„Demos sind gut, Aktionen besser“
Ein Gespräch mit Erdmann Wingert über die Anfänge von ROBIN WOOD und die lustvolle Pflicht, Umweltsündern aufs Dach zu steigen
Er ist einer der Urgesteine von ROBIN WOOD: Erdmann Wingert, Jahrgang 1936, war Redakteur beim Stern und der Zeit, ist Partner der Agentur Zeitenspiegel, Buchautor und Dokumentarfilmer - und er kann wunderbar berichten aus den bewegten Anfangsjahren von ROBIN WOOD. Für das ROBIN WOOD-Magazin sprach Ute Bertrand, ROBIN WOOD-Pressesprecherin, mit ihm.
Als einer der ersten bist du für ROBIN WOOD auf Schornsteine geklettert. Was hat dich Anfang der Achtziger in diese schwindelerregende Höhe getrieben?
Ich wohnte damals im Dunstkreis des Kohlekraftwerks Wedel, der schlimmsten Dreckschleuder Hamburgs. Die blies Jahr für Jahr Abertausende Tonnen Schwefeldioxid und Stickoxid über die Stadt – und auch über meine Kinder und meinen Garten.
Wie kamst Du damals auf ROBIN WOOD, der Verein war doch Anfang der Achtziger erst ganz frisch gegründet?
Stimmt, deshalb wollte ich mich ursprünglich auch bei Greenpeace andienen. Die hätten mich wahrscheinlich gern dabei gehabt, weil ich als Reporter ihre Großtaten besungen hätte. Doch eines Abends sah ich im Fernsehen einen kurzen Bericht über eine Nacht- und Nebelaktion, bei der ein Transparent am Michel gehisst wurde, dem Wahrzeichen Hamburgs...
...das sich als Ziel der ersten ROBIN WOOD-Aktion angeboten hatte. Aber die Aktion wär’ doch fast schief gelaufen oder?
Zum Glück nur fast, was an der Übergröße des Transparents lag, das die Maße einer Dreizimmerwohnung hatte und unterm Winddruck kaum zu bändigen war. Deshalb war nur noch der Schriftzug ROBIN WOOD zu entziffern. Wie ich später erfuhr, stand auch noch „Rettet den Wald“, „Stoppt den sauren Regen“ und „Schützt den Michel“ drauf, aber das wurde in hundert Meter Höhe vom Winde verweht. Fand ich verwegen, aber in Kurzform genau die Schweinereien, gegen die ich antreten wollte.
Die Forderung, den Wald zu retten lag auf der Hand, aber wieso auf dem Michel?
Der bröckelte an allen Ecken und Kanten, weil saurer Regen an ihm nagte und nicht nur an ihm. Wir haben heute fast vergessen, dass die Städte in den achtziger Jahren stinkende Rußhöhlen waren. Ob Kirche, Rathaus oder Wohnblock – die Fassaden starrten vor teerschwarzem Dreck. Das waren aber nur äußere Zeichen einer Verseuchung durch Abgase, die unter die Haut gingen: Eine der häufigsten Kinderkrankheiten war Pseudo-Krupp, ein Stickhusten, an dem viele Babys und Kleinkinder gestorben sind.
Zumindest die Fassaden sehen heute sauberer aus. Ein Erfolg der Umweltbewegung?
Mit Sicherheit! Es gab damals weder eine Katalysatorpflicht für Autos, noch irgendwelche Filter gegen toxische Emissionen aus Kraftwerken und Fabriken. Zum Himmel stanken auch die Flüsse, die waren zu Abwasserkanälen der Industrie und Kommunen verkommen. Besonders übel stand es um die Elbe, in die zwei Drittel aller Städte und Fabriken der DDR ihre Abfälle abkippten. Was in Hamburg ankam, war eine Chemiebrühe, die mit kommunalem und industriellem Abwasserdreck der Stadt noch einmal angereichert wurde. Da hat sich einiges grundlegend geändert. Eigentlich eine sträfliche Unterlassungssünde, dass die Umweltbewegung nie so richtig deutlich gemacht hat, was sie erreicht hat.
