[Logbucheintrag 17] Gorleben - Ort des lebendigen Widerstandes

Flosstour_WolfgangEhmke.jpg

Lesung und Vortrag von Wolfgang Ehmke an der Schutzhütte neben dem Salzbergwerk in Gorleben
Foto ▸ ROBIN WOOD / Jana Ballenthien

Flosstour_UlrichRode.jpg

Vortrag von Ulrich Rode am Salzbergwerk in Gorleben
Foto ▸ ROBIN WOOD / Jana Ballenthien

Flosstour_GorlebenSchutzhuette2.jpg

Foto ▸ Jana Ballenthien

Flosstour_GorlebenSchutzhuette1.jpg

Foto ▸ Jana Ballenthien

[Logbucheintrag 17]

Gestern Abend sind wir in Gorleben angekommen. Wir haben tatsächlich extra unsere Tourplanung noch etwas verändert, um am 8.8. bereits morgens in Gorleben sein zu können. Denn an diesem Tag endet die dieses Jahr wegen Corona etwas zusammengestauchte “Kulturelle Landpartie“ (KLP). Das sind knapp 2 Wochen Veranstaltungen, Konzerte, Partys, Ausstellungen und vieles mehr. Die KLP hat ihre Wurzeln im Anti-Atom-Widerstand der letzten Jahrzehnte im Wendland und ist überregional bekannt.

Gorleben ist nicht irgendein Ort. Es ist der Ort, den die Bundesregierung 1983 als Standort für ein zentrales Atommüll-Endlager auserkoren hatte. Jahr für Jahr wurden seit dieser Entscheidung Castortransporte mit dem Zug z.B. von der französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague quer durch Deutschland transportiert und sollten schließlich in den Gorlebener Salzstock eingelagert werden. Doch da hatten sie nicht mit dem Widerstand gerechnet, der sich innerhalb weniger Jahre in der gesamten Region, dem Wendland, entwickelte und sich sogar auf ganz Deutschland ausweitete. Die Anti-Atom-Szene wuchs über die Jahre der Transporte zu einer riesigen Protestbewegung. Zehntausende, manchmal sogar über hunderttausend Menschen protestierten Jahr für Jahr an der Strecke und versuchten, den Transport hinauszuzögern und es dem Staat möglichst teuer und unbequem zu machen, seine Atompolitik durchzuziehen. Die Forderung der Bewegung: Atomkraftwerke abstellen - sofort! Die unsichere Technologie, die weltweit schon so vielen Menschen ihr Leben, ihr Zuhause und/oder ihre Gesundheit geraubt hatte, sollte nicht länger genutzt werden und gefährliche Atomtransporte zu unsicheren Endlagern sollten erst gar nicht stattfinden müssen. Gegenwärtig haben wir einen Atomausstieg, der leider einige Standorte ausspart und von uns nur als völlig unzureichend bezeichnet werden kann. In Gorleben liegen 113 strahlende Castoren oberirdisch in riesigen Hallen – einem sogenannten “Zwischenlager“ - und es ist kaum zu erwarten, dass jemals eine über Jahrtausende sichere Lösung für diesen Atommüll und den unzähligen weiteren Atommüll dieser Welt gefunden wird. Eins ist für sicher: Der Salzstock in Gorleben ist es nicht! Heute ist Gorleben gleichzeitig ein Ort der Erinnerung und des lebendigen Protests.

Im Rahmen der KLP finden am Tag unseres Besuchs am 8.8. unterschiedliche Vorträge und andere Veranstaltungen statt, die sich rund um das Thema Atomtranporte, Castorproteste und Anti-Atombewegung drehen. Wir stehen früh auf und treffen uns noch am Morgen mit Wolfgang Ehmke, einem Urgestein der Protestbewegung im Wendland. Er begleitet uns den Tag über zu einigen Veranstaltungen, die direkt oberhalb des Salzstockes und in Sichtweite zum Zwischenlager stattfinden. Bei gutem Wetter nehmen wir zuerst bei einem Vortrag von Ulrich Rode und Wolfgang teil und laufen anschließend einmal um die große Bergwerksanlage, die bis heute gut bewacht und mit Stacheldraht umzäunt ist.

Auch wir erzählen den Anwesenden von unseren vergangenen ROBIN WOOD Aktionen und viele hören gespannt zu, besonders als klar wird, dass wir in unserer Floßcrew Menschen haben, die mehrere der spektakulärsten Aktionen im Kontext der Castorproteste selbst erlebt haben. Die Geschichte von ROBIN WOOD ist tief verbunden mit den Protesten im Wendland. ROBIN WOOD Aktive stoppten mehrere Castor-Transporte. Auch das geplante Endlager wurde schon von ROBIN WOOD besucht. Aktivist*innen erklommen 2003 den Turm über dem Bergwerksschacht und blieben einige Stunden oben, um auf den bevorstehenden Atomtransport aufmerksam zu machen.

Während einige anschließend den Weg zurück zum Floß einschlagen, um dort für interessierte Besucher*innen vor Ort zu sein, wanderten andere weiter in den Gasthof nach Gedelitz – einem wichtigen Begegnungsort und Unterstützungsstruktur der Proteste. An beiden Orten sprechen sie mit Pressevertreter*innen und anderen Interessierten und erklären die Zusammenhänge zwischen der Atomindustrie und den heutigen aberwitzigen Plänen der Bundesregierung im Rahmen des Kohleausstiegs und des Klimawandels. Abends treffen wir uns alle wieder auf dem Floß, verabschieden Abreisende und nehmen neue Crewmitglieder freudig in Empfang. Wir sind glücklich, an diesem Tag die Kraft und Lebendigkeit der große Anti-Atombewegung, von der wir selbst ein Teil sind, zu spüren und zu erleben.