Kein Handel mit russischem Holz!

Der Krieg in der Ukraine schockiert uns alle zutiefst. Neben dem unsäglichen direkten Leid der Menschen hat der Krieg auch Auswirkungen auf alle Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens. Auch die Wälder und der Holzhandel sind davon betroffen.

Schon immer zogen Kriege die Wälder in Mitleidenschaft. Sei es, weil sie für den Hunger der Rüstungsindustrie gebraucht wurden oder weil sie von gegnerischen Kriegsparteien zerstört wurden. Manchmal waren sie die letzte verbliebene Quelle an Nahrungsmitteln und Rohstoffen der kriegsgebeutelten Bevölkerung. Schon immer nutzen auch Flüchtende ihren Schutz.

Anfang Januar verhängte Putin ein Exportverbot für Rundholz

Russland ist bzw. war der größte Holzexporteur der Welt. Nach Recherchen von Wood Resources International exportierte Russland 2020 rund 15 Mio. Kubikmeter Rundholz. Das entspricht annähernd 12 Prozent des weltweit gehandelten Rundholzes.
Seit Anfang des Jahres 2022 brach dieser Markt ein, da Präsident Putin schon zum 1. Januar ein Exportverbot verhängte, um die russische Holzverarbeitung zu unterstützen. Seit Beginn des Kriegs kam jedoch auch der restliche Import und Export von Holz und Holzprodukten zwischen der Europäischen Union und Russland weitestgehend zum Erliegen.

Bereits am 2. März kündige Stora Enzo, das zweitgrößte Forstunternehmen der Welt, an, die Produktion und den Verkauf in Russland und auch alle Ex- und Importe nach und aus Russland bis auf Weiteres einzustellen. Einen Tag später, am 3. März, schlossen sich das Möbelunternehmen IKEA und das größte genossenschaftlich organisierte Forst- und Papierunternehmen Europas, die Metsä Group, mit ähnlich lautenden Mitteilungen an.

Am 9. März zog der größte Papierkonzern Europas, UPM, nach. Er hatte bereits am 3. März den Export nach Russland gestoppt. Eine Woche später entschied UPM den Einkauf russischen Holzes einzustellen. Die vier Unternehmen blieben vorerst die einzigen, die sich zu dieser vorbildlich schnellen Reaktion entschieden. Daran änderte auch der Aufruf von 120 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen nichts, die Einfuhr aller Arten von russischem und weißrussischem Holz und Holzprodukten einschließlich aller Papierprodukte, Möbel und Möbelteile, Pellets und Schnittholz zu verbieten. Zumindest die drei großen Zertifizierer für Holz, FSC, PEFC und SPB, entschieden sich am 8. bzw. 9. März, Holz und Holzprodukte aus Russland und Belarus von ihren zertifizierten Produkten auszuschließen.
 
Am 11. März veröffentlichte die Organisation Earthsight eine Recherche, nach der „russische Oligarchen mit engen, seit langem bestehenden Verbindungen zu Wladimir Putin hinter den größten Holzeinschlagsunternehmen und Exporteuren von Holzprodukten des Landes stehen.“ Die „Unternehmen (…) gehören zu den größten Exporteuren von russischem Holz nach Europa, in die USA und nach Japan. Ihr Schnittholz, Sperrholz und Papier wird von großen Einzelhandelsketten wie Leroy Merlin verkauft, in hochkarätigen Bauprojekten wie für die Olympischen Spiele in London und dem Trump Tower Toronto sowie in der Verpackung von Mars und Kitkat-Süßigkeiten verwendet. Gemeinsam kontrollieren diese mit Oligarchen verbundenen Unternehmen russische Wälder, die zusammen so groß sind wie Frankreich. Wälder, in denen wertvolle Wildtiere wie sibirische Tiger, Luchse und Braunbären leben. Viele der hier vorgestellten Lieferanten und Käufer wurden bereits wegen illegaler oder zerstörerischer Abholzung hochwertiger Wälder in Russland oder wegen des Kaufs von illegalem russischem Holz aufgedeckt.“ Diese Recherche machte klar, dass der freiwillige Handelsverzicht einzelner Unternehmen nicht ausreicht, damit die Holzbranche nicht in Putins Kriegskasse einzahlt.

