Ökolandbau statt Güllewirtschaft

Ein Beispiel, wie eine ökologische Agrarwende ausgebremst wird

26. Februar 2019
Wald
Jana Ballenthien
Waldreferentin
Magazin

ROBIN WOOD engagiert sich gegen die industrielle Tierproduktion. Für Sojafuttermittel für unsere Massentierhaltung werden Tropenwälder zerstört. Hiesige Ökosysteme leiden unter der bundesdeutschen Güllewirtschaft. Von den negativen sozialen Folgen ganz zu schweigen. Am 16. Januar 2019 haben wir in Hannover den offenen Brief des Biolandbauern Karl-Heinz Hanken aus Vechta an die Landwirtschaftsministerin des Landes Niedersachsen, Barbara Otte-Kinast, übergeben.

Karl-Heinz Hanken ist ein Pionier des Ökolandbaus und jetzt von einer verfehlten Agrarpolitik akut betroffen. Wir fragen uns: Wie kann es sein, dass der Biolandbau einpacken muss, weil die konventionelle Landwirtschaft und die massive Tierproduktion immer mehr Güllenachweisflächen fordert? Statt die Tierproduktion zu reduzieren, fressen die großen konventionellen Betriebe die kleinen Ökolandbauhöfe. Maßnahmen, wie überarbeitete Düngeverordnungen, werden am Beispiel Bauer Hankens als abträglich für eine ökologische Landwirtschaft entlarvt.

 

Offener Brief von Karl-Heinz Hanken,
unterstützt von ROBIN WOOD


Sehr geehrte Frau Ministerin Otte-Kinast,

ich wende mich an Sie, weil in Ihrem Ministerium Nachhaltigkeit und Ökologie groß geschrieben werden und das Land Niedersachsen Werbung macht mit dem vielfältigen Angebot an Ökolandbau. Gleichzeitig passieren inakzeptable Eingriffe in den Ökolandbau, die nur politisch unterbunden werden können.
Ich bewirtschafte seit 35 Jahren einen landwirtschaftlichen Betrieb nach Bioland-Richtlinien im Landkreis Vechta. Das ist hier eine Seltenheit, denn die Region Südoldenburg ist mit ihren Landkreisen Vechta und Cloppenburg die Hochburg der Massentierhaltung von Schweinen und Geflügel in Deutschland.
Zur Zeit bewirtschafte ich ca. 20 Hektar landwirtschaftliches Nutzland. Ich baue Gemüse, Kartoffeln und Brotgetreide an und vermarkte meine Produkte regional. Das heißt kurze Betriebswege und damit weitere ökologische Vorteile in der Wertschöpfungskette.


Es gibt eine von mir gepachtete Fläche mit einer Größe von ca. 3,5 Hektar, die direkt an meinen Hof grenzt. Sie wird seit 12 Jahren von mir ökologisch bewirtschaftet. Diese Fläche möchte der Eigentümer jedoch ab dem kommenden Jahr an einen großen Schweinemastbetrieb aus der Gemeinde verpachten – aus persönlichen Gründen, sagt er. Dabei ist es keineswegs mehr als persönlich zu bezeichnen, wenn man sich die ökologischen Auswirkungen der Umnutzung vor Augen führt.

Der Schweinemäster benötigt die Fläche nämlich in erster Linie als Güllenachweisfläche für die Expansion seiner Schweinemast­anlagen. Wie Sie wissen, ist die landwirtschaftliche Nutzfläche der begrenzende Faktor der Massentierhaltung. Je mehr Gülle die Tiere produzieren, desto größer muss der Betrieb sein, um die Gülle auf den hofeigenen Flächen zu „entsorgen“. Land in unserer Region ist rar und teuer. Kleine Betriebe haben kaum eine Chance auf Land, außer sie besitzen es seit Jahrzehnten oder haben lange Pachtverträge.
Riesige konventionelle Landwirtschaftsbetriebe reihen sich an riesige Tiermast-Betriebe. Was das mit den Böden und der bio­logischen Vielfalt anrichtet, ist katastrophal. Durch den massiven Zukauf von Sojafuttermitteln aus Übersee produzieren die Tiere Gülle, die zu einem belastenden Stickstoffüberschuss im System führt. Eine Folge davon ist die Nitratanreicherung im Grund- und Trinkwasser. Auch die Artenvielfalt geht zurück. Ehemals ökologisch bewirtschaftete Flächen verlieren ihre wertvollen und nachhaltigen Bestandteile und ihre Fruchtbarkeit wird auf ein Minimum reduziert. Zudem ist die Massentierproduktion für einen anonymen Markt gedacht. Nach rein ökonomischen Aspekten ist der Anbau von Kulturen für den regionalen Markt uninteressant. Es interessiert die Schweine­vermarktung auf internationaler Ebene nur der maximale ökonomische Profit. Der ökologische Preis, den wir alle dafür zahlen, wird nicht berücksichtigt.


So kann es nicht weiter gehen! Diese Flächenübernahme ist ein Symbol für das, was falsch läuft in Politik und Praxis des Agrarsystems. Es geht nicht um viel Land. Aber es geht um einen Einzelfall, der exemplarisch das Versagen einer ökologischen Agrarwende zeigt. Schließlich ist es die Düngeverordnung, die eigentlich der Umwelt zugute kommen soll, aber in meinem Fall dem Ökolandbau schadet.

Hier sind Sie gefragt, ökologische Alternativen politisch durchzusetzen. Ich bitte Sie als Landwirtschaftsministerin: Retten Sie die kleinen ökologischen Inseln, die noch in der ansonsten konventionell bewirtschafteten Region zu finden sind! Es besteht dringender Handlungsbedarf für den Schutz und Erhalt ökologisch nachhaltig und langfristig umgestellter Acker- und Grünlandflächen.

Die Umweltorganisation ROBIN WOOD unterstützt meine Forderungen mit Nachdruck. Aus unserer Sicht sind folgende politische Maßnahmen notwendig:
 
ein Vorpacht- und Vorkaufsrecht für vormalig pachtende Ökolandbetriebe oder andere Akteure, die das Land vor einer ökologischen Verschlechterung schützen. Nutzen Sie zum Beispiel den Spielraum zur Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft, den die EU den Ländern im Bezug auf die Ausübung des Vorkaufsrechts überlässt.
ein Verschlechterungsverbot für Böden. Beispielsweise dürften agrarische Flächen, die einige Jahre biologisch bewirtschaftet wurden nicht mehr einer konventionellen Landwirtschaft oder gar als Güllenachweisflächen zur Verfügung stehen.
verbindliche Ziele für den Zuwachs an ökologisch bewirtschafteter Agrarfläche in Niedersachsen und einen entsprechenden Maßnahmenplan.
die Reduzierung der Tiermast auf ein Maß, das die Ökosysteme nicht gefährdet.
eine stärkere Ausrichtung der staatlichen Förderung der Landwirtschaft nach ökologischen Kriterien.


Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Hanken


 

ROBIN WOOD unterstützt die Forderungen von Karl-Heinz Hanken. Neben der Politik sind auch wir gefragt, den Druck zu erhöhen! So wie zum Beispiel gerade bei der “Wir haben es satt“-Demo in Berlin, bei der wir mit Zehntausenden auf der Straße standen und protestierten.

So funktioniert Ökolandbau bei Bauer Hanken und in anderen Ökolandbaubetrieben: Weit gestellte Fruchtfolgen, d.h. Anbau diverser Gemüsesorten, Brotgetreide und Kartoffelsorten sowie Mischkulturen erhalten die Fruchtbarkeit des Bodens lang­fristig. Unkrautbeseitigung wird durch Hacken, Striegeln, Häufeln, Abflammen gewährleistet – das ist sehr arbeitsaufwändig, aber kommt ohne Herbizide aus. In den heiklen Phasen des Wachstums werden die Pflanzen mit Netzen abgedeckt, um sie vor Schadinsekten zu schützen. Außerdem ist eine gewisse Begleitflora als Nahrung für Insekten und Vögel und zum Erhalt der Artenvielfalt erwünscht. Es entsteht kein Stickstoff­überschuss, weil als Düngemittel hofeigener Mist, bzw. Mist aus regionaler und artgerechter Tierhaltung, ökozertifizierter  Kompost aus der Region oder manchmal zugekaufter organischer Handelsdünger (z.B. Haarmehlpellets) eingesetzt wird. Je näher die ökologisch bewirtschafteten Flächen beieinander liegen, die nicht mit Pestiziden oder Stickstoffüberschuss belastet sind, desto enger sind die Felder eingebettet in ein ökologisches, nachhaltiges und wertvolles Umfeld. Kleegras auf den Feldern speichert Stickstoff aus der Luft und speichert Nährstoffe über den Winter, so dass  das Auswaschen von Nitrat ins Grund- und Trinkwasser sowie die Oberflächengewässer zusätzlich unterbunden wird. Die Vermarktung in der Region sorgt für kurze und ökologische Betriebswege.

Der Zuwachs des Ökolandbaus in Niedersachsen fiel 2018 um
sechs Prozent von 20 auf 14 Prozent. Die Zahlen zeigen, dass der Umbau zu Ökolandbau kein einheitlicher Trend ist und wir uns weiter für eine Subventionierung der Landwirtschaft nach öko- logischen Kriterien einsetzen müssen. Dazu muss Niedersachsen im bundesdeutschen Vergleich deutlich aufholen. Nur 4,9 Prozent aller Betriebe arbeiten hier zur Zeit ökologisch. Im Durchschnitt sind es in Deutschland 8,2 Prozent.
Niedersachsens Grund- und Oberflächengewässer sind stark durch Nitrat aber auch durch Rückstände jahrelang zurückliegender Pestizideinträge und durch eine erhöhte Keimbelastung aus Tiermastbetrieben belastet. Immer mehr und größere Maismonokulturen und eine massive Tierproduktion haben katastrophale ökologische und soziale Folgen, die sich weltweit zeigen.

Doch auch eine ökologische Gegenbewegung macht sich bemerkbar: beispielsweise mit dem Agrarbündnis Niedersachsen, das ein Diskussionspapier zur Einführung von Kauf- und Pachtpreis bremsenden Maßnahmen veröffentlicht hat, um die zunehmende Konzentration von Grund und Boden zu stoppen.

 

Links: www.agrarwende.de/dokumentationen-leser/items/boden-ist-keine-ware.html; Agrarbündnis Niedersachsen: http://www.agrarwende.de/; Marktdaten 2018 des Biomarkt Niedersachsen vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen GmbH: https://www.oeko-komp.de/wp-content/uploads/2018/09/KOEN_Marktdaten2018_...