Weltweites Insektensterben nicht schlimm genug?

In den vergangenen paar Wochen verbreitete sich die Information, dass der Landesbetrieb Forst Brandenburg plane, gegen die Nonne - ein zwischen drei und fünf Zentimeter großer Nachtfalter - auf 8.000 Hektar in den Kiefernforsten bei Fichtenwalde mit einem Breitband-Insektizid vorzugehen. Bis zuletzt dachten viele Umweltschützer*innen, dies könne abgewendet werden. Zu absurd war der Gedanke, dass der Einsatz rechtens sei. Nun ist es passiert. Der erste Helikopter-Sprüheinsatz hat stattgefunden und lässt sich nicht rückgängig machen.

Was geschah?

Am Dienstag, den 7. Mai 2019, versprühte der erste Helikopter das Insektizid "Karate Forst flüssig" über dem Forst bei Niemegk. Für zwei Tage war der Forst danach gesperrt für Menschen. Seitdem können die Menschen dort die Stille erleben, die nach einem solchen Totspritzen herrscht.

Der Zeitpunkt könnte nicht (un-)passender sein. Eine Million Pflanzen- und Tierarten sind vom Aussterben bedroht - so der kürzlich von der UN vorgestellte Bericht zum Artensterben. Es stehe gar das sechste Massensterben der gesamten Erdgeschichte bevor. Das vorherige Fünfte war das Aussterben der Dinosaurier. Aber wen wundert das noch, wenn das Ausbringen eines Breitbandgiftes über die Luft heute noch möglich ist?

Auswirkungen?

Ein kleiner Blick auf das Sicherheitsdatenblatt der Herstellerfirma zu den Auswirkungen ihres Breitbandinsektizids müsste eigentlich reichen, die Absurdität der Nutzung zu verdeutlichen. Der Stoff ist akut toxisch für den Menschen und kann Hautreaktionen, Allergien, Atembeschwerden, Lungenödeme und Pneumonie hervorrufen. Für Wasserorganismen ist er sogar extrem giftig. Deshalb gibt es Mindestabstände zu Siedlungen und Gewässern, und das Sammeln von Waldfrüchten, Kräutern und Pilzen ist bis 56 Tage nach dem letzten Einsatz verboten. Aber diese Meter- und Tagesangaben sind menschengemacht. Historisch kommt es immer wieder zu Verschiebungen von menschengemachten Grenzwerten und Karenzzeiten, wenn Gefahren nachträglich besser erkannt werden.

Nach Aussagen des NABU wirkt das Mittel zudem auf diverse Schmetterlingsarten tödlich. Neben diesem generellen Verlust an Vielfalt haben dadurch Fledermäuse und Vögel weniger Nahrung zur Verfügung, was insbesondere in der derzeitigen Phase der Jungenaufzucht fatal ist. Auch Reptilien und Amphibien werden durch das Insektizid vergiftet oder geschädigt. Damit sind nur einige der vielen Tier- und Pflanzenarten genannt, die von dem Insektizid direkt betroffen sind.

Unsere Position: Dieses Gift gehört nicht an Orte, an denen Lebewesen existieren.

Alternativen?

Begründet wird der Einsatz mit der Hypothese, dass ein Totalverlust des Forstes nach dem Kahlfraß durch die Motte innerhalb von zwei Jahren "möglich und nicht unwahrscheinlich" sei, die Brandgefahr steige und der aus Umweltschutzperspektive geforderte Waldumbau zu standortnahen Arten langsamer voranginge - so die Aussage des Fachbereichsleiters Forsthoheit des Landesbetrieb Forst Brandenburg, Jörg Ecker, gegenüber dem Waldexperten des Forum Umwelt und Entwicklung, László Marás.

Diese Argumentation wirkt wahrlich dünn. Mit der Formulierung "möglich und nicht unwahrscheinlich" ein solches Massensterben zu verursachen, ist ein Skandal. Zumal die Aussage mit Beispielen aus der nahen Vergangenheit widerlegt werden kann. In der Schorfheide ist von einem Befall durch die Nonne im Jahr 2014 heute nichts mehr zu sehen. Gift wurde damals nicht gespritzt. Auch eine erhöhte Brandgefahr ist nicht unbedingt gegeben. Zum einen sterben die Bäume durch einem Befall nicht zwangsläufig ab. Zum anderen ist ein erhöhter Totholzanteil nach Aussagen von Herrn Prof. Dr. Pierre Ibisch von der Hochschule Eberswalde eine Möglichkeit, mehr Feuchtigkeit im Wald zu speichern.

Andere Alternativen, zum Beispiel das Schadholz aus dem Wald zu holen, wie im Lübecker Stadtwald geschehen, oder die betroffenen Bäume ohne Fällung zu schälen (sehr aufwendig, aber möglich!), wie schon einmal im Bayrischen Wald nach einem Borkenkäfer-Befall durchgeführt, werden vom Landesbetrieb Forst Brandenburg nicht zur Debatte gestellt.

Letztendlich wird es in Zeiten des Klimawandels immer wieder zu hohen Populationszahlen von Insektenarten kommen, die in diesem Umfang Bäume schädigen. Dies liegt in erster Linie an der geringen Widerstandsfähigkeit von Monokulturen, wie den in Brandenburg vorherrschenden Kiefernplantagen. Solche Forste sind zudem doppelt ungeeignet in Zeiten des Klimawandels. Sie leiden erstens weitaus mehr unter den Extremwetterlagen und binden zweitens weitaus weniger CO2 als stabilere strukturreiche Wälder mit heimischen Arten. Der lang verpasste Umbau zu stabilen Wäldern ist die einzige nachhaltige Maßnahme, die möglicherweise dem Klimawandel und all seinen Herausforderungen (wie die der "Schadinsekten"), die Stirn bieten kann. Wir fordern konzentrierte Investitionen in dieser Richtung!

Bisherige Proteste

Inzwischen gibt es eine Petition von Rettet den Regenwald und eine weitere Petition von Karl Tempel gegen den Einsatz des Giftes in Brandenburg.

Am 10. Mai verfügte das Verwaltungsgericht Potsdam nach einem Eilantrag des NABU Brandenburg die Aussetzung der Besprühung in Teilbereichen des Forstes, zum Beispiel im Natura 2000-Gebiet "Hackenheide" (einem europäischen Schutzgebiet) und anderen Naturschutzgebieten. Damit gibt es bereits einen Teilerfolg der Proteste.

Am 11. Mai fanden eine Kundgebung in Potsdam und eine Baumpflanz-Aktion in Fichtenwalde statt. Weitere kreative Proteste werden folgen!