Am 11. März schlug das russische Industrie- und Handelsministerium höchst selbst vor, die Ausfuhr von Holz und holzverwandten Produkten wie Rohstoffen für die Papier- und Sperrholzproduktion in „unfreundliche Länder“ bis zum Ende dieses Jahres zu verbieten. So war die Europäische Union in ihrer schleppenden Entscheidungsfindung aus dem Schneider. Die Europäische Kommission und die national zuständigen Behörden aus 27 europäischen Ländern, die meisten davon EU-Mitgliedstaaten, rangen sich dann am 16. März durch, zumindest die Einfuhr von Holz und Holzerzeugnissen aus Belarus unter Strafe zu stellen. Erst am 8. April wurden derartige Regelungen auch für Holz und Holzprodukte aus Russland entschieden.  Die Umbrüche im Holzhandel verursachten bereits Anfang März einen Preisanstieg in Österreich und Deutschland von Holz von rund 20 Prozent.

Die ukrainischen Wälder für die russische Armee?

Ein gänzlich anderes die Wälder betreffendes, verstörendes Dokument veröffentlichte der ukrainische Geheimdienst am 16. März: Danach plane Russland eine massive Abholzung der ukrainischen Wälder, um Platz für Befestigungen, Verteidigungsanlagen und andere militärische Zwecke zu schaffen und den Erlös aus dem Holz dem russischen Verteidigungsministerium zur Verfügung zu stellen. „Das letzte Mal, dass dies auf dem Territorium der Ukraine geschah, war während der Nazi-Besetzung“, so das Direktorat des ukrainischen Geheimdienstes, „als die Invasoren materielle und natürliche Werte zerstörten und exportierten.“ Ein Ökozid sei geplant. Das Dokument konnte nicht eindeutig auf Echtheit überprüft werden, zeigt aber, zu welch einem Politikum das Ökosystem Wald im Krieg werden kann.

Der Wald als Zufluchtsort?

Viele Flüchtende, die in den letzten Monaten hinter der ukrainischen Grenze in den polnischen Wäldern Zuflucht suchten, fühlten sich dort keinesfalls sicher. Nicht möglich? Doch!
Und zwar erlebten das all die Menschen, die auf der Flucht aus Afghanistan, Syrien und anderen außereuropäisches Ländern waren und sind. Sie frieren und leiden in den Wäldern Polens, nachdem sie die belarussisch-polnische Grenze übertreten haben. Sie harren dort aus und es ist unter Strafe gestellt, ihnen Essen, Medizin und andere Hilfe zukommen zu lassen.

Denn so wundervoll und richtig die unendliche Hilfsbereitschaft gegenüber den flüchtenden Menschen aus der Ukraine ist, so unbarmherzig und unmenschlich tritt die „Festung Europa“ Menschen gegenüber auf, die aus anderen Kriegs- und Krisengebieten über die Route Belarus-Polen bei uns Zuflucht suchen. Die wenigen Aktivist*innen, die trotz der drohenden Strafen helfen, sind die wahren Held*innen der Geflüchtetenarbeit Polens. Die Grenzwälder Polens sind stumme Zeugen dieser fortwährenden europäischen Menschenverachtung.

Der Wald und die Energiepolitik

Mit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine ging auch ein Ruck durch die europäische Energiepolitik. Die Abhängigkeit von russischem Gas wurde schlagartig zum Problem. Schnell wurden Rufe nach einem Stopp des Kohleausstiegs und gar nach einer Rückkehr zum Atomzeitalter laut. Die ersten praktischen Schritte der Bundesregierung verhießen nichts Gutes: Flüssiggasterminals in deutschen Häfen und Habecks Besuch in Katar zementierten klima- und artenschädliche Wärme- und Energiestrategien, soziale Ungleichheiten und die Abhängigkeit von despotischen und menschenrechtsverletzenden Staaten. Dem Ausbau von Erneuerbaren Energien wurde unterdes weit weniger Raum eingeräumt. Und dazu – als könne es immer noch schlimmer kommen – wurde der Rohstoff Holz von der Energieholzlobby mit Nachdruck als Austauschstoff für Gas und Kohle ins Gespräch gebracht.

Die österreichische Holz- und Biomassebranche reagierte schon am 2. März mit einer gemeinsamen Pressemitteilung. Sie forderte einen massiven Ausbau der Biomasse, unterstützt durch staatliche Subventionen von zwei Milliarden Euro. Und das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klima ließ bei der Vorstellung der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes am 3. März verlautbaren, es könne kurzfristig zu einer Stärkung der Bioenergie kommen.
Die EU reagierte hingegen in ihrem am 3. März mit einem aufgrund der russischen Invasion der Ukraine erstellten Energieplans dagegen einigermaßen besonnen – kein Ruf nach Kohle- oder Atomenergie. Die EU bleibt bei Gas, Gas und nochmals Gas und nennt als weitere Maßnahme den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Biomasse oder gar Energieholz werden nicht explizit genannt. Für den privaten Sektor ist jedoch schon eine starke Zunahme an Brennholzkäufen und Pelletkäufen auszumachen. Viele Hausbesitzende füllen bereist jetzt, also weitaus früher als sonst, ihre Holzlager für den nächsten Winter.

Krieg und Wald - ein Fazit

Der Krieg Russlands in der Ukraine wirbelt den Holzmarkt Europas durcheinander. Russland als größter Holzexporteur der Welt, ist raus aus dem Geschäft – zumindest aus dem europäischen. Das ist richtig so. Angesichts eines in Europa tobenden Kriege sollten Preissteigerungen beim wertvollen Rohstoff Holz tragbar sein. Was diese Marktverschiebung konkret für die Wälder bedeutet, kann bisher nur gemutmaßt werden. Im besten Falle wird global deutlich sparsamer mit dem Rohstoff Holz umgegangen. Wahrscheinlicher ist die schnelle Kompensation des Holzmangels durch eine Steigerung des Abholzens anderer wertvoller Wälder, z.B. in den Karpaten oder in Skandinavien. Im schlimmsten Fall verlieren wir zeitgleich auch die russischen Wälder an die Rüstungsindustrie.
Schon immer haben die Wälder unter den Kriegen gelitten. Und die mutwillige Zerstörung von Ökosystemen der gegnerische Kriegspartei ist altbekannte, traurige Praxis. Doch was uns und die Wälder noch grundlegender und weitreichender treffen wird, ist der mögliche Trend, aufgrund des Wegfalls von russischem Gas die großindustrielle Verbrennung von Wäldern voranzutreiben. Mit unserer ROBIN WOOD-Kampagne gegen das Verfeuern von Wäldern zeigen wir schon lange, wie hoch der Druck auf die Wälder weltweit durch den europäischen Energiehunger ist.

Der Zusammenhang zwischen steigenden Abholzungen und Kahlschlägen und dem Bedarf an Energieholz ist im letzten Jahrzehnt unübersehbar. Wir dürfen das CO2 unserer Wälder nicht noch beschleunigter in die Atmosphäre blasen, wertvolle Habitate zerstören und uns der Klimaminderungsleistung der Wälder entledigen!
Wenn wir diesem Trend jetzt keinen Riegel vorschieben, hat Putin einen erheblichen und über Jahrzehnte hinweg wirkenden Beitrag dazu geleistete, unsere Klimaziele zu verfehlen und den Planeten an zuheizen. Ein erster wichtiger Schritt wäre es, Holz in der Erneuerbaren-Energie- Richtlinie der EU nicht mehr als erneuerbare Energie und damit nicht mehr als förderungswürdig zu bewerten. Der Krieg darf nicht vor dem Hintergrund einer seit Jahrzehnten vermasselten Energie- und Wärmewende dazu führen, dass nun unsere Wälder verfeuert werden. Gerade auch in Kriegszeiten müssen wir in Europa jetzt die richtigen Signale senden, dass auch dem Artensterben und der Klimakrise strikt begegnet wird. Unsere Wälder müssen deshalb unantastbar werden für die Verbrennungskessel der Kraftwerke – für den Frieden!