Neue Gefahr für Indonesiens Wälder

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Ein Medco-LKW transportiert Holz. Die Rodungen werden von der indonesischen Regierung finanziell gefördert.
Foto ▸ Albertus Vembrianto/The Gecko Project

Das Verfeuern von Holzbiomasse in Europa ist eine riesige Gefahr für unsere Wälder. Auch auf der anderen Seite der Erde soll damit nun die Energiebilanz grüner gerechnet werden.

Deutschland: Im Zuge des Kohleausstiegs macht die Bundesregierung der Energiewirtschaft den Umstieg auf das Geschäft mit Biomasse mit großen Fördersummen schmackhaft. Dabei gefährdet die Verbrennung von Holzbiomasse in umgerüsteten Großkraftwerken die Energiewende. Es werden nicht nur unzählige wertvolle Wälder verfeuert, es wird damit auch die Klimakrise weiter angefacht – denn so viel Holz wie benötigt würde, kann in absehbarer Zeit nicht nachwachsen.

Indonesien: Das sogenannte co-firing Programm der Regierung, bei dem der Anteil von Kohle in der Energieerzeugung reduziert werden soll, gefährdet mehr als eine Million Hektar Regenwald. Denn um Platz für Akazien- und Eukalyptusplantagen zu schaffen, sollen natürliche Wälder gerodet werden. Dadurch wird unterm Strich nicht nur mehr Kohlenstoff freigesetzt – auch die artenreichen Lebensräume werden zerstört und die Nahrungssicherheit lokaler Gemeinschaften gefährdet.

Warum ist die neue Forstkonzes­sion eine Gefahr für die naturnahen Wälder in Indonesien?

Die Konzessionen, auf denen Holzbiomasse produziert werden soll, sind ganz neu. Hutan Tanaman Energi (HTE) heißen sie und sind allein zur Energieholz-Produktion vorgesehen. Auf diesen Flächen wachsen genau wie auf den benachbarten Hutan Tanaman Industri (HTI)-Konzessionen Akazien oder Eukalyptus, die vor allem von der Papier- und Zellstoffindustrie verarbeitet werden. Warum also eine neue Konzession? Da diese neue Konzession Teil der indonesischen Energiewende ist und die Emissionen der Energieversorgung durch das Verbrennen von Holzbiomasse – zumindest auf dem Papier – gesenkt werden soll, gelten besondere Regeln.

Zurzeit sind elf Millionen Hektar Wald als HTI ausgewiesen. Wegen verschiedener Richtlinien gegen Abholzung wurde davon bisher nur etwa die Hälfte in Plantagen umgewandelt. Etwa drei Millionen Hektar der Konzessionsflächen sind mit naturnahen Wäldern bedeckt.

Durch das sogenannte „job-creation-law“ können aber diese HTI-Flächen in HTE-Flächen umgewandelt werden. Und für letztere gelten all die oben erwähnten Richtlinien nicht, so dass die bisher geschützten Wälder gerodet werden können, um Plantagen anzulegen.

Besonders bitter ist, dass die HTE-Konzessionen nach nur fünf Jahren wieder zu HTI-Konzessionen umgewidmet werden können und damit faktisch alle Ambitionen für den Schutz der Wälder außer Kraft gesetzt werden. Insgesamt werden nach einem Bericht von Trend Asia fast zwölf Millionen Hektar an HTE-Flächen benötigt, um allein den Bedarf der co-firing Kraftwerke zu decken: Der Kohle werden zehn Prozent Holzbiomasse beigemischt – so soll alles ein bisschen „grüner“ werden.

Forest Watch Indonesia (FWI) vermutet, dass mit diesem Programm nur die Erschließung von intakten Regenwäldern angestoßen werden soll, wie schon vor Jahren bei den HTI-Konzessionen. Der grüne Anstrich soll davon ablenken, dass wirtschaftliches Wachstum durch den Export von Holzbiomasse im Zentrum der Aktivitäten steht – auf Java gibt es tatsächlich schon eine Überversorgung.

