Rumänische Ur- und Naturwälder schützen!

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Auf Initiative der Stiftung EuroNatur haben ROBIN WOOD und zahlreiche internationale Umwelt- und Naturschutzorganisationen heute einen offenen Brief an die rumänische Regierung veröffentlicht. Gemeinsam fordern wir darin die rumänische Regierung auf, einen besseren Schutz für die rumänischen Ur- und Naturwälder zu gewährleisten.

Europaweit brechen naturferne Wälder und Wirtschaftswälder aufgrund von Hitze, Dürre und Insektenkatastrophen zunehmend zusammen und hinterlassen große Flächen kahlen Bodens ohne Schutz vor Hitze, Überschwemmungen oder Erosion.

Die wenigen Ur- und Naturwälder, die wir noch haben, werden zeitgleich in einem rasanten Tempo von der Holzindustrie unwiederbringlich zerstört.

Rumänien beherbergt nach Skandinavien die größten verbliebenen Flächen von alten, nahezu unberührten, sehr klimastabilen und artenreichen Wäldern. Wenn wir sie retten wollen, müssen wir jetzt agieren.

Der offene Brief fordert von der rumänischen Regierung vorhandene Schutzgebiete auszuweiten und effektiv zu schützen. Insbesondere das geltende EU-Recht für Natura 2000-Gebiete muss eingehalten werden.

Hier  findet ihr den englischen Originaltext. Wir haben den Brief ins Deutsche übersetzt:

11. Februar 2020

Sehr geehrter Herr Präsident Iohannis,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident Orban,

sehr geehrter Herr Minister Alexe,

in der vergangenen Woche, am 4. und 5. Februar 2020, auf der von der Europäischen Kommission einberufenen Internationalen Konferenz über Wälder für biologische Vielfalt und Klima stand der Schutz der natürlichen Wälder im internationalen Rampenlicht.

Wie der Weltrat für Biologische Vielfalt im Mai 2019 (bei der Veröffentlichung des "Global Assessment Reports“) klargestellt hat, stehen wir vor einer Krise aus Klimaerwärmung und der Zerstörung der biologischen Vielfalt, die miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig befeuern.

Die Klimakrise ist auch in Europas Wäldern angekommen. Naturferne Wälder in Europa brechen aufgrund von Hitze, Dürre und Insektenkatastrophen zunehmend zusammen und hinterlassen große Flächen kahlen Bodens ohne Schutz vor Hitze, Überschwemmungen oder Erosion.

Artenreiche Naturwälder (sehr alte Wälder und Urwälder) mit intaktem Kronendach sind wesentlich widerstandsfähiger gegen Klimakrisen-bedingte Störungen wie Dürre, Hitze, Windstöße, Insektenbefall oder Waldbrände. Sie erbringen wichtige Ökosystemleistungen und sind ein unersetzlicher Rückzugsort für die seltene und bedrohte Arten.

Angesichts des fortschreitenden Zusammenbruchs der unnatürlichen Plantagen in Europa könnten Naturwälder möglicherweise die einzigen intakten Waldlandschaften sein, die in der aufkommenden Klimakrise übrig bleiben werden. Sie werden daher eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der europäischen Waldfläche spielen und bei der Wiederherstellung der Wälder helfen.
Darüber hinaus spielen Naturwälder eine wichtige Rolle bei der Kohlenstoffbindung und -speicherung und sind daher ein wichtiges Kapital bei der Bewältigung der Klimakrise.

Leider sind Urwälder und alte Wälder (einschließlich "virgin"- und "quasi-virgin"-Wälder, wie sie in Rumänien genannt werden) in Europa äußerst selten geworden. Weniger als vier Prozent der Wälder in der EU sind mehr oder weniger „ungestört vom Menschen“ (Forest Europe 2015).

Ein großer Teil der natürlichen Waldreste Europas befindet sich in Rumänien: Mit der PRIMOFARO-Inventur (2019) wurden mehr als 525.000 Hektar potenzieller Natur- und Urwälder identifiziert. Dies ist der größte Teil der alten Wälder und Urwälder in der EU außerhalb Skandinaviens. Von diesen sind mehr als 330.000 Hektar als Natura2000-Gebiete ausgewiesen.

Die Habitat- und Vogelschutzrichtlinie besagt, dass Lebensräume und Arten in einem günstigen Erhaltungszustand von keinem Vorhaben oder Projekt wesentlich beeinträchtigt werden dürfen. Dies ist zweifelsohne auch für den Forstsektor relevant. Im Jahr 2018 entschied der Gerichtshof der EU, dass die Holzeinschläge in alten Waldbeständen auf dem polnischen Natura 2000-Gebiet Bialowieza gegen die EU-Rechtsvorschriften verstoßen. Dies bedeutet, dass die Abholzung von natürlichen Wäldern (alten Wäldern und Urwäldern) in Natura 2000-Gebieten ein ernstes Risiko darstellt, gegen EU-Recht zu verstoßen.

