Sinkender Fleischkonsum

Alles easy im Stall?

27. Juni 2024
Fenna Otten
Tropenwaldreferentin
Cora Hannack
ROBIN WOOD-Aktive
Magazin

In Deutschland wird immer weniger Fleisch gegessen. Die Debatten über Haltungsformen und Tierwohl nehmen zu, und die öffentliche Kritik an der Fleischindustrie wird immer lauter. Ist mittlerweile also alles gut? Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Das Geschäft mit dem Fleisch ist global, auch Deutschland produziert längst für den Weltmarkt – mit hohen sozialen und ökologischen Kosten.

Der Fleischkonsum lag 2023 in Deutschland bei 52 Kilogramm pro Kopf – zwölf Kilogramm weniger als noch zehn Jahre zuvor. Immerhin. Doch das sind aber noch rund 1000 Gramm pro Woche und damit weit mehr als die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene wöchentliche Verzehrmenge von 300 Gramm Fleisch und Wurst. Bedeutet der sinkende Fleischkonsum denn wenigstens, dass die Verbraucher*innen „besseres“ Fleisch kaufen und eine sozial-ökologische „Fleischwende“ kurz bevorsteht?

Die Nachfrage nach „Biofleisch“ ist in den vergangenen Jahren tatsächlich deutlich gestiegen, der Marktanteil hat sich in nur drei Jahren verdoppelt. Doch das auf niedrigem Niveau: Nur knapp vier Prozent des 2022 gekauften Fleisches stammte aus biologischer Erzeugung. Aufgrund steigender Lebensmittelpreise war der Verkauf von Biofleisch 2022 gegenüber dem Vorjahr sogar leicht rückläufig.

Fleisch für den Weltmarkt

Weltweit steigt die Nachfrage nach Fleisch. Das wird sich auch vorerst nicht ändern. Über die nächsten zehn Jahre wird ein Wachstum der jährlichen Fleischproduktion um zwölf Prozent prognostiziert – auf über 380 Millionen Tonnen. Von dem weltweit steigenden Konsum profitieren auch die deutschen Fleischproduzenten. In den letzten 30 Jahren hat sich in Deutschland der Export von Fleisch fast vervierfacht. Seit 2007 übersteigen die Fleischausfuhren die Einfuhren. Heute wird etwa die Hälfte (!) aller deutschen Schlachtungen exportiert – etwa drei Millionen Tonnen Fleisch pro Jahr!

Seit 2016 sind die Exporte rückläufig.Das ist aber nicht auf eine Veränderung des Konsumverhaltens, sondern vielmehr auf Chinas Importstopp aufgrund der afrikanischen Schweinepest und auf fehlende Schlachtkapazitäten während der Corona-Pandemie zurückzuführen.

Strukturwandel in der Tierhaltung

In Deutschland lebten Ende 2023 gut 21 Millionen Schweine, knapp elf Millionen Rinder und etwa 44 Millionen Legehennen, die im Laufe des Jahres gut 13 Milliarden Eier legten. Von 2010 bis 2020 sank in Deutschland die Zahl der Betriebe, die diese  Tiere halten, von knapp 216.100 auf gut 168.000. Dabei sind allerdings die Tierzahlen im gleichen Zeitraum nur leicht gesunken. Das bedeutet eine Betriebskonzentration, bei der sich die Bestandsdichte von Rindern, Milchkühen und Hühnern nahezu verdoppelt hat.

In der Schweineproduktion ist der Wandel besonders deutlich. Insgesamt gingen die Schweinebestände in Deutschland um knapp vier Prozent zurück. Während die Zahl der Mastschweine konstant blieb, gingen die Bestände der Zuchtschweine um etwa 21 Prozent zurück. Trotzdem stieg die Tierzahl pro Betrieb bei Zuchtschweinen um 55 Prozent und bei Mastschweinen, die mehr als 50 Kilogramm wiegen, um 60 Prozent.

Angesichts dieser Marktkonzentration herrscht unter kleinen Familienbetrieben eine große Perspektivlosigkeit. Das System der Agrarsubventionen unterstützt die großen Betriebe immer noch mehr als die kleinen. Was aber vor allem fehlt, ist eine Koppelung der Subventionen an Verbesserungen in der Tierhaltung.

Tierhaltung in Deutschland

Viele Nutztiere in Deutschland werden auf Voll- oder Teilspaltenböden gehalten. Besonders gravierend ist dies in der Schweinehaltung. Über 90 Prozent der Schweine und Sauen fristen ihr Leben auf diesen Böden, dabei hat nur rund ein Prozent der Schweine Zugang zu einem Auslauf.

Der Großteil der Rinder wird in Silage­systemen mit Spaltböden, ohne oder mit wenig Tageslicht gehalten. Höchst problematisch – und nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar – ist die Anbindehaltung von Milchkühen und Rindern. In 28 Prozent aller rinderhaltenden Betriebe werden die Tiere in diese Form gehalten, auch in ökologisch wirtschaftenden Betrieben.

Legehennen und Masthühner leben in der konventionellen Haltung überwiegend in Bodenhaltung. Dabei leben die Tiere zusammengepfercht, ohne Auslauf und ohne die Möglichkeit, ihre natürlichen Bedürfnisse auszuleben. Seit 2010 ist die Haltung von Hennen in Käfigbatterien verboten. Allerdings dürfen bestehende Betriebe bis 2025 die Tiere in der sogenannten Kleingruppenhaltung weiterhin in Käfigen halten, eine Fristverlängerung bis 2028 ist möglich, gar wahrscheinlich.

Häufig werden Amputationen vorgenommen und präventiv Medikamente gegeben, um die Tiere an die engen und reizarmen Haltungsbedingungen anzupassen und um das Verletzungs- und Krankheitsrisiko zu verringern. Insgesamt führen die industriellen, konventionellen Haltungsformen häufig zu diversen Krankheiten und schweren Verhaltensstörungen bei den Tieren.

Politik muss Anreize für mehr Tierwohl schaffen

Die Politik bietet Betrieben, die mehr Tierwohl umsetzen wollen, immer noch keine ausreichend finanzielle Unterstützung und vor allem keine Planungssicherheit. Der Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, eine Tierwohlabgabe einzuführen oder die Mehrwertsteuer auf Fleisch von sieben auf 19 Prozent anzuheben, wird jedoch vom Deutschen Bauernverband kritisiert – und von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft wiederum begrüßt.

Deutschland produziert Fleisch zu hohen sozialen und ökologischen Kosten. Es ist höchste Zeit zu handeln, es braucht eine politische Kehrtwende. Landwirtschaftliche Betriebe müssen von ihrer Arbeit leben können, vor allem die, die ökologisch wirtschaften und mehr Tierwohl umsetzen wollen. Eine gezielte Förderung ökologischer Landwirtschaft würde gleichzeitig der Umwelt zugutekommen.

ROBIN WOOD fordert:

  • Die Anzahl der Nutztiere in Deutschland muss drastisch gesenkt werden, Haltungsbedingungen für Tiere müssen verbessert und die Treibhausgasemissionen gesenkt werden.
  • Fleischpreise müssen alle Kosten der Herstellung widerspiegeln, auch soziale und ökologische!
     

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