Außerdem könne die Energieversorgung kleiner Inseln, die noch von  Dieselkraftwerken abhängig sind, durch das Verbrennen von Biomasse ersetzt werden. FWI warnt dringend davor, denn das würde bedeuten, dass tausende kleiner Biomasse-Kraftwerken gebaut und damit die Entwaldungsrate in ganz Indonesien dramatisch ansteigen würde.

Kohlestrom für die Industrie

Neben diesem Konzessionsgewirr stellen andere Entwicklungen die Ambitionen Indonesiens zum Klimaschutz komplett in Frage. Denn weder der Kohleabbau noch der Verbrauch von Kohle gehen in Indonesien zurück. 2022 hat Indonesien 33 Prozent mehr Kohle verbrannt als im Jahr zuvor. Tatsächlich sind erst kürzlich zahlreiche neue Kohlekraftwerke ans Netz gegangen, weitere werden noch gebaut. Denn Indonesien soll wachsen, auch die Industrie. Unter anderem soll die sehr energieintensive Aufbereitung von Nickel für die Batterieherstellung ausgebaut werden – damit im Rest der Welt E-Autos angetrieben werden.

Agung Ady Setyawan, FWI, sagt dazu: „Die Idee, Kohle gemeinsam mit Biomasse zu verbrennen, ist gewissenlos. Tatsächlich nimmt die Kohleproduktion in Indonesien immer weiter zu. Die Nachfrage nach Biomasse erhöht nur die Bedrohung für die verbliebenen natürlichen Wälder. Ganz zu schweigen von der Behauptung, dies sei eine grüne Energie, ist dies für uns eine verkehrte Lösung.“

Fallbeispiel Papua

Besonders eindrücklich zeigt sich die Absurdität in Papua. Für ein Projekt der Medco Gruppe wurden dort tausende Hektar Regenwald gerodet. Eine Holz-Plantage sollte errichtet werden, um genügend Brennmaterial für ein Biomasse-Kraftwerk erzeugen zu können. Die Rodung zerstörte auch Land des indigenen Volkes der Marind, das ihnen zur traditionellen Nahrungsmittelversorgung diente. Zwar stoppte Medco seine Aktivitäten 2014, weil die Finanzierung nicht sichergestellt war. Doch nun wurde es mit Mitteln der Regierung wieder angeschoben – um sicherzustellen, dass Indonesien  seinen Verpflichtungen in Bezug auf die Klimakrise nachkommt. Dieselbe Behörde, die das Biomasse-Kraftwerk von Medco finanzierte, hat auch internationale Gelder des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen und der norwegischen Regierung bekommen, um Wälder und Moore zu schützen. Trotzdem wurden Regenwälder in Papua in einer Region mit riesigem Artenreichtum gerodet, um den Kohleverbrauch einer Nation zu senken, die gleichzeitig immer neue Kohlekraftwerke baut.

Letztlich aber läuft in Deutschland und in ganz Europa vieles ähnlich. Zum Beispiel ist das Verbrennen von Holz in Großkraftwerken laut der Erneuerbaren Energien Richtlinie (RED) klimaneutral; Gas und Atom wurden in die EU-Taxonomie aufgenommen und können – weil sie per Definition nun umweltfreundliche Energieträger sind – finanziell gefördert werden. Wenn wir so weitermachen, dann rennen wir mitten hinein in den brennenden Wald und hoffen, dass die Klimakrise verschwindet, wenn wir nur ganz fest daran glauben.

HTI – Hutan Tanaman Industri:
Konzession für die Papier- und Zellstoffindustrie. Staatliche Regelungen zum Schutz naturnaher Wälder gelten hier. HTI-Flächen können in HTE-Flächen umgewandelt werden.

HTE – Hutan Taman Energie:
Konzession zur Energieholzgewinnung. Staatliche Regelungen zum Schutz naturnaher Wälder sind im Rahmen dieser Konzessionen außer Kraft gesetzt.