Schön und ungewöhnlich

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Schon bald nach ihrer Einführung in Europa im 17. Jahrhundert war die Robinie als Park- und Alleebaum beliebt.
Foto ▸ Andreas Gomolka

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Diese Robinie vor dem Schloss in Strehla (Sachsen) wird auf ein Alter von 280 - 320 Jahren geschätzt und ist vermutlich die älteste Robinie Deutschlands.
Foto ▸ Andreas Roloff

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Bienen produzieren einen hellen, klaren, milden und dank des hohen Fruktosegehalts über Jahre nicht kristallisierenden Honig. Meist wird er unter dem irreführenden Namen Akazienhonig vermarktet.
Foto ▸ Andreas Gomolka

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Robinien haben eine meist lockere, oft auch schirmartige und bizarr verzweigte Krone.
Foto ▸ Andreas Roloff

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Schönste Robinie Hamburgs, gepflanzt 1874.
Foto ▸ Rudolf Fenner

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Nur das Holz der Robinie ist in Europa über Jahrzehnte ohne jegliche Imprägnierung so resistent. Zunächst wurde diese Eigenschaft für Rebstöcke, Zaun- und Weidepfähle genutzt. Heute wird es auch im Wasser-, Boots-und Brückenbau sowie für Lärmschutzwände eingesetzt. Spielplätze werden mit Robinienstämmen gestaltet. Bei Gartenmöbeln, Terrassendielen und anderen Gartenhölzern ist Robinienholz die ideale, oft auch haltbarere Alternative zu all den Tropenhölzern, die derzeit für den Outdoor-Bereich angeboten werden.
Foto ▸ Andreas Roloff

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Noch winterkahle Robinien am Rand einer mit Wilden Tulpen bestandenen Wiese. Ein Eindringen der Robinie auf diese waldfreie Fläche wird durch die Beweidung der Wiese mit Ziegen und Schafen verhindert.
Foto ▸ Andreas Roloff

Gewöhnliche Robinie – so lautet ihr offizieller Name. Ungewöhnliche Robinie wäre allerdings der sehr viel passendere Name, wenn man ihre erstaunlichen Eigenschaften kennenlernt und sieht, was aus ihr in den letzten Jahrhunderten geworden ist.

In ihrer nordamerikanischen Heimat, den Wäldern der südlichen Appalachen und des Ozark-Plateaus westlich des Mississippis, ist sie eine unter vielen Baumarten – eine, die sich nicht besonders hervortut. Lediglich nach einem Brand oder Sturm ist sie die Pionierin, die die verwüstete Fläche schnell und meist vollständig besiedelt, um dann nach zwei bis drei Jahrzehnten den übrigen dort heimischen Baumarten nach und nach wieder ihren Platz einzuräumen.
Doch als im Verlauf der Kolonisierung Nordamerikas die ersten Robinien um 1630 nach Europa kamen, war das der entscheidende Schritt zu einer ungewöhnlichen Weltkarriere. Heute gehört die Robinie neben Eukalypten und Pappeln zu den weltweit meist gepflanzten Bäumen. In China und Südkorea wachsen heute mehr Robinien als in ihrer Heimat, den USA. Eine steile Karriere, die allerdings nicht ohne Kollateralschäden blieb.

Die Schöne

Zunächst allerdings war es ausschließlich seine dekorative, exotisch wirkende Erscheinung, die diesen Baum in Europa zu einem begehrten Objekt in den Park- und Gartenanlagen von Adel und reich gewordenem Bürgertum machte: Auffällig sind seine zarten Fiederblätter, seine grobe, tief gefurchte Borke, seine hängenden weißen und süßlich duftenden Blütentrauben und seine nicht selten bizarr verzweigte Krone. Auch als Alleebaum war die Robinie schon bald gern gesehen.

In Deutschland wurden die ersten Robinien 1670 gepflanzt, und zwar zwei Exemplare im barocken Lustgarten des Berliner Stadtschlosses. Allerdings wurden sie bereits 1713 wieder gefällt, als der Soldatenkönig den Lustgarten in einen Exerzierplatz umwandeln ließ. Auch in den damaligen botanischen Gärten wuchsen recht bald die ersten Robinien – der Leipziger Garten machte 1675 den Anfang.

Die Beliebtheit der Robinie als Parkbaum nahm mit dem Übergang von den strengen, barocken Parkanlagen zu den großzügigen Landschaftsparks noch zu und ist bis heute ungebrochen. Im Laufe der Zeit kamen auch immer mehr Zierformen der Robinie auf den Markt, die ihren Platz dann auch innerhalb der Städte und in kleineren Privatgärten gefunden haben. Am bekanntesten sind wohl die Kugel-
Robinie und die holländische Frisia
mit ihrer goldgelb-grünen Laubkrone.

