätzlich von jeglicher Nutzung ausgeschlossen. Der operative Forstplan muss von der CONAP genehmigt werden, die das Gebiet vor, während und nach dem Einschlag mittels Stichproben überwacht.
Die Inventuren liefern genaue Daten über den Wald und bilden die Grundlage für die jährlich einschlagbare Holzmenge. Das Einschlagsvolumen richtet sich immer am aktuellen, aufgrund der Daten berechneten Holzzuwachs aus, d.h. an der biologischen Realität statt an kurzfristigen finanziellen Erfordernissen. Die Waldwirtschaft orientiert sich an den Prinzipien eines für Boden und Ökosysteme schonenden Holzeinschlags.
Insgesamt ist die Einschlagsrate pro Hektar mit 1,6 m3/ha sehr gering. Das ist weniger als ein Baum pro Hektar  und damit nur ein Bruchteil dessen, was in vergleichbaren tropischen Regionen eingeschlagen wird. Von den etwa 20 genutzten Baumarten machen Mahagoni und Spanische Zeder bisher den größten Teil des Erntevolumens und der Waldgewinne des Maya-Bio­sphärenreservats aus. Das eingeschlagene Rundholz wird in eigenen Sägewerken zu Schnittholz sehr guter Qualität verarbeitet.

Die Menschen und der Wald gewinnen

Mehr und mehr ernten die Menschen in den Konzessionen auch Nichtholzprodukte. So exportieren sie die Blätter der Palmenart Xate als Blumenschmuck in die USA. Andere Baumprodukte sind Chicle-Saft zur Herstellung von Kaugummi, Piment und die Samen des Ramón-Baums.

In den letzten zehn Jahren haben mehr als 100 Forstunternehmen in den Konzesssionsgebieten über 12.000 Arbeitsplätze geschaffen. Mehr als 45.000 Menschen profitieren von dem Projekt. Das Einkommen aus der Waldbewirtschaftung trägt durchschnittlich zu 38 Prozent zum Haushaltseinkommen bei und verringert die ansonsten extreme Armut der Haushalte. Die Armutsraten in den Konzessionsgebieten sind deutlich niedriger als im übrigen Guatemala. So wandern im Unterschied zu anderen Regionen praktisch keine Menschen aus den Konzessionsgemeinden in die USA aus.
Die Gewinne aus der Waldwirtschaft investieren die Menschen in Betriebe und Infrastruktur. Auch das Überwachen der Waldgebiete, um Feuer und illegale Aktivitäten zu verhindern, werden finanziert. Mit den Einnahmen werden Schulen gebaut, Lehrer*innen bezahlt, Gesundheitsstationen und andere grundlegende Dienstleistungen für die Gemeinden eingerichtet.

In den letzten Jahren beteiligen sich zunehmend Frauen an den Aktivitäten in den Konzessionen und übernehmen dort Führungsverantwortung. Innerhalb des Dachverbandes ACOFOP hat sich ein Frauennetzwerk gegründet, das u.a. für die Vermarktung von Nichtholzprodukten und den Aufbau von Ökotourismus verantwortlich ist. Dazu bieten die Frauen Schulungen zur Stärkung von Führungsqualitäten an.

Aktuelle Studien belegen die positiven ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Waldwirtschaft im Maya-Biosphärenreservat. Die Populationen der genutzten Holzarten können sich wieder auf ihre ursprüngliche Dichte und ihr Volumen zwischen aufeinanderfolgenden Einschlagszyklen erholen. Die Entwaldungsrate in den Gemeinschaftskonzessionen liegt derzeit bei Null, es gibt sogar leichten Zuwachs an Waldfläche. In ganz Guatemala liegt die Entwald­ungsrate bei 1,2 Prozent, in den Pufferzonen bei fünf Prozent. Die Populationen des Jaguars und seiner Beutetiere sind in den Waldkonzessionen unverändert hoch. Das deutet auf eine nach wie vor große Artenvielfalt hin.

Das Maya-Biosphärenreservat als internationales Modell für eine gemeindebasierte tropische Waldwirtschaft

Mittlerweile ist das Konzessionssystem für gemeinschaftliche Waldbewirtschaftung im Maya-Biosphärenreservat zu einem internationalen Modell für die gemeindebasierte tropische Waldbewirtschaftung geworden. Besonders dort, wo es Regierungen an Ressourcen fehlt, um Waldgebiete wirkungsvoll zu überwachen.Es zeigt sich hier, wie sich eine behutsame, partizipative Waldbewirtschaftung mit Entwicklung lokaler Gemeinschaften, Erhalt der bio­logischen Vielfalt und Minderung von Treibhausgasen in Einklang bringen lässt.

Für die Zukunft ist es allerdings wichtig, die Rechtsgrundlagen für die Konzessionen zu stärken und den Waldgemeinschaften rechtliche Garantien für einen größeren Zeitraum zu geben. Der Anreiz für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung braucht die Perspektive, dass die eigene und die nachfolgende Generation weiterhin vom Wald profitieren können – eine Konzession über 25 Jahre ist im Zyklus eines Waldes gedacht eine viel zu kurze Zeit.

Hotspot der Artenvielfalt:

Guatemalas Lage und seine physio­geografischen und klimatischen Besonderheiten machen es zum Hotspot der Artenvielfalt mit einer außergewöhnlich hohen Zahl von Ökosystemen. Von seinen 9000 höheren Pflanzenarten sind 1100 endemisch, wachsen also nur hier. Die derzeit bewaldete Fläche von rund 35.000 km2 umfasst noch über 20.000 km2 Primärwald. Das Spektrum der Waldtypen reicht von Mangroven-und Kiefernwäldern bis zu  Nebel- und pazifischen Trockenwäldern. Am ausgedehntesten sind die tropischen Tieflandregenwälder im Norden Guatemalas.