Autokonzerne entmachten, Klima schützen

Schon lange engagieren sich Fahrrad- und Fußverkehrsverbände für eine zukunftsfähige Verkehrswende. Doch spätestens seit diesem Jahr scheint das Thema nun endgültig auf der Agenda der Klimagerechtigkeitsbewegung angekommen zu sein – nach der Kohle ist jetzt auch der Verkehr dran. Innerhalb der letzten 12 Monate gab es gleich mehrere medienwirksame Proteste und Aktionen, die sich gegen die Dominanz des Autoverkehrs richteten – angefangen von „Ende Geländewagen“, einer Massenaktion zivilen Ungehorsams in München, einer ROBIN WOOD-Protest-Aktion bei der VW-Jahreshauptversammlung in Berlin unter dem Motto #VWtötet, einer spektakulären Gleisblockade der „Aktion Autofrei“ in Wolfsburg bis hin zu Straßenblockaden von Wien bis nach Kiel.

Die Bewegung für eine sozial-ökologische Verkehrswende wächst auch deswegen, weil der Diskurs um die Bedeutung des Verkehrssektors für das Klima an Fahrt gewonnen hat. Um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, müsste der Verkehrssektor bis zum Jahr 2035 CO2-frei sein. Doch das Gegenteil passiert: Seit 1990 sind die CO2-Emissionen im Verkehrssektor gestiegen, unter anderem aufgrund steigender Fahrzeugzahlen sowie größer und schwerer werdender Modelle. Unterstützung für eine Verkehrswende kommt aber auch von vielen Menschen, die bereits unter verstopften Innenstädten, Feinstaubbelastung, dem hohen Flächenverbrauch des Autoverkehrs und Verkehrsunfällen leiden.

Erstmals in diesem Jahr wurde die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt Ziel breiter Proteste. Die bisher größte Automesse der Welt, auf der sich die mächtige Autolobby und Politik treffen, wurde als symbolischer Ort ausgewählt, um gegen die Übermacht der Autokonzerne zu protestieren. Bei einer von einem breiten Bündnis aus Umwelt- und Fahrradverbänden getragenen Großdemonstration am 14. September haben so viele Menschen wie nie zuvor zu Fuß und auf dem Rad für eine Verkehrswende demonstriert: 25.000 Menschen wurden bei der IAA-Demo gezählt – ein beeindruckendes Zeichen dafür, dass die Zukunft der Mobilität neu gedacht werden muss. Obwohl immer weniger Hersteller auf der IAA ausstellen und sich die deutsche Autobranche nicht zuletzt wegen des Dieselskandals und lauter werdender Kritik an der Macht der Autolobby in einer Krise befindet, versucht die Branche auf der IAA, das eigene Image zu retten. Durch das Ausstellen von E-Autos versuchen sie sich selbst einen grünen Anstrich zu verpassen. Gleichzeitig sind aber auch unzählige SUVs auf der Automesse ausgestellt: Die real steigenden Verkaufszahlen von Geländewagen sprechen nicht gerade dafür, dass die Autobranche die Zeichen der Zeit erkannt hätte.

Nicht nur auf der IAA wird Elektromobilität derzeit als eine der Lösungen der Klimakrise präsentiert. Dabei sind E-Autos nur eine Scheinlösung. Denn auch Elektroautos verursachen Lärm und Feinstaubbelastung und beanspruchen wertvollen Platz in den Innenstädten. Ihre Produktion verursacht einen hohen Energieverbrauch, die mit CO2-Emissionen einhergeht – und die Energie, die E-Autos zum Fahren benötigen, kommt noch nicht zu 100% aus Erneuerbaren Quellen. Außerdem werden die metallischen Rohstoffe, die in großen Mengen in jedem Auto stecken, unter oft katastrophalen Bedingungen für Mensch und Umwelt in Ländern des Globalen Südens abgebaut. Wir brauchen deshalb vor allem einen Umstieg auf andere Verkehrsmittel, denn die effizienteste Elektromobilität rollt auf der Schiene.

Gegen die Scheinlösungen der Automobilindustrie protestierte auch das Aktionsbündnis Sand im Getriebe am Sonntag des IAA-Eröffnungswochenendes. Mit einer Massenaktion zivilen Ungehorsams holte Sand im Getriebe den Protest für eine klimagerechte Mobilität direkt vor die Tore der Frankfurter Messe. Unter kreativen Mottos wie „RADikal autofrei“ oder „Spielplätze statt Parkplätze“ beteiligten sich etwa 1000 Aktivist*innen in mehreren „Fingern“ an Sitzblockaden und einer Fahrraddemo, welche die Blockaden unterstützte. So konnte der Messeablauf über Stunden gestört werden: Mehrere Eingänge wurden blockiert und der Fahrradfinger störte Shuttlebusse, mit denen die Messebesucher*innen zu anderen Eingängen gefahren werden sollten.

Aktive von ROBIN WOOD waren mit einer spektakulären Aktion dabei: Mit zehn aufblasbaren Riesenwürfeln, auf denen die Forderung „AUTOFREI“ prangte, beteiligten sie sich gut sichtbar an den Protesten. Die ROBIN WOOD-Aktivist*innen unterstrichen damit ihre Forderung nach einer Abkehr vom motorisierten Individualverkehr und einem Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Solidarisch begleitet wurde die Aktion durch eine Fahrraddemo, Mahnwachen u.a. von Scientists For Future und Attac, sowie eine Demo von Climate Justice Frankfurt. Außerdem gab es unabhängige Kleingruppenaktionen und eine Kletterblockade auf der nordwestlichen Zufahrtsstraße zum Messegelände, welche die Gesamt-Protest-Choreographie unterstützten.

Bereits im Vorfeld wurde viel über die Aktion berichtet, war es doch das erste Mal, dass die IAA Ziel massiver Proteste wurde. Im Nachgang der Aktion wurde ein medialer Diskurs über den (Un-)Sinn einer Automesse in Zeiten der Klimakrise angestoßen. In diesem Zuge diskutierte der hessische Landtag darüber, ob die IAA in Frankfurt bleiben soll oder nicht - und es gibt bereits mehrere andere Städte, die ofizziell Interesse an der Ausrichtung der nächsten IAA im Jahr 2021 angekündigt haben (u.a. Berlin, Hamburg, Köln und München). Doch eines ist sicher: Autos sind ein Auslaufmodell, und wer die IAA veranstaltet, darf auch in den kommenden Jahren mit vielfältigem Protest rechnen.