Als Alleebaum wird die Robinie nach wie vor genutzt – heute wieder zunehmend auch innerhalb von Ortschaften, da sie recht salz- und immissions­tolerant ist und gut mit dem städtischen Klima und den oft schwierigen Bodenverhältnissen zurechtkommt.

Die Ungewöhnliche

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begannen in Mitteleuropa – vor allem, um einen akuten Brennholzmangel abzuwenden – die großen Aufforstungen der durch jahrhundertelange Übernutzung heruntergewirtschafteten und verödeten Waldflächen. Zu dieser Zeit waren bereits auch die ungewöhnlichen, aber überaus wertvollen Eigenschaften der Robinie erkannt worden: So war aufgefallen, wie gut sie auch auf extrem kargen Böden und sogar auf Dünen zurechtkam.

Diese ungewöhnliche Fähigkeit beruht auf der Symbiose mit Rhizobien – Bakterien, die in Knöllchen an ihrer Wurzel leben und Luftstickstoff fixieren können. Die Robinie beeindruckte damals auch durch ihr ungewöhnlich schnelles Wachstum in den ersten zwei, drei Lebensjahrzehnten, durch die erstaunliche Härte ihres Holzes und dessen spitzenmäßigen Brennwert, der sogar den der besten heimischen Hölzer, der Hainbuchen- und Eichenhölzer, übertrifft.

Kein Wunder also, dass die Robinie kaum hundert Jahre nach ihrem Auftauchen in Deutschland von einigen Forstwissenschaftlern ausdrücklich und begeistert für die Wiederbewaldung empfohlen wurde. So sah sie 1790 der kurmärkische Oberforstmeister Burgsdorff schon als „ein wahres Kleinod und die Zierde der deutschen Landforste.“

Ganz so ist es dann aber doch nicht gekommen. Lediglich auf sandigen Arealen wie im Oberrheingraben oder auf den ausgepowerten Waldböden rund um Nürnberg, vor allem aber im mit Sandböden reichlich gesegneten Brandenburg wurde auch mit Robinien aufgeforstet. Besonders im Osten Brandenburgs und in den Gebieten südlich von Berlin entstanden so im Laufe des 19. Jahrhunderts auch größere Robinienforste.
Der Anteil von Robinien in deutschen Wäldern ist aber insgesamt gering geblieben und beträgt heute lediglich etwa 0,1 Prozent, wobei das Gros in Brandenburg und den angrenzenden Gebieten von Sachsen-Anhalt zu finden ist. Die meisten dieser Robinienforste sind Reinbestände. Es gibt zwar auch vereinzelt Mischbestände mit Birken, Eichen, Ahorn oder Kiefern, doch für eine naturnahe Waldbewirtschaftung ist die Robinie nicht geeignet. Und auch die Reinbestände haben bislang kaum qualitativ hochwertige Stämme hervorgebracht.

Eine größere Verbreitung hat die Robinie außerhalb der Wälder gefunden – gepflanzt als Alleebaum, als Bienenweide und auch als Hecken- und Feldgehölz. Vor allem aber wird sie dank ihres dichten, weit in die Breite reichenden Feinwurzelsystems zur Bodensicherung an Steilhängen, auf Dämmen, an Böschungen und auf offenen Sandflächen eingesetzt. So trifft man auf die Robinie heute quer durch die ganze Republik entlang von Bahndämmen, Straßenböschungen und Kanalufern. Man trifft sie auch in den sogenannten Bergbaufolgelandschaften zur Begrünung von Abraumhalden und stillgelegten Tagebauflächen.

Auf all diesen künstlich geschaffenen Standorten trifft man meist und schon wenige Jahre nach einer Anpflanzung von Robinien auf weitere heranwachsende Exemplare in der direkten Umgebung. Denn auch im Sichausbreiten ist die Robinie ungewöhnlich gut: Zum einen blüht und fruchtet sie oft schon mit sechs Jahren, zum anderen kann aus ihren weitreichenden Wurzeln reichlich Wurzelbrut austreiben und gleich im ersten Jahr zu zwei, drei Meter hohen Ablegern heranwachsen. Und aufgrund ihrer symbiotischen Selbstversorgung mit Stickstoff ist die Robinie auch – zumindest auf stickstoffarmen Böden – anderen Pionierbäumen wie Ahorn, Birke, Schlehe oder Kiefer deutlich überlegen.

