
ROBIN WOOD verurteilt Gewalt gegen Rollstuhlfahrenden
Barrierefreiheit bei der Bahn beginnt beim Verhalten der Beschäftigten!
Wenn Menschen im Rollstuhl Zug fahren möchten, sind sie in der Regel vielen Barrieren ausgesetzt: Fahrstühle sind kaputt, Stufen sind im Weg und im Fernverkehr muss vorher der Mobilitätsservice informiert werden, um den Einstieg zu ermöglichen. Aktivist*innen setzen sich dafür ein, diese Missstände zu benennen, und wirken darauf hin, dass Barrierefreiheit stärker ins bahnpolitische Bewusstsein rückt. Denn es gibt ein Recht auf Mobilität und Beförderung für alle Menschen.
Dass es aber schlecht aussieht um die Barrierefreiheit von Bahnunternehmen, zeigt ein Vorfall vom 4. Mai: Einem Rollstuhlfahrer soll unter Einsatz von physischer Gewalt die Mitfahrt in einem Zug der norddeutschen Regionalbahn-Gesellschaft Metronom verweigert worden sein. Der Betroffene wollte am Bahnhof Lüneburg in den Zug einsteigen. Ein Mitarbeiter verweigerte ihm den Zutritt, warf den Rollstuhl auf den Bahnsteig und setzte physische Gewalt ein, um der Person die Mitfahrt zu verunmöglichen. Begründet wurde die Handlung des Mitarbeiters damit, dass der Zug angeblich voll sei. Fußgänger*innen stiegen jedoch ein. Der Betroffene wurde als Einziger zurückgelassen. Im Nachgang des Vorfalls meldeten sich weitere Betroffene zu Wort, die ähnliche Erfahrungen mit dem Mitarbeiter des Metronom beschrieben. Die Metronom-Gesellschaft stellt die Situation anders dar und erstattete Anzeige gegen den Betroffenen, Ilias Emmanuil.
Die Auseinandersetzung zeigt, was gesellschaftliche Diskriminierung im Konkreten für Menschen mit Behinderung bedeutet, der diese ausgesetzt sind. Ableismus kommt vom englischen „to be able“ und ist die Ungleichbehandlung und Diskriminierung, die Menschen aufgrund ihrer Behinderungen gesellschaftlich erfahren. Dies zeigt sich auch daran, dass Menschen im Rollstuhl aktuell häufig vom Zug- oder Buspersonal abhängig sind bezüglich dessen, ob sie mitfahren dürfen oder nicht. Die Bedienung von Rampen und Einstiegshilfen verschafft dem Personal damit eine Macht über die Betroffenen.
„Barrierefreiheit gibt es aktuell, wenn überhaupt, bei den meisten Zügen durch Abhängigkeit. Echte Barrierefreiheit wäre ein Zugang, ohne von der Bedienung einer Rampe oder eines Hublifts durch das Personal abhängig zu sein. Ich muss immer warten, dass die Rampe, der Lift eingesetzt wird, und steige meistens als Letzte ein. In der Zeit belegen die Fußgänger*innen die Rollstuhlplätze, insbesondere zu Stoßzeiten. Es ist auch eine Barriere, diese auffordern zu müssen, Platz zu machen. Oder man wird sogar wie im Fall von Illias stehen gelassen! Der Zugang zum einzigen Niederfluwagen mit der Rampe und den Rollstuhlplätzen wurde verweigert … weil der Wagen voll mit Fußgänger*innen war. Warum wurde Ilias der Zustieg verwehrt, statt die Fußgänger*innen zu bitten, ihm Platz zu machen?“ fragt ROBIN WOOD-Aktivistin Cécile Lecomte, selbst Rollstuhlfahrerin.
Solidarisch gegen Ableismus
In Lüneburg kamen Mitglieder der „anti-ableistischen Aktion“ zu Hilfe und unterstützten die betroffene Person am Bahnhof. Im Nachgang äußerte sich zudem Annetraud Grote, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, und der Beirat für Menschen mit Behinderung für Hansestadt und Landkreis Lüneburg, und forderte intensivere Schulungen für das Personal und mehr Tempo bei der Umsetzung von Barrierefreiheit.
ROBIN WOOD fordert:
- Eine umfassende Klärung des Vorfalls und intensivere Schulungen der Mitarbeitenden unter Einbeziehung des Betroffenen
- Abbau von ableistischen Barrieren in der Mobilität: Mehr barrierefreie Plätze in Zügen, mehr Flexibilität bei der Zugwahl, die Sicherstellung von barrierefreien Wegen zu den Gleisen u.s.w., also Zugang ohne Abhängigkeit vom Personal zum Überwinden von Barrieren.
- Die Möglichkeit für Betroffene, Beschwerden einfach, unbürokratisch, datenschutzfreundlich und barrierefrei bei einer unabhängige Stelle einzureichen
Auch im eigenen Leben ist es möglich, solidarisch mit Betroffenen von Ableismus zu sein: Von einer kritischen Auseinandersetzung mit Barrieren am eigenen Wohn- oder Arbeitsort bis hin zur praktischen Solidarität bei diskriminierenden Vorfällen ist es wichtig, das Thema im Blick zu behalten. Die Selbstorganisation von behinderten Menschen sowie ein unterstützendes Umfeld aus Allies (Ally: eine Person, die sich solidarisch mit benachteiligten Gruppen zeigt und sich aktiv für deren Rechte einsetzt), kann dazu beitragen, Barrieren abzubauen. Dazu gehört es auch, anti-ableistische Forderungen mit ins politische Handeln zu integrieren: Wer für eine Mobilitätswende kämpft, kann diese nicht ohne den Aspekt der Barrierefreiheit gewinnen – denn sozial gerechte Mobilität ist eine, bei der alle mitfahren können.
Weitere Informationen zu dem Vorfall:
- https://fightableism.noblogs.org/post/2025/05/13/ableistische-diskriminierung-bei-metronom-eisenbahngesellschaft/
- https://fightableism.noblogs.org/post/2025/05/22/stellungnahme-der-aaa-lg-zur-reaktion-der-metronom-eisenbahngesellschaft-auf-unsere-pm-vom-13-5/
- https://www.dielinke-lueneburg.de/presse/detail/die-linke-verurteilt-gewalt-gegen-rollstuhlfahrer-im-metronom/
- https://luene-blog.de/landesbeauftragte-niedersachsen-keine-diskriminierung-im-oeffentlichen-verkehr/
- https://taz.de/Diskriminierung-in-der-Bahn/!6084812/