Schwerlasttaxi für die "Generation 325 plus"

Vor wenigen Wochen war es so weit: Ein Bagger hob die Wurzeln eines 325 -jährigen Kastanienbaums in einen Muldenkipper. Der diente als Taxi von der Kronberger Schillerstrasse zum Nachbarort Mammolshain. Die Nutrias am nahen Schillerweiher hoben nur kurz die Köpfe - aber alle, die an diesem Kraftakt beteiligt waren, atmeten -hörbar- auf. Das gilt auch für die regionalen Aktiven von Robin Wood in Rhein-Main - bis zur nächsten Baustelle....

 

Baustellen -sprich Nachverdichtung- gibt es in Kronberg (und nicht nur da) an allen Ecken und Enden. Und oft ist wertvolles öffentliches Grün von Privatisierung betroffen. Seit über zehn Jahren arbeitet die Stadt Kronberg an einem Großprojekt mit mehreren Baufeldern, um die "Brache um den Bahnhof" zu entwickeln.

In einem ersten Schritt sollte im Januar dieses Jahres eine markante Grünanlage für ein Hotel und einen Kammermusiksaal weichen. Zusammen mit einer AnwohnerInneninitiative haben Aktive aus den Regionalgruppen Frankfurt und Berlin in letzter Minute noch versucht, wenigstens einen Mammutbaum und zwei dreihundertjährige Edelkastanien zu retten. Vergeblich.

Nur noch ein imposanter Stumpf erinnerte danach an die Größere der Kastanien. Weil die Tiefbauarbeiten auf dem Gelände aber erst für den Herbst angesetzt waren, wurden die Wurzeln vorerst nicht gerodet.

Im April trieb die Kastanie neu aus, und die Triebe überstanden auch die späten Nachtfröste. Im August war der Stumpf unter zahlreichen Trieben, die bis zu drei Meter hochragten, kaum noch auszumachen.

Viele Passantinnen und Passanten berührte dieser Strauch, der sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem neuen Baum entwickeln würde. Am jetzigen Standort gab es für ihn aber dafür definitiv keine Chance.

Es fand sich eine Gruppe Leute, welche das Projekt einer Umsetzung ins Auge fasste. Daran beteiligten sich auch Mitglieder der Regionalgruppe Rhein-Main von Robin Wood.

Während der Initiativtreffen gab es viele Höhen und Tiefen. So erfuhren wir, dass eine fachgerechte Umsetzung mit Behandlung der Wurzeln und mit Spezialfahrzeugen durchaus eine fünfstellige Summe Kosten könnte - ohne jede Anwachsgarantie. So viel Geld konnten und wollten wir nicht aufbringen. Die Stadt und der Bauherr, die Kronberg Academie, lehnten ohnehin eine finanzielle Beteiligung ab. Auch wollte die Stadt kein Ersatzgrundstück für den Stumpf zur Verfügung stellen. Dort wurde uns vorgeworfen, dass wir nur einen "Anlaufpunkt mit Mahnmalcharakter" schaffen wollten...

Darauf wurden diverse Privatgrundstücke ausgekundschaftet, deren Eigentümer sich nach einem Aufruf bereit erklärt hatten, den Stumpf aufzunehmen. Wir holten uns dreckige Hosenbeine, doch am Ende passte kein Angebot - und der Termin des Baubeginns auf dem Gelände rückte immer näher. Rund um den Stumpf wurden bereits erste Gräben gezogen.

In letzter Minute fand sich eine Lösung, den Stumpf auf dem Gelände eines Gartenbauvereins unterzubringen und die Umsetzung von einem Baumspezialisten günstig begleiten zu lassen.  Auch der Projektentwickler, die Kronberg Academie und die beteiligten Baufirmen boten an, beim Versetzen mitzuhelfen. Vor allem mit den Bauarbeitern entwickelte sich ein gutes Verhältnis, was auch dem Baumstumpf zugute kam.

Im gut situierten Kronberg fahren ältere Herrschaften öfters Taxi, wenn sie nicht mehr so fest auf dem Boden stehen. So auch der Edelkastanienstrunk der "Generation 325 plus". Der Fahrer des Last-Taxis war sehr bemüht, ihm einen guten und schonenden Rutsch in die vorbereitete Erdmulde zu ermöglichen.

Jetzt hoffen wir, dass der Strunk zumindest in Teilen anwächst und wieder austreibt. Auch wenn die Kosten nur knapp ein Zehntel von dem betragen, was ursprünglich prognostiziert wurde müssen sie doch beglichen werden. Robin Wood sammelt Spenden unter dem Stichwort "Kastanie", um die Aktion finanziell zu unterstützen.

Die Umwelt-Auseinandersetzungen in Kronberg gehen allerdings weiter. So steht die Rodung der Schillergärten an einer wunderschönen, verwilderten Streuobstwiese. Dort sollen schuhkartonartige Luxus-Appartements errichtet werden. Jetzt werden die extrem hohen Grundstückspreise zum Fluch für die Natur. Allerdings sollte man sich in Kronberg daran erinnern, dass man als recht arme Gemeinde früher vom Esskastanienverkauf und vom Apfelanbau gelebt hat. Dieses Erbe sollte doch etwas mehr in Ehren gehalten werden...