Mit Wollbändern gegen Harvester
Im Bannwald am Langener Waldsee hat heute die Rodung begonnen
Leise rieselt der Schneegriesel, und die blaue Stunde ist fast vorbei. Deutlich zeichnen sich jetzt die Konturen der Hainbuchen voneinander ab. Der Sonnenaufgang ist die Stunde, zu der sie meistens kommen. So auch heute. Zwei Harvester schieben sich den Waldweg entlang, leuchten den Weg aus und biegen in „unser“ Waldstück ein.
„Unser“ Waldstück – das ist ein 4,3 Hektar großes Areal Hochwald. Bei der Kiesfirma Sehring heißt es schlicht „Planabschnitt 1b“. Weil die Abbaureserven in ihrer Kiesgrube erschöpft sind, will Sehring den Wald unverzüglich gefällt wissen – trotz offener Gerichtsverfahren. Gestern ist ein Sofortvollzug in Kraft getreten, ausgestellt von der grünen Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid, politisch getragen von Hessens grüner Umweltministerin Priska Hinz.
So viel Aufregung und Engagement, wenn es doch „nur“ um Kies geht? Das lässt sich damit erklären, dass hier im Rhein Main-Gebiet vieles auf die Spitze getrieben wird: massive Verdichtung, eine der wichtigsten Verkehrsdrehscheiben Deutschlands (Stichwort neues „Terminal 3“ am Frankfurter Flughafen) und dazu einer der größten Kiestagebaue – mitten in einem der ehemals größten zusammenhängenden Waldgebiete Westdeutschlands, dem ehemaligen kaiserlichen Wildbann Dreieich.
Was einst der Wildbann war, der nur den Kaiserlichen das Jagen erlaubte, ist heute der Bannwald-Status. Unter der Roland Koch-Regierung wurde dieser Status, der den hiesigen Wald nach „Startbahn West“-Zeiten unantastbar machen sollte, aufgehoben. Die für die Klimaregulierung wertvolle Fläche wurde zur Produktionsfläche umgewidmet. Das neue Bannwaldgesetz der Schwarz-Grünen greift in solchen „Altfällen“ nicht.
Der Wald schützt – aber wer schützt den Wald?
Das politisch rückgängig zu machen, ist einer der Gründe hier am frühen Morgen mit selbst gemalten Bannern im Wald zu sein. Kurz hält der Protest die anlaufende Rodung auf, dann fallen an der Tagebaukante die ersten Bäume.
Rund um das Protestnest in „unserem“ Waldstück sind bunte Wollfäden gespannt. Sie sollen symbolisch den Platz abgrenzen und vor Zugriff schützen. Später kommt noch der Revierförster vorbei, der sich von seinem Wald verabschiedet.
Mit den Waldarbeitern, die aus Österreich stammen, gibt es keinen handgreiflichen Ärger. Nur den üblichen formalen Ärger gibt es: Ein Vertreter der Firma Sehring kündigt eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und das Eintreffen der Polizei an.
Bald biegt der blaue Polizei-Benz um die Ecke, die zwei Polizisten lassen sich viel Zeit. Erst geht es darum, mit Sehring das Formale der Anzeige abzuhandeln. Die Polizisten wissen, dass WaldschützerInnen nicht einfach weglaufen, sondern zu ihrer Sache stehen, nämlich dass der Wald stehen bleibt.
Der heutige Protest war nicht der erste. Zuletzt hatten Aktive von ROBIN WOOD am 28. August 2015 – während eines Sommercamps mit lokalen Bürgerinitiativen gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens – für Bannwald und Klimaschutz am Firmensitz von Sehring demonstriert.