Die Platzgreifende

Ein eindrückliches Beispiel ihrer Ausbreitung sind die zum Teil flächig mit Robinien bestandenen Berliner kriegsbedingten Trümmerflächen und Nachkriegsbrachen wie die stillgelegten Gleisanlagen. Da in Berlin besonders viele Robinien in Parks, Gärten und entlang von Straßen stehen, konnte sie sich viele dieser innerstädtischen Brachflächen schnell und komplett erobern.
Sie wurde hier also zu dem Pionier, der sie ja auch in ihren heimatlichen Wäldern in den Appalachen auf von Feuer oder Sturm verwüsteten Flächen ist. Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Dort werden diese Robinien-Pionierflächen nach zwanzig, dreißig Jahren von anderen dort heimischen Baumarten durchwachsen und die Robinien nach und nach wieder zurückgedrängt.
 
Solch eine natürliche Regulierung scheint in Mitteleuropa nicht möglich zu sein. Die Berliner Robinienwälder sind auch heute noch immer Robinienwälder. In deren Unterholz wachsen zwar auch andere Baumarten wie Holunder, Ahorn oder gelegentlich auch Eichen, aber es gibt bislang keinen Hinweis, ob irgendeine heimische Baumart in der Lage ist, die Dominanz der Robinie dort zu brechen.

Die Robinie ist sehr lichtbedürftig. In die hiesigen, überwiegend dichten, naturnahen Wälder kann die Robinie, selbst wenn sie am Waldrand vorkommt, nicht eindringen – es sei denn über angrenzende Brandflächen, Windwürfe, Insektenkalamitäten oder Kahlhiebe. Bedrohlich ist sie aber für sonnenbeschienene, insbesondere trockene und stickstoffarme Standorte wie Mager- und Trockenrasen, warm-trockene Hanglagen oder Binnendünen. Alle diese Orte sind heute seltene und wegen ihrer speziell angepassten Pflanzen- und Tierwelt schützenswerte Lebensräume. Hat die Robinie erst einmal solche Plätze besetzt, ist es um die Schutzwürdigkeit dieser Gebiete geschehen. Sie einfach abzusägen bringt den gegenteiligen Effekt, da dann ihre Stubben und Wurzelbrut um so stärker austreiben. Und selbst wenn es mit viel Aufwand gelingen sollte, die Bäume inklusive Wurzelbrut zu entfernen – der Boden ist längst von den Robinien mit Stickstoff angereichert worden. Und damit ist ein wesentliches Charakteristikum dieser heute selten gewordenen Standorte, die Stickstoffarmut des Bodens, auf lange Sicht dahin.

Die Robinie steht daher auf der Liste der invasiven Baumarten. Auch in der Schweiz, in Österreich und in vielen weiteren europäischen Ländern gilt die Robinie als invasiv, selbst in ihrer Heimat, in den USA, ist sie in vielen Bundesstaaten als solche eingestuft. Einzelne US-Bundesstaaten haben sogar Importverbote erlassen.

Die schöne Robinie – eingeführt aus botanischem Interesse und Liebhaberei – ist ein eindrucksvolles Beispiel für Fluch und Segen nicht einheimischer, aber inzwischen längst etablierter Arten. Wurde sie zunächst zum Hoffnungsträger bei der Rückgewinnung einer durch jahrhundertelange Übernutzung verödeter Landstriche und Wälder, so ist sie heute – nachdem solche nährstoffarmen Landschaftsbereiche durch Düngung und hohe Einträge stickstoffhaltiger Luftschadstoffe selten geworden sind – zu einer ernsthaften Bedrohung der letzten Reste dieser Standorte mit ihrer reichen, sehr speziellen Biodiversität geworden.

Mit Blick auf die fortschreitende Klimaerwärmung könnte die Robinie nun nach über 200 Jahren erneut als Hoffnungsträger gesehen werden. Ist sie doch erstaunlich hitze- und trockenheitstolerant, wächst ungewöhnlich schnell und ihr Holz ist Spitzenreiter unter den heimischen Hölzern, was Langlebigkeit und Energiegehalt betrifft. Es wird auch bereits geforscht, getestet und nach geeigneten genetischen Varianten gesucht. Dabei geht es um Kurzumtriebsplantagen auf landwirtschaftlichen Grenzertragsböden oder auf Flächen, die der Braunkohletagebau hinterlassen hat. Es geht auch um effizientere Bewirtschaftungsmodelle für die schon lange existierenden Robinienbestände in Brandenburg, die die holzwirtschaftlichen Erwartungen bislang enttäuscht haben.

… und in Zukunft?
 
Aber Neuaufforstungen mit Robinien sind nicht geplant. Das wäre auch höchst riskant. Denn je wärmer und trockener das Klima, um so mehr kann die Robinie auch für die heimischen Wälder zur Bedrohung werden. In unseren südlichen Nachbarländern, in den relativ warmen und trockenen Gegenden der Schweiz und im östlichen Österreich, dringt die Robinie bereits in Wälder ein. Und es dauert vielleicht nicht mehr lang, bis wir ähnliche Klimaverhältnisse auch hier in Deutschland antreffen werden.