Im Dieselkraftstoff versteckt sich immer mehr Biodiesel aus Palmöl

Den meisten Menschen, die normalen Dieselkraftstoff tanken, würde nicht im Traum einfallen, dass sie mit jeder Tankfüllung ein Stück Regenwald vernichten. Jede Diesel-Tankfüllung in Deutschland basiert im Schnitt zu 1,8 Prozent auf Palmöl. Sprