Straßenraub - Wider die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur

Auf bis zu 200 Milliarden Euro wird der Wert des deutschen Autobahnnetzes geschätzt. Mit knapp 13.000 Kilometern ist es eines der dichtesten der Welt. Das ist ein gewaltiger Immobilienschatz in Zeiten der Finanz- und Eurokrise.  Die Initiative für eine Infrastrukturgesellschaft Verkehr kam daher von Banken und Versicherungen, nicht aus der Transportbranche.

Am 19.Mai will die Große Koalition mit ihrer Zweidrittelmehrheit im Bundestag ein Bündel von Grundgesetzänderungen verabschieden, die das ermöglichen. Es ist der letzte mögliche Termin, um das Vorhaben vor der Wahl im September durchzubringen. Vordergründig dient die Grundgesetzänderung der Zentralisierung der bisher bei den Ländern liegenden Fernstraßenverwaltung.

Doch sogar der wissenschaftliche Dienst des Verkehrsministeriums warnt vor den in der GroKo diskutierten gesetzlichen Regelungen und verweist auf schlechte Erfahrungen mit der privatrechtlich verfassten Deutschen Bahn.

Insgesamt sind 13 Änderungen geplant. Viele davon betreffen die Bund-Länder-Zuständigkeiten. Dreh- und Angelpunkt ist aber, dass die Infrastrukturgesellschaft Verkehr privatrechtlich organsisiert sein soll. Allen Beteuerungen aus der SPD zum Trotz ermöglicht das den Einstieg privaten Kapitals und verhindert demokratische Kontrolle.

Mit Maut und Grundgesetzänderung würde die GroKo vor der Wahl Fakten für die größte Privatisierung in der Geschichte der Bundesrepublik schaffen. In einem vertraulichen Gutachten kommt der Bundesrechnungshof zu dem Schluss, dass Dobrindts Wahlkampfschlager „Ausländermaut“ in Kombination mit der geplanten Infrastrukturgesellschaft zu einer streckenabhängigen Infrastrukturabgabe für alle würde.

Die  Einnahmen aus der Maut sind der öffentlichen Hand weitgehend entzogen. Nicht einmal die Mitwirkungsrechte des Bundestages seien ausreichend sicher gestellt. Der Bundesrechnungshof hat auch nachgewiesen, dass Straßenbau in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) bisher im Schnitt ein Drittel teurer war als ohne private Beteiligung. Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr würde ÖPP im Fernstraßenbau vom Pilotprojekt zum Normalfall machen – auf Kosten der Allgemeinheit und zum Nutzen der Finanz- und Versicherungsbranche.

Wer verstehen will, was die Bundesregierung mit der Privatisierung von Bau und Betrieb der Autobahnen riskiert, schaut nach Spanien. Dort kauft der Staat jetzt leere Autobahnen von privaten Finanzinvestoren zurück. Überhöhte Verkehrsprognosen im Straßenbau sind auch in Deutschland gang und gebe, zum Beispiel für die A 44 von Kassel nach Eisenach, die A 14 durch die Altmark oder die A 100 in Berlin. Weil die Prognosen systematisch zu hoch sind, werden die Kosten über Mauteinnahmen nicht wieder reinkommen. In Spanien macht der Staat nun neue Schulden, um Banken und Baukonzerne zu „retten“.

 Was schert das Umweltschützerinnen und –schützer? Das Projekt Infrastrukturgesellschaft wurde unter wechselnden Bezeichnungen im Kabinett von Gabriel, SPD, entwickelt und liegt nun bei Dobrindt, CSU, und Schäuble, CDU. Es soll einen „Finanzierungskreislauf Straße“ generieren, bei dem Einnahmen aus der Straßennutzung in den Straßenbau fließen. Das blockiert verkehrsträgerübergreifende Steuerung. 

Da, wo jetzt schon unerträglich viel Autobahnverkehr ist, wird noch mehr Geld für die Straße ausgegeben statt für den Wechsel auf die Schiene und eine verkehrsvermeidende nahräumliche Infrastruktur. Beispiel Rheintal: Noch mehr LKW statt erst Lärmschutz, dann mehr Kapazität für die Güterbahn. Die externen Kosten des Straßenverkehrs für Umwelt und Gesundheit werden weiter auf die Allgemeinheit abgewälzt.

Langfristig würde die Maut zur Rendite für private Straßenbetreiber. Hauptstrecken werden noch breiter, in der Fläche rumpeln die Abgehängten über Land. Eine Verkehrswende für Klima- und Umweltschutz könnten wir mit diesem Modell vergessen. Rendite aus möglichst viel Straßenverkehr ginge vor Gemeinnutz. Deswegen beteiligt Robin Wood sich an der Kampagne gegen die Grundgesetzänderung und Autobahnprivatisierung.