Neues Rechtsgutachten zum Lieferkettengesetz
Fünf Anforderungen an ein Lieferkettengesetz, um Menschenrechte zu schützen und Umweltzerstörung zu verhindern
Die Initiative Lieferkettengesetz hat in dieser Woche ein neues Rechtsgutachten veröffentlicht. ROBIN WOOD ist Teil der Initiative, einem Zusammenschluss aus über 80 Nichtregierungsorganisationen (NROs), die gemeinsam für eine Welt eintreten, in der Unternehmen Menschenrechte achten und Umweltzerstörung vermeiden – auch im Ausland.
Das Gutachten beschäftigt sich mit den Fragen, welche Anforderungen ein Lieferkettengesetz erfüllen muss, damit es wirksam ist und wie diese Anforderungen im deutschen Rechtssystem umgesetzt werden können. Die Sprecherin der Initiative, Johanna Kusch, sagt mit Verweis auf die Ergebnisse: „Unsere Analyse zeigt: Menschenrechts- und Umweltschutz entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind keine Utopie, sondern nur ein Gesetz weit entfernt.“
Die Lieferketten-Initiative kommt mit dem Rechtsgutachten der Politik zuvor. Bereits im Dezember 2019 trafen sich Entwicklungsminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil – sie kündigten an, gemeinsam Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz zu erarbeiten. Damit reagierten sie auf Forderungen der Zivilgesellschaft und vieler Unternehmen nach einem gesetzlichen Rahmen, um Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Die Veröffentlichung der Eckpunkte – ursprünglich in der zweiten Februarwoche geplant – scheint sich zu verzögern.
Fünf zentrale Anforderungen an ein effektives Lieferkettengesetz
Damit das Lieferkettengesetz Wirkung entfaltet, hat das Bündnis nun fünf zentrale Anforderungen formuliert. Die Forderungen sind im Wortlaut hier nachzulesen.
Forderung 1 nimmt Bezug auf die globale Vernetzung unserer Wirtschaftsbeziehungen: Das Lieferkettengesetz muss für die gesamte Lieferkette gelten und darf nicht unter den Mindeststandards der UN-Leitprinzipien für Menschenrechte und Wirtschaft zurückbleiben, nirgendwo.
Forderung 2 verweist auf den Zusammenhang von Umweltzerstörung und der Verletzung von Menschenrechten. Wer für den Sojafuttermittelanbau Wälder rodet, der zerstört auch Lebensräume. Ohne die Anerkennung der Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Menschenrechten ist ein Lieferkettengesetz nicht wirksam.
Forderung 3 ist die unabhängige Überprüfung von Unternehmen durch staatliche Behörden und eine entsprechende Sanktionierung. Ansonsten bleibt das Lieferkettengesetz wirkungslos.
Forderung 4 an ein Lieferkettengesetz ist die grenzüberschreitende zivilrechtliche Haftung – Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen im Ausland müssen vor deutschen Gerichten angeklagt werden können.
Forderung 5 besagt, dass das Lieferkettengesetz nicht nur für die größten Unternehmen gelten soll. Kleine Betriebe dürfen nicht außen vor bleiben, wenn das Risiko von Menschenrechtsverletzungen besteht – vor allem in der Textil-, Chemie- und Automobilindustrie.
Zum Hintergrund
Vor einem Jahr, im Januar 2019, starben 272 Menschen bei einem Dammbruch bei einer Eisenerz-Mine in Brasilien – trotz durch den TÜV Süd zertifizierter Sicherheit. In Südafrika wurden 34 streikende Mitarbeiter einer Platin-Mine erschossen – BASF führt mit dem Minenbetreiber weiterhin Geschäfte.
ROBIN WOOD setzt sich für entwaldungsfreie Landwirtschaft ein und hat in Zusammenarbeit mit Mighty Earth kritisiert, dass der deutsche Geflügelgigant Rothkötter die Verwendung von Soja aus Entwaldung von Tropenwäldern durch die Unternehmen Cargill und Bunge in Südamerika nicht sicher ausschließt.
Freiwillige Selbstverpflichtungen erweisen sich allzu oft als wirkungslos, da von Unternehmen selbst gesetzte Standards und Fristen immer wieder verschoben werden. Verstöße bleiben ungeahndet.
Deshalb braucht es ein Lieferkettengesetz. Deutsche Firmen und Unternehmen, die auf dem deutschen Markt tätig sind, müssen gesetzlich zur weltweiten Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichtet werden. Bei Schäden an Menschen und Umwelt müssen die Unternehmen aber haftbar gemacht werden können. In Frankreich und Finnland gibt es schon ähnliche Gesetze. Auch auf EU-Ebene gibt es entsprechende Bestrebungen von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen.