Raubbau für Geflügelfleisch

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Der Tropenwald in Brasilien und Bolivien brennt für Tierfutter
Foto ▸ Jim Wickens/Ecostorm via Mighty Earth

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Immer mehr Land für immer mehr Sojaplantagen
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Bunge und Cargill behaupten, dass sie kein Soja aus illegalem Raubbau nutzen. Dabei wurden sie gerade mit hohen Strafzalungen deswegen belegt.
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Trägt einer der größten deutschen Futtermittel- und Fleischproduzenten Mitschuld an der zum Teil illegalen Abholzung von Tropenwäldern in Süd­amerika? Vieles deutet darauf hin. ROBIN WOOD und Mighty Earth haben mit Hilfe von Satellitenbildern und Schiffs- und Navigationsdaten Schiffsbewegungen von Silos der bekannten Agrarfirmen Bunge und Cargill in Amsterdam bis hin zu Rothkötters Futtermittel-Hafen in Haren an der Ems verfolgt. Das Brisante: Bunge und Cargill sind beides Unternehmen, die jüngst von der brasilianischen Regierung mit hohen Strafzahlungen wegen illegaler Entwaldungen für den Sojaanbau belegt wurden.

Für keine anderen Nahrungsmittel der Welt wird so viel Land benötigt wie für die Herstellung von Fleisch, Milch und Eiern. Obwohl nur 17 Prozent des Kalorienbedarfs der Menschheit durch tierische Lebensmittel gedeckt wird, fordert deren Produktion 77 Prozent des globalen Agrarlands. Soja spielt dabei eine entscheidende Rolle. Als Futter kommt es hauptsächlich in der Massenproduktion von Huhn, Schwein und Rind zum Einsatz. Durch die weltweit schnell wachsende Tierproduktion hat sich die proteinreiche Bohne in den letzten Jahrzehnten rasant ausgebreitet: Über eine Million Quadratkilometer werden weltweit für den Sojaanbau genutzt, eine Fläche fast zweimal so groß wie Deutschland.
Insbesondere südamerikanische Länder haben sich als wichtige Lieferanten etabliert. Die EU ist nach China der zweitgrößte Importeur von Soja. Einzigartige und hoch diverse tropische Ökosysteme weichen industriellen Soja-Monokulturen. Durch die Sojabohne als Futterpflanze ist die Massentierproduktion eng verwoben mit der Umweltzerstörung in Südamerika. Die Entwaldung setzt gigantische Mengen an Treibhausgasen frei. Menschen werden von ihrem Land verdrängt und massiven Umweltbelastungen ausgesetzt.

Auf dem deutschen Markt spielt die Firmengruppe Rothkötter in der Sojalieferkette eine zentrale Rolle. Mit über einer Milliarde Umsatz ist die Firma eine der größten in der deutschen Agrarbranche. Die Gruppe verfügt über Futtermittelwerke, Zuchtbetriebe, Schlachtanlagen sowie LKW-Flotten und kontrolliert zahlreiche Vertragsmastbetriebe. Vom Futter bis zur Lieferung der Fleischprodukte an Discounter und Fast-Food-Ketten hat Rothkötter die gesamte Produktion in der Hand. Insbesondere in der Geflügelbranche ist die Gruppe aus dem Emsland präsent: Rothkötter ist einer der wichtigsten Geflügelfleischlieferanten für die großen Discounter LIDL, Netto Marken-Discount und ALDI Süd. Das Fleisch wird dort z.B. unter wohlklingenden Hausmarkennamen wie „Landjunker“ (LIDL), „Gut Ponholz“ (Netto) und „Meine Metzgerei“ (ALDI Süd) vertrieben. Außerdem war Rothkötter immer wieder ein wichtiger Lieferant der Fastfood-Kette McDonald’s.

Die Sojalieferkette vom Feld über die Tierproduktion bis auf den Teller der Verbraucher*innen ist lang und un­übersichtlich. Es gibt weder öffentlich zugängliche Daten über die Handelswege, noch werden diese auf Nachfrage zur Verfügung gestellt. Auch ist nicht erkennbar wie die Rückverfolgbarkeit und Einhaltung angeblicher „Nachhaltigkeitsstandards“ sichergestellt werden sollen. Eine breit angelegte Befragung der wichtigsten Fleisch- und Futtermittelproduzenten dazu von Mighty Earth und ROBIN WOOD blieb weitestgehend unbeantwortet.
 
Auch bei Rothkötter ist das Verhältnis zur Transparenz eher schwierig: Der Konzern gibt über die Herkunft seiner Rohstoffe für seine Mischfutterwerke keinerlei Auskunft. Unsere investigativen Recherchen hatten das Ziel dennoch herausfinden, woher Rothkötter das Soja für die Produktion von Futter und Fleisch bezieht – dazu haben wir die gesamte Sojalieferkette Rothkötters verfolgt, vom Sojaanbau in Südamerika bis in die Kühlregale der großen Supermarktketten und Fast-Food-Restaurants in Deutschland.

Rothkötters Soja-Connection: Aus Südamerikas Wäldern und Savannen in die Discounter

Im Zusammenhang mit dem Raubbau für den Sojaanbau fallen vor allem zwei Agrarunternehmen immer wieder auf: die US-amerikanischen Handelsfirmen Bunge und Cargill. Die beiden Firmen sind zwei der größten Rohstoffhändler, die Soja von Südamerika nach Europa verschiffen. Während vorangegangener Felduntersuchungen in Brasilien, Bolivien, Paraguay und Argentinien dokumentierte Mighty Earth Verbindungen zwischen großflächiger Entwaldungen in Südamerika und diesen beiden Rohstoffhändlern. Bei Soja von Cargill und Bunge ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass dafür Tropenwald gerodet wurde. Und das obwohl sowohl Cargill als auch Bunge Selbstverpflichtungen eingegangen sind, um Entwaldung aus ihren Lieferketten auszuschließen.

Nachweislich kaufen beide Unternehmen zudem Soja, das auf illegal gerodeten Flächen angebaut wurde. Im Mai 2018 verhängte die brasilianische Umweltbehörde IBAMA Strafzahlungen über 29 Millionen US-Dollar gegen mehrere Agrarfirmen: wegen illegaler Rodungen für den Sojaanbau. Betroffen von diesen Strafzahlungen waren auch die angeblich entwaldungsfreien US-Riesen Bunge und Cargill.
Für beide US-Firmen sind Deutschland und die Niederlande, von wo aus das Soja in großen Mengen nach Deutschland weiterverschifft wird, wichtige Märkte innerhalb Europas. Das Soja für Futtermittelproduzenten wie Rothkötter kommt u.a. über den Amsterdamer Hafen nach Europa. In Amsterdam sind auch die beiden US-Riesen Cargill und Bunge präsent. Dort besitzen sie Silos und mehrere Anlagen zum Mahlen von Sojabohnen. Um Schiffsbewegungen von diesen Anlagen zu verfolgen, nutzten wir sowohl Daten vom Automatischen Identifizierungssystem (AIS) als auch Schiffstracking Datenbanken und Satellitenaufnahmen. So konnten wir zum Beispiel im Juni regelmäßige Bewegungen des Schiffes Weslie zwischen der Bunge/Cargill Anlage im Amsterdamer Hafen und Rothkötters Futtermittel­anleger im Eurohafen in Haren dokumentieren. Dort befindet sich Rothkötters Hauptproduktionsanlage für Futtermittel. Ein starker Beleg dafür, dass Rothkötter Soja von Agrarfirmen kauft, die mit illegalen Entwaldungen in Verbindung stehen.

Freiwillige Selbstverpflichtungen der Futtermittel- und Fleischindustrie haben sich als unwirksam erwiesen, die Waldzerstörung für den Sojaanbau zu stoppen. Solche Systeme sind nur glaubhaft und wirksam, wenn sie einhergehen mit größtmöglicher Transparenz, Rückverfolgbarkeit, Erfolgskontrollen und nachprüfbaren Kriterien. Solange hierzulande Soja aus den Tropen verfüttert wird, brauchen wir deshalb ein glaubwürdiges gesetzliches System, das Sorgfaltspflichten vom Sojafeld über den Futtertrog bis in die Fleischtheke verbindlich festschreibt und Soja aus Entwaldung und Landraub sicher ausschließt.

Selbstzertifizierung ist gescheitert

Bisher existieren weder in Deutschland noch international ausreichende gesetzliche Regelungen für den Anbau von Soja. Die großen Firmen der Agrarwirtschaft profitieren direkt und indirekt von unklaren Landrechten, mangelnder Rechtsverfolgung und schwacher Umweltregulierung.

Das heutige Ausmaß der Tierproduktion in Europa ist im extremen Maße abhängig von massiven Importen von Eiweißfuttermitteln aus Übersee. Deutschland nutzt bereits 2,5 Millionen Hektar Landfläche in Südamerika für den Sojaanbau. Diese „Fremdflächennutzung“ in Entwicklungs- und Schwellenländern geht mit enormen ökologischen und sozioökonomischen Problemen einher. Allen Regulierungsbemühungen zum Trotz wird letztendlich nur eine deutliche Reduktion der Tierproduktion die dortigen Ökosysteme entlasten. Die EU und USA müssen hierbei Vorreiter*innen sein.