Zu dem Erreichten zählt auch, dass das Kohlekraftwerk Wedel umgerüstet wurde, nicht zuletzt, weil ROBIN WOOD den Betreibern aufs Dach gestiegen war. Wie hat Eure Aktionsgruppe das damals hingekriegt? Gab es den einen großen Zampano?
Eher nicht, denn Personenkult lag den Robins und Robinas schon damals fern. Viele von ihnen hatten bei Greenpeace schlechte Erfahrungen mit hierarchischen Strukturen gemacht, allen voran Anne und Klaus Scheerer, Mitbegründer von ROBIN WOOD. Die hatten eine Organisation im Blick, die Aktionen nicht von oben herab diktierte; also eine Graswurzelbewegung, in der basisdemokratisch geplant, entschieden und agiert wurde. Dieser Schulterschluss von Gleichgesinnten und Gleichberechtigten hat mich von Anfang an eingefangen.
So war’s dann wohl auch bei der Aktion in Wedel, bei dem du zum ersten Mal dabei warst...
...und zum ersten Mal das erhebende Gefühl spürte, dass hundert Meter unter uns der Werkschutz vor Wut im Viereck sprang. Das passierte vor allem, als wir uns ein zweites Mal einschlichen und zwischen beiden Schloten unser Transparent spannten. War nicht so einfach, weil die Werksleitung die Steighaken auf den ersten fünf Metern abmontiert hatte.
Wie habt ihr’s denn trotzdem geschafft, da rauf zu kommen?
Mit Hilfe meiner Gartenleiter und unserem Vorturner Wolle. Der kam überall rauf und wir mit ihm im Schlepptau.
Wenn ich das Buch über ROBIN WOOD durchblättre, das du mit Volker Lange herausgegeben hast, staune ich über die unzähligen Aktionen, die ihr allein in den frühen achtziger Jahren auf die Beine gestellt habt: Schornsteinbesetzungen in Frimmersdorf und Buschhaus, Sitzblockaden vor dem Chemiewerk Böhringer und Atomkraftwerken wie Krümmel, Aktionen gegen ADAC und auf den Zinnen von Neuschwanstein und vieles mehr. Welche Erfahrung aus dieser Zeit ist hängengeblieben und hat dich geprägt?
Für mich war es eine abenteuerliche Zeit. Als Journalist schreibst du dir die Finger wund und weißt nie, was davon ankommt und ob du etwas bewirkst. Umso befreiender war die Erfahrung, dass man mit Aktionen direkten Druck ausübt und hinterher ein konkretes Ergebnis hat. Die Tat ist viel stärker als die Theorie.
Hinzu kam das Erlebnis, in einer Gemeinschaft aufgehoben zu sein. Allerdings war ich damals mit Anfang vierzig schon älter als die meisten anderen Aktiven, die eher um die zwanzig waren. Das ist bis heute wohl auch so geblieben: ROBIN WOOD ist eine sich ewig verjüngende Organisation – sicher eines ihrer reizvollsten Momente.
In den Achtzigern sind viele soziale Initiativen entstanden. Ist heute wieder so eine Zeit, in der richtig was geht?
Natürlich wärmt mir die Fridays for Future-Bewegung das Herz, ebenso wenn ich sehe, wie ROBIN WOODs gegen Stuttgart 21 oder im Hambacher Forst aktiv sind. Vielleicht waren wir damals einen Tick frecher als heute die Generation meiner Enkel. Das lag vielleicht auch noch an den Erfahrungen der Studentenunruhen von 1968. Also, ein bisschen unartiger wünsche ich mir meine Enkel schon! Schließlich geht es beim Klimaschutz um ihr Sein oder Nicht-Sein. Demos sind gut, aber Aktionen besser.
Dein erstes Aktionsziel steht aktuell wieder in der Kritik: Über Wedel regnet es arsenhaltige Flugasche aus den Schornsteinen des Kraftwerks. Zeit für eine dritte Aktion?
Immer wieder gern, aber mit 83 Jahren sind mir natürliche Grenzen gesetzt. Es sei denn, ihr installiert dort für mich einen Sessellift.
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