Februar 2020 in Brüssel aktiv: ROBIN WOOD protestierte gegen den Raubbau in rumänischen Urwäldern

9. Juni: Europawahl

Für Natur und Umwelt

04. Juni 2024
Rhaphael Weyland
NABU, Brüssel
Magazin

Dass am 9. Juni die Menschen in Europa wählen gehen, ist der dringende Wunsch  von Raphael Weyland, langjähriger Akivist bei ROBIN WOOD. Jetzt arbeitet er für den Natur- und Umweltschutzverein NABU in Brüssel.

 

Wie engagierst du dich für Natur und Umwelt auf europäischer Ebene?

Vor neun Jahren habe ich Hamburg den Rücken gekehrt, um in Brüssel für den Natur- und Umweltschutzverein NABU zu arbeiten. Ich war langjähriger Aktivst bei ROBIN WOOD. Ich verfolge aber noch interessiert das Vereinsgeschehen und als  kürzlich der Redaktionsschluss für dieses Magazin bekannt gegeben wurde, dachte ich gleich: Hier muss ein Beitrag zur Europawahl rein. Auch in unserem Aktivist*innen-Kreis wird noch viel zu wenig über diese für die Natur und Umwelt wichtige Wahl gesprochen. Und auch bei uns höre ich immer wieder Stimmen, die meinen: Warum soll ich überhaupt wählen gehen, das bringt doch alles eh nichts.

Warum braucht es Umweltgesetze auf EU-Ebene?

Das ist recht eindeutig: Umweltverschmutzung macht nicht an Ländergrenzen halt. Es reicht also nicht aus, Luft- oder Gewässerverschmutzung nur in einem Staat adressieren zu wollen. Hinzu kommt, dass größere Transformationsherausforderungen nicht durch einen Akteur allein gelöst werden können. Dies gilt beispielsweise für das Aus der ineffizienten Glühbirne oder vielleicht auch des Verbrenner-Motors. Hier ist die Europäische Union (EU) eine mögliche Regelungsebene.

Niemand kann sagen, dass gemeinsame Standards zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führen. Der Staatenverbund der 27 EU-Mitgliedstaaten ist zugleich – auch wenn es auch dort nicht immer ganz leicht ist – handlungsfähiger als beispielsweise die Ebene des globalen Völkerrechts. Der globalen Ebene mangelt es zudem an Durchsetzungsinstrumenten. In der EU haben wir immerhin den Europäischen Gerichtshof.

Was macht die EU denn zum Beispiel für den Natur-, Umwelt- und Klimaschutz?

Es gibt ein gutes Grundgerüst an EU-Umweltrecht. Im Bereich Naturschutz hat die EU mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie von 1992 beispielsweise die Grundlage für das größte Schutzgebietsnetz weltweit (Natura 2000) geschaffen. Auch die Versuche, durch die Novelle der deutschen Düngeverordnung die Nitratbelastungen des Grundwassers zu reduzieren, gehen auf die Nitrat-Richtlinie der EU zurück.

Gleiches gilt für prozedurale Instrumente wie die Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorgaben zur Verbandsbeteiligung. Diese Regeln werden leider von den EU-Mitgliedstaaten, auch Deutschland, oft nicht vollständig umgesetzt. Sie erlauben es uns aber immer wieder, Druck auf den Bund und die Bundesländer auszuüben.

Was können wir vom neuen EU-Parlament erwarten?

Die aktuelle Legislatur wurde von einer Schwerpunktsetzung für die Umwelt geprägt. Als Reaktion auf die Proteste der Fridays for Future legte die Europäische Kommission den Europäischen Green Deal vor. Auf diesen stützt sich zum Beispiel das EU Climate Law. Im Landnutzungssektor sieht es nicht so gut aus. Hier hat sich die Kommission nicht getraut, das Förderinstrument der Gemeinsamen Agrarpolitik zu ergrünen. Derzeit werden angesichts der Bauernproteste sogar bestehende Umweltauflagen aufgegeben.
Auch die Verordnung zur Reduktion von Pestiziden ist am Widerstand vor allem der Konservativen gescheitert. Und die Wahlprognosen zeigen für die Europawahl leider in ähnliche Richtung wie Prognosen für anstehende Landtagswahlen in Deutschland. 
Jüngste Abstimmungen im Europäischen Parlament machen aber deutlich, dass es auf jede Stimme ankommt. Daher ist es so wichtig, bei der Wahl ein Zeichen für die Fortsetzung des Europäischen Green Deals zu setzen. Denn wie genau gewählt wird, entscheidet sich erst kurz vor der Wahl.

Was kann jede/jeder ganz konkret tun?

Zuallererst sollte sich jede*r aus den oben gezeigten Gründen für das Thema interessieren. Die EU ist dabei weniger bürokratisch als immer behauptet wird.
Konsultationen über Gesetzesvorhaben sind zwar „nerdy“, aber in der Regel immerhin frühzeitig und online für alle verfügbar, anders als beispielsweise auf Bundes- oder Landesebene. Abgeordnete laden ihre Wahlkreise vielfach zu Brüssel-Fahrten ein.

Und das Argument der überbordenden Bürokratie lasse ich auch nicht gelten. Bei der EU-Kommission sind weniger Mitarbeiter*innen angestellt als beispielsweise bei der Stadtverwaltung von München. 
Deswegen bin ich überzeugt, dass wir am Wahltag nicht zu Hause bleiben dürfen. Das erste Mal können Menschen  ab 16 wählen. Die Wahlbeteiligung lag das letzte Mal bei nur 61 Prozent. Jede Stimme für eine demokratische Partei hilft, rechtspopulistischen Tendenzen entgegenzutreten.

Und dann bitte ich euch, genau hinzuschauen. Klar, ich kann keine Wahlempfehlung geben. Aber das Abstimmverhalten der letzten Jahre verdeutlicht, wofür welche Partei steht, und das ist ziemlich eindeutig.

Die Auswertung der Brüsseler Umweltverbände zeigt, dass rechtsnationalistische Parteien wie die AFD und (rechts-)konservative Parteien wie leider auch die CDU/CSU sich nicht sonderlich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einsetzen. Gleiches gilt für die deutsche FDP. Die „progressiveren“ Parteien wie Linke, Grüne oder SPD unterstützten hingegen (mit leichten Nuancen) vielfach ambitioniertere Umweltgesetzgebung.

Weiterführende Infos: Ausführlichere Auswertungen findet ihr beispielsweise auf den Internetseiten vom DNR oder auf www.nabu.de/europawahl.