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Bestimmungen der EU-Naturschutzrichtlinien in den Jahren seit 2007 von rumänischen Behörden und staatlichen Institutionen nicht ausreichend befolgt wurden. Entsprechend dieser Einschätzung ist die vorsätzliche und möglicherweise rechtswidrige Abholzung von Primärwäldern und Urwäldern in Rumäniens Natura 2000-Gebieten allgegenwärtig.

Die neue EU-Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt wird höchstwahrscheinlich neue Naturschutzziele festlegen: Das Ziel 30 Prozent der marinen und terrestrischen Ökosysteme der EU in Schutzgebiete umzuwandeln und ein Drittel dieser Gebiete, also zehn Prozent der gesamten Schutzfläche ohne jegliche menschliche Intervention zu managen, erhält Sympathie sowohl vom Europäischen Parlament als auch von der Europäischen Kommission.

Wie aus der PRIMOFARO-Inventur hervorgeht, befinden sich mehr als 525.000 Hektar oder rund acht Prozent der Wälder Rumäniens in einem sehr günstigen Erhaltungszustand. Dies entspricht nur 2,3 Prozent des Gesamtgebiets des rumänischen Staates. Mit anderen Worten: Wenn Rumänien die neuen EU-Naturschutzanforderung nur für Waldflächen erfüllen würde, müssten rund 28 Prozent aller Wälder als Nicht-Interventionsgebiete stillgelegt werden. 330.000 Hektar oder fünf Prozent der rumänischen Wälder stehen bereits unter Schutz - zumindest auf dem Papier. Wir sind davon überzeugt, dass die gesamten rumänischen alten Wälder und Urwälder (> 525.000 Hektar) vor der Zerstörung geschützt und mit einem rechtsverbindlichen Rahmen erhalten werden muss, etwa wie das Natura 2000-Netzwerk.

Der umfassende und strikte Schutz dieses herausragenden natürlichen Erbes an Wäldern wäre ein wichtiger Schritt zur Erreichung der neuen EU-Ziele für die biologische Vielfalt und zur Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften, um Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Kommission zu vermeiden.

Wir fordern Sie dringend auf, rasch Maßnahmen zu ergreifen, um alle Natur- und Urwälder in Rumänien umfassend und dauerhaft zu erhalten. Es ist von Bedeutung, dies auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und transparenter Regeln zu tun.

Deshalb bitten wir Sie, folgende Schritte zu unternehmen:

  • Alle natürlichen Wälder in Rumänien sollten in (erweiterte) Natura 2000-Gebiete einbezogen werden. Die EU-Natura-2000-Gesetzgebung liefert die Rechtsgrundlage, die PRIMFOFARO-Inventur gibt Aufschluss über die Standorte potenzieller natürlicher Wälder.
  • Natur- und Primärwälder auf staatlichem Grund sollten ab sofort ohne jegliche menschliche Intervention verwaltet werden.
  • Eigentümer von Naturwäldern auf privatem oder kommunalem Grund müssen dafür entschädigt werden, dass sie ein Management ohne Intervention für Gebiete mit einer hohen Wertigkeit für die Biodiversität akzeptieren. Daher ist dringend eine Ausgleichsregelung erforderlich.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Ministerpräsident, sehr geehrter Minister, viele Menschen in Europa verurteilen die Waldzerstörung im Amazonasgebiet oder anderswo - und das zu Recht. Vertreter aus Ländern des globalen Südens haben jedoch klar zum Ausdruck gebracht, dass sie erwarten, dass Europa auch seine eigenen natürlichen Wälder schützt. Ohne Frage ist dies eine globale Verantwortung.

Wir fordern Sie nachdrücklich auf, den vollständigen Schutz des einzigartigen rumänischen Naturwalderbes zu gewährleisten - und wir bieten Ihnen die Zusammenarbeit bei diesem großen Unterfangen an.

Mit freundlichen Grüßen Ihr

Gabriel Schwaderer, Executive Director Euro Natur Foundation

Im Auftrag von:

Gabriel Paun, President, Agent Green

Wolfgang Kuhlmann, Director, ARA

Ariel Brunner, Senior Head of Policy, Bird, Life - Europe,and,Central,Asia

Lukas Straumann, Executive Director, Bruno Manser Fonds

Olaf Brandt Chairman, BUND – Friends of the Earth Germany

Richard Mergner, Chairman, BUND - Naturschutz in Bayern e.V.

László Maráz, Coordinator, Germany NGO Working Group on Forests

Michael Brombacher, Head of Europe Department, Frankfurt Zoological Society

Sina Franz, Secretary General, International Young Naturefriends (iynf)

Kelsey Perlman, Forestand Climate Campaigner, Fern

Nataša Crnković, Director Hnutí DUHA, Friends of the Earth Czech

Adrian, Bebb Programme Coordinator, Friends of the Earth Europe

Luisa Valley, President Kulturnetz e.V.

Hermann Edelmann, Coordinator International Programmes, ProRegenwald

Jana Ballenthien, Forest Campainer, ROBIN WOOD e.V.

Prof. em. Dr. Michael Succow, Chairman, foundation board Michael Succow Foundation