Was bedeutet die Corona-Krise für die Klimabewegung?

Corona vs. Klimaschutz Teil 1: Den Ausweg aus der Krise mitgestalten – für eine sozial-ökologische Gesellschaft

19. März 2020
Robin Wood
Ute Bertrand
Pressesprecherin
Blog

Uns geht es genauso wie allen anderen: Die Corona-Krise beherrscht die Gedanken. Wir leben im Ausnahmezustand. Es fühlt sich an, als wäre ein dystopischer Film plötzlich real geworden. Rasend schnell und radikal hat sich das gesellschaftliche und individuelle Leben geändert.

Obwohl wir hierzulande noch in der Anfangsphase der Pandemie stecken, ist bereits klar, dass sie tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen und die Gesellschaft auf Jahre einschneidend verändern wird.

Was bedeutet dieser ungewollte, gesellschaftliche Stress-Test riesigen Ausmaßes für die Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewegung?

Der öffentliche Diskursraum zum Thema Klimakrise ist geschrumpft. Dabei sind die Auswirkungen der Klimakatastrophe nicht weniger real oder bedrohlich als die der Corona-Pandemie, auch wenn diese zumindest im globalen Norden nicht im gleichen Tempo für alle sichtbar werden. Auf der anderen Seite der Weltkugel sind sie bereits bitterer Alltag.

Über den Rückgang von CO2-Emissionen durch die Corona-Krise zu jubeln, wäre zynisch. Eine Pandemie ist kein nachhaltiger Klimaschutz. In der aktuellen Notsituation geht es darum, auf allen Ebenen die akuten, existentiell bedrohlichen Folgen dieser sich schnell ausbreitenden Infektionskrankheit zu bewältigen.

Eine Diskussion, wie wir aus dieser Krise herauskommen, wird sich anschließen. Sie sollte durch eine starke Klima- und Umweltschutzbewegung mitgestaltet werden – mit dem Ziel, die Milliarden öffentlicher Mittel, die zur Bewältigung der Corona-Folgen fließen werden, für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft zu nutzen.

Die jetzige Pandemie-Krise führt uns auf drastische Weise vor Augen, was Regierungen der Industriestaaten können – was sie aber trotzdem bislang nicht getan haben, um einen ebenfalls globalen, existenzgefährdenden Klimanotstand abzuwenden:

  • In der Pandemiekrise setzen sich Regierungen im Sinne des Gemeinwohls gegen starke Lobbys, etwa der Auto- und der Energieindustrie, durch. Das „Primat der Politik“ funktioniert – anders als in der internationalen Klimapolitik.
  • Auch nehmen Regierungen Erkenntnisse aus der Wissenschaft ernst und richten ihr Handeln danach aus. Klimaforscher*innen fordern das seit langem nachdrücklich, aber weitgehend vergeblich ein.
  • Die Politik räumt dem Schutz der Gesundheit von Menschen oberste Priorität ein, während sonst wirtschaftliche Interessen – trotz umweltzerstörerischer und klimaschädlicher Auswirkungen – Vorrang bekommen und soziale Ungleichheit als selbstverursacht diffamiert wird.

Zugleich zeigt die Pandemie, wie stark und schnell das öffentliche Leben und die Grundrechte eingeschränkt werden, wenn Notstand herrscht. Die EU-Staaten schotten sich nach außen und gegeneinander ab und handeln nationalistisch. Überwachung und Disziplinierung nehmen zu. Die Zahl der Handlungsalternativen schrumpft. Autoritäres Durchsetzen tritt an die Stelle von demokratischen Aushandlungsprozessen.

Um solchen Tendenzen angesichts einer sich verschärfenden Klimakrise und eines dramatischen Artensterbens entgegenzutreten, wird die Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewegung dringend gebraucht. Gemeinsam müssen wir verhindern, dass die aktuelle Krise den Nährboden für dauerhafte autoritäre Verschiebungen bildet.

Wir machen uns daher Gedanken, wie wir auch in Corona-Zeiten unsere politischen Ziele verfolgen können. Vorübergehend werden wir Treffen online abhalten, uns weiterbilden, andere Protestformen nutzen und neue Wege suchen, uns zu organisieren.

Und wir wollen hier im ROBIN WOOD-Blog eine Serie von Debatten-Beiträgen veröffentlichen, die Zusammenhänge von Corona und Umweltthemen beleuchten: Was hat die dramatische Entwaldung der Welt mit zunehmenden Infektionen durch neuartige Krankheiten zu tun? Wie wirkt sich die Epidemie auf die Autoindustrie, auf globale Mobilität und die Emissionen aus? Das sind nur zwei Fragen, die wir aufgreifen wollen, um uns in die Debatte über den sozial-ökolgischen Wandel einzumischen.

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Nachtrag:

Hier findet ihr die inzwischen veröffentlichten weiteren Blogbeiträge unserer Serie: