Lützerath lebt – die ZAD Rheinland verteidigen!

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Birkenwäldchen mit Solibanner
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Hüttendorf in Solidarität mit Lützerath
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Unter anderem diese Häuser sind von Abriss bedroht
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Bagger und Windräder hinter der 1,5° Grenze vor Lützerath Foto ▸ Sascha Waldbach

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An der Bushaltestelle steht hoffnungsfroh "Abfahrt Richtung Utopie"
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Mit Baggern und schweren Räumfahrzeugen hat der Energiekonzern RWE im November letzten Jahres damit begonnen, das Dorf Lützerath am angrenzenden Braunkohletagebau Garzweiler II zu zerstören. Diesen Herbst und Winter soll die Vernichtung der Ortschaft weitergeführt werden. Bis 2038 sollen nach und nach fünf weitere Dörfer allein diesem Tagebau zum Opfer fallen. Die NRW-Landesregeirung lässt dies zu, obwohl die Erweiterung des Tagesbaus mit dem Pariser Klimaabkommen nicht vereinbar ist. Das soll passieren, obwohl zum Einhalten des Pariser Klimaabkommens der Tagebau nicht erweitert werden darf. Damit verteidigen die Menschen auch hier in Lützerath die 1,5 Grad-Grenze zum Erreichen der Klimaziele gegen kapitalistische Profitinteressen.

Die Klimagerechtigkeitsbewegung hat die ZAD Rheinland ausgerufen. ZAD, das steht für „Zone À Défendre“, ein Gebiet, das es zu verteidigen gilt. Angelehnt ist das an eine große Besetzung in Frankreich, die ZAD de Notre-Dame-des-Landes, wo ein weitläufiges Gebiet über Jahre gegen den Einfluss des französischen Staates als Freiraum für alternative Lebenskonzepte behauptet wurde und immer noch in Teilen existiert. Besetzt wurde dort ursprünglich wegen des Baus eines unnötigen Flughafen-Großprojektes. Aus der Besetzung hat sich dann etwas viel Größeres entwickelt. Für viele Menschen wurde die ZAD zum Ort der Verwirklichung eines Lebens, fernab von kapitalistischen Leistungszwängen und repressivem Gehorsamszwang des Staates. Der Flughafen wurde dank der Besetzung nie gebaut. Nach diesem Erfolg wurden in Europa weitere ZADs ausgerufen, wie kürzlich in der Schweiz die „ZAD de la colline“ und jetzt auch im Rheinland.

Dieser Schritt macht deutlich, dass es um viel mehr geht, als gegen die Kohleförderung zu protestieren. Es geht um die Frage, wie wir miteinander und mit unserem Planeten umgehen wollen. Hier im Rheinischen Braunkohlerevier wird sichtbar, wie der kapitalistische Wachstumswahn abläuft. Für die Kohleförderung wurden im Rheinischen Revier dutzende Dörfer vernichtet und tausende Menschen enteignet und aus ihrem Zuhause vertrieben. Gleichzeitig heizt das Verbrennen der Kohle die Klimakrise weiter an. Inzwischen vergeht kein Jahr ohne Extremwetterereignisse – ob Trockensommer oder wie dieses Jahr die Flutkatastrophe – die Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher. Trotzdem stellt die NRW-Landesregierung es als Interesse des Allgemeinwohls dar, die Tagebaue zu erweitern und weiter Kohle zu fördern. Bis 2038 soll noch weiter Kohle verfeuert werden. Für den verfrühten Kohleausstieg werden RWE Entschädigungen in Milliarden Euro Höhe zugesichert. Dieses Geld fließt in die Kasse des Energiekonzerns und die Politik stimmt dem wie seit Jahrzehnten bedingungslos zu. Doch unter Allgemeinwohl versteht die Kohleindustrie bestimmt nicht ein gutes Leben für alle, sondern die Maximierung von Profiten.

Um die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten, reicht es nicht aus, auf andere Technologien umzustellen, ansonsten aber genauso weiter zu machen wie bisher. Es erfordert vor allem: weniger zu produzieren, weniger zu verbrauchen und weniger Energie aufzuwenden.

In einem Rechtsgutachten der Leuphana-Universität Lüneburg wird festgestellt, dass es keine energiepolitische Notwendigkeit gibt, den Tagebau Garzweiler II zu erweitern und somit die Rechtsgrundlage für die Enteignungen fehlt. Die weitere Zerstörung von Natur und Dörfern ist demnach nicht nur unnötig, sondern auch illegal.

Die Regierung und der Energiekonzern sind allerdings nicht bereit, auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu hören, wenn es heißt, auf Profite zu verzichten. Kapitalismus heißt Wachstum um jeden Preis. Wie bei der Räumung des Hambacher Forstes 2018, als die NRW-Landesregierung sich deutlich als Erfüllungsgehilfe von RWE herausgestellt hat, werden lieber zuerst Fakten geschaffen und hinterher behauptet, es hätte eine unklare Rechtslage gegeben und kräftig gelogen. Derzeit stellt sich der NRW-Ministerpräsident und Kanzlerkandidat Armin Laschet als Wald- und Klimaretter dar.

Unterschiedliche Gerichte bescheinigten nun in mehreren Fällen die fehlende Rechtskonformität seines Handelns, darunter kürzlich das Urteil zum Hambacher Wald, wo 2018 unter einem Vorwand von Brandschutz die größte und teuerste Räumung in der Geschichte von NRW durchgedrückt wurde. Kurz nach diesem Desaster ließ die NRW Regierung das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ans Netz gehen. Von einem Interesse an einer Energiewende und Umweltschutz ist bei Armin Laschet keine Spur. Es bleibt dabei, Kohleausstieg und Umweltschutz bleibt Handarbeit!

Gegen Profitgier und Leistungszwang steht das Dörfchen Lützerath. Vergangenen Herbst und Winter wurde mit der Zerstörung des Dorfes begonnen. Ganze Häuserreihen sind verschwunden und viele Bäume wurden gefällt, um den Weg für die Bagger frei zu machen. Die Häuser, die bereits im Besitz von RWE sind, sind mit Bauzäunen umstellt und werden Tag und Nacht vom Werkschutz RWEs bewacht. Jedoch ist noch nicht alles im Besitz des Großkonzerns. Gegen die Enteignung setzt sich ein einzelner Bewohner zur Wehr und wird von der Klimagerechtigkeitsbewegung und der Initiative „Alle Dörfer Bleiben“ unterstützt. Auf den Grundstücken, die noch nicht RWE gehören, wird der Widerstand organisiert und zusammen gelebt.

Mit Frühstück auf gedeckten Tischen unter Sonnensegeln starten die Menschen im Café Lützi in den Tag. Nach und nach kommen weitere von verschiedenen Schlaforten rund um den kleinen Ort, aus Zelten, Baumhäusern oder von der Coach im „Wohnzimmer“ und sammeln sich an Sitzkreisen um die Tische. Die Stimmung ist locker. Es wird über aktuelle Themen diskutiert, viel gelacht und zusammen gegessen. Nach dem Frühstück steht das Plenum an, bei dem Aufgaben für den Tag verteilt werden: Abwaschen, Kloputzen, Kaffee kochen, Müll wegbringen und und und. Jeden Tag steht Reproduktionsarbeit an, die erledigt werden will.
In anderen Plena wird über Bauprojekte und die Verteidigungsstrategie für das Dorf diskutiert, denn die Räumung und Zerstörung von Lützerath rückt näher. In den vergangenen Monaten sind viele Baumhäuser, Plattformen und Infrastruktur gebaut worden. Auf einer der Wiesen ist ein Hüttendorf am Entstehen. So wird zusammen organisiert und die Tage werden miteinander gestaltet. An den Wochenenden findet dann immer etwas Besonderes statt. Es kommen noch mehr Menschen zum Helfen, Bauen und abends werden Filme gezeigt oder Musik gespielt.
Hier werden eine Alternative zum kapitalistischen Leistungsirrsinn und ein Leben des Widerstands ausprobiert. Aktuell findet das Anti-Rodungs-Skillshare statt, bei dem sich die Besetzung auf die kommende Rodungssaison ab Oktober vorbereitet. Anfang November könnte dann die Enteignung der Grundstücke stattfinden, wenn der Klage dagegen keine aufschiebende Wirkung zugesprochen wird.

Also komm nach Lützerath, werde Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung und hilf mit, die ZAD Rheinland zu verteidigen!

Was geplant ist:

  • 29.09.- 06.10. Anti-Rodungs-Skillshare „Alle Bäume bleiben“
  • 01.10. Beginn der Rodungssaison mit „Platznehmen“-Aktion von Alle Dörfer bleiben
  • 10.10. Dorfspaziergang
  • 29.10.-05.11. Anti-Abriss-Skillshare und Unräumbar-Festival mit Protestcamp
  • 01.11. voraussichtlicher Räumungsbeginn