Raubbau für Geflügelfleisch

Von der Öffentlichkeit unbemerkt werden ökologisch unverzichtbare Tropenwälder in Südamerika für den Anbau von Tierfutter vernichtet. Trägt einer der größten deutschen Futtermittel- und Fleischproduzenten Mitschuld an dieser zum Teil illegalen Abholzung? Vieles deutet darauf hin.

ROBIN WOOD und Mighty Earth haben mit Hilfe von Schiffs- und Navigationsdaten Schiffsbewegungen von Silos der bekannten Agrarfirmen Bunge und Cargill in Amsterdam bis hin zu Rothkötters Futtermittel-Hafen in Haren an der Ems verfolgt. Das Brisante: Bunge und Cargill sind beides Unternehmen, die jüngst von der brasilianischen Regierung zu Strafzahlungen wegen illegaler Entwaldungen für den Sojaanbau verurteilt wurden. Beide Firmen haben unter den bekannten Agrarhändlern zudem das höchste Entwaldungsrisiko für Soja in Südamerika: In Regionen, in denen entweder nur Cargill oder nur Bunge Silos besitzen, wird besonders viel und oft gerodet. Sämtliche Aufforderungen Auskunft darüber zu geben, ob sie Soja von Bunge oder Cargill beziehen, blieben bisher von Rothkötter unbeantwortet. Ebenso wenig gab die Firma darüber Auskunft, ob sie die Rückverfolgbarkeit ihres Sojas und damit dessen Legalität und Entwaldungsfreiheit sicherstellen kann.
 
Auf dem deutschen Fleischmarkt spielt die Firmengruppe Rothkötter eine zentrale Rolle. Vom Futter über das Mästen und das Schlachten bis zur Lieferung der Endprodukte an Discounter und Fast-Food-Restaurants kontrolliert Rothkötter die gesamte Produktion. Insbesondere in der Geflügelbranche ist die Gruppe aus dem Emsland präsent: Rothkötter ist einer der wichtigsten Geflügelfleischlieferanten für die großen Discounter Lidl, Netto Marken-Discount und Aldi Süd.
Das Fleisch wird dort z.B. unter wohlklingenden Hausmarkennamen wie „Landjunker“ (Lidl), „Gut Ponholz“ (Netto) und „Meine Metzgerei“ (Aldi Süd), vertrieben. Außerdem ist Rothkötter ein wichtiger Lieferant der Fastfood-Kette McDonald’s.

ROBIN WOOD protestiert spektakulär bei Rothkötter

Aus Protest gegen die intransparente Sojalieferkette haben Aktivist*innen von ROBIN WOOD und Mighty Earth im November 2018 am Silo des Hähnchen- und Futtermittelgiganten Rothkötter im Emsland ein riesiges Banner mit dem Spruch „Tropenwald nicht verfüttern!“ entrollt. Wir forderten Rothkötter auf, die Verwendung von Soja aus Tropenwaldraubbau sicher und nachvollziehbar auszuschließen. Ansonsten mache sich das Unternehmen mitschuldig an Waldzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in den Herkunftsländern des Sojas. Der Schutz muss sich dabei auf alle tropischen Wälder erstrecken, nicht allein auf den brasilianischen Amazonas-Regenwald. Bisher versteckt sich die Futtermittelindustrie hinter den Erfolgen des Soja Moratoriums von 2006. Es schützt den brasilianischen Teil des Amazonas Regenwaldes bisher relativ erfolgreich vor Entwaldungen. Seit Inkrafttreten des Moratoriums werden nun verstärkt andere Teile des Amazonas Regenwaldes, etwa in Bolivien, sowie tropische Trockenwälder wie der Gran Chaco für den Sojaanbau gerodet. Allein für die hiesige Tierproduktion wird in Südamerika auf einer Fläche von 2,5 Millionen Hektar Soja in Monokultur angebaut – wofür Wälder zerstört und Menschen von ihrem Land vertrieben werden. Um den Druck von den tropischen Wäldern zu nehmen, drängen wir daher auf regionales Eiweißfutter statt Soja aus Übersee und auf eine drastische Reduktion der Tierproduktion.

Die Tierfutterbranche tut viel zu wenig, um ihre Lieferketten frei von Ressourcen aus Abholzung zu halten. Die von der Branche erarbeiteten europäischen Leitlinien für nachhaltige Sojabeschaffung sind nicht mehr als eine unverbindliche Empfehlung. Diese Einschätzung wird durch eine Analyse des Thünen-Instituts unterstützt, einem Bundesforschungsinstitut. Die Entscheidung, ob sie ‚verantwortungsvoll erzeugtes‘ Soja kaufen oder nicht, bleibt weiter den Futtermittelherstellern überlassen. Die FEFAC akzeptiert 17 in ihren Anforderungen sehr unterschiedliche Zertifizierungssysteme für die „verantwortungsbewusste“ Sojabeschaffung. Einige dieser Zertifikate schreiben etwa beim Waldschutz nur absolute Minimalanforderungen fest, wie das die Rodungen legal sein müssen. Sie stellen damit keineswegs eine „nachhaltige“ Versorgung sicher.
Nach Aussagen des Deutschen Verbandes für Tierfutter entsprechen bisher etwa 60 Prozent der nach Deutschland importierten Futtermittel den FEFAC-Leitlinien. Damit wird deutlich, dass etwa 40 Prozent der Futtermittel selbst den in vielen Punkten unzureichenden Leitlinien der FEFAC nicht entsprechen und somit möglicherweise aus Entwaldung und eventuell sogar illegaler Entwaldung stammen.

Rothkötter schweigt weiter konsequent zu den Vorwürfe. Auch auf Medienanfragen vom Spiegel und dem NDR hat das Unternehmen nicht reagiert. Aber wir lassen nicht locker. Wir nehmen nun verstärkt die Abnehmer von Rothkötter-Fleisch ins Visier. So weigern sich Lidl und Netto immer noch, detailliert Auskunft über ihre Sojalieferkette zu geben.
Letztendlich brauchen wir verbindliche rechtliche Regelungen, am besten auf EU-Ebene, die Menschenrechtsverletzungen und Entwaldung für den Sojaanbau sicher ausschließen. Die EU hat gerade einen solchen Prozess angestoßen. Jetzt kommt es darauf an, dass genügend  Mitgliedstaaten für eine verbindliche Regelung eintreten. Bisher hat sich die Bundesregierung hier noch zu zurückhaltend gezeigt. Das muss sich ändern!