Desaster fürs Klima

Der in weiten Teilen Europas begonnene Kohleausstieg läuft zwar viel zu langsam, sollte aber trotzdem eine gute Nachricht für das Klima sein. Leider ist dies nicht immer der Fall, denn zunehmend werden in Europa Kohlekraftwerk nicht abgeschaltet, sondern auf andere kohlenstoffreiche Brennstoffe wie Holz und Gas umgestellt. Dass fossiles Gas den Klimanotstand anheizt, ist bekannt. Weniger bekannt sind die negativen Folgen, wenn von Kohle auf Holz umgestellt wird.

Das erste Land, das die Umstellung von Kohle auf Biomasse in Angriff nahm, war Großbritannien. Dort hat das britische Energieunternehmen Drax Group plc mehr als die Hälfte seiner Kraftwerkskapazität auf Holzpellets umgestellt. Pellets aus dem Frischholz langsam wachsender Bäume ist das einzige Biomasseprodukt, das in den meisten umgewandelten Kohlekraftwerken verbrannt werden kann. Das für die Pellets benötigte Holz wird komplett importiert, denn es wird jedes Jahr mehr Holz verbrannt, als das Vereinigte Königreich produziert.

Drax lässt für den Großteil seiner Pellets Laubwälder im Südosten der USA kahlschlagen. In einer Waldregion, die im Herzen eines globalen Biodiversitäts-Hotspots liegt. Laut der US-amerikanischen Naturschutzorganisation Dogwood Alliance „verwüstet das Unternehmen Enviva Biomass zehntausende Hektar Wald im Süden der USA und verschifft sie nach Übersee, um sie für schmutzige Biomasseenergie zu verbrennen – und schadet damit unseren Wäldern, Gemeinden und unserem Klima bei jedem einzelnen Schritt dieser Lieferkette.“

Enviva ist weltweit der größte Holzpelletproduzent, der in Nordamerika wirtschaftet und eine wachsende Zahl von Energieunternehmen in Europa und darüber hinaus beliefert. Drax kauft nicht nur große Mengen Pellets von Enviva, sondern eröffnete auch eigene Pelletwerke in der gleichen Region. Das Holz stammt zum größten Teil aus Monokultur-Kiefernforsten.
Auf den ersten Blick klingt dies nach einer guten Alternative zur Abholzung artenreicher Wäldern. In Wirklichkeit dehnen sich die monotonen Baumplantagen in der gesamten Region auf Kosten der Tierwelt und der kohlenstoffreichen Wälder weiter aus. Die rasch wachsende Nachfrage nach Holzpellets wird die Situation nur noch verschlimmern.
Für das Klima macht es kaum einen Unterschied, wie oder wo Bäume für Bioenergie gefällt werden. 800 Wissenschaftler*innen erklärten in einem offenen Brief an die EU: „Selbst wenn die Wälder wieder nachwachsen dürfen, wird die Nutzung von gezielt für die Verbrennung geerntetem Holz den Kohlenstoff in der Atmosphäre und die Erwärmung für Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte erhöhen, selbst wenn es Kohle, Öl oder Erdgas ersetzt. Das zeigten viele Studien. Die Faktoren dafür sind grundlegender Natur und treten unabhängig davon auf, ob die Waldbewirtschaftung nachhaltig ist“.

Energie- und Pelletfirmen sprechen oft von der Verwendung von Reststoffen, aber es gibt nicht genug Sägewerksreste, um mehr als einen Bruchteil der Nachfrage von Drax und anderen großen Biomasseanlagen zu decken. Häufig deklarieren Unternehmen wie Enviva gesunde Bäume als Reststoffe, nur weil sie nicht die optimale Größe für Sägewerke haben. Und selbst wenn Sägewerksreste zur Energiegewinnung verbrannt werden, zeigt eine Studie, dass die Auswirkungen auf das Klima nicht mit der Aufgabe vereinbar sind, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Vorsicht vor der Umwandlung von Kohlekraftwerken in Biomassekraftwerke in Deutschland

Auch deutsche Energieunternehmen, insbesondere RWE in den Niederlanden, verbrennen große Mengen Holzpellets aus dem Südosten der USA. Aber auch in Estland werden Flächen kahlgeschlagen, um Pellets aus ganzen Baumstämmen aller Größenklassen herzustellen. Die Abholzungsrate Estlands liegt weit über der Rate, mit der der in den Wäldern des Landes gespeicherte und gebundene Kohlenstoffanteil stabil gehalten werden könnte. Die dortigen Abholzungspraktiken schaden bedrohten und gefährdeten Arten wie dem Flughörnchen und dem Schwarzstorch erheblich.

Die Umstellung von Kohle auf Biomasse kann nicht ohne hohe Subventionen erfolgen. Die Subventionen für Drax belaufen sich auf 1,5 Millionen Euro pro Tag und das Unternehmen müsste schließen, wenn dieser Betrag wesentlich gekürzt würde.
In Deutschland gibt es bisher keine derartigen Subventionen. Die Lobby­arbeit der Industrie hat jedoch bereits begonnen. Steag und RWE fordern bereits Subventionen. Vattenfall und VVG wollen die Umstellung der Anlagen in Hannover und Moorburg auf Holzpellets unterstützen. Da die Energiekonzerne Kompensationen für die Stilllegung von Kohlekraftwerken fordern, wird der Druck auf die Politik weiter wachsen, die Umstellung auf Biomasse zu subventionieren. Enviva sieht ein „realistisches“ Potenzial für bis zu vier Gigawatt coal-to-biomass-Umwandlungen.
Das sind zwar weniger als ein Fünftel der deutschen Kohlekapazität, aber es würde doppelt so viel Holz benötigt wie Drax bisher jährlich verbrennt. Die Folgen für die Wälder und das Klima wären verheerend und keinen Deut besser als bei der Kohleverbrennung.

Zusätzlich könnte eine Erhöhung der Kohlendioxidsteuer ein Anreiz sein, um Anlagen auf Biomasse umzurüsten, falls diese Steuer zwar Emissionen aus Kohle berücksichtigt, aber die Klimaauswirkungen der Verbrennung von Holz zur Energiegewinnung im gleichen Zuge nicht veranschlagt.

Wenn der Ausstieg aus der deutschen Steinkohle zur Eindämmung der eskalierenden Klimakrise beitragen soll, muss dies viel schneller geschehen, als es die Regierung beabsichtigt. Auch muss die Klimabewegung dafür kämpfen, dass Kohlekraftwerke tatsächlich stillgelegt und nicht für die Verbrennung von Biomasse oder gar fossilem Gas umgebaut werden.

Wie das übrige Europa braucht Deutschland einen schnellen Übergang zu einer Niedrig­energie-Gesellschaft, die mit kohlenstoffarmen, sauberen Erneuerbaren Energien betrieben wird. Alle Energiesubventionen müssen für dieses Ziel eingesetzt werden.

 

Almuth Ernsting lebt in Schottland und ist Mitbegründerin der 2006 gegründeten Bioenergie-kritischen Organisation Biofuelwatch. Sie hat die Auswirkungen verschiedener Formen von Bioenergie untersucht und sich für energiepolitische Reformen eingesetzt: wie zum Beispiel die Haus­isolierung und den Energieverbrauch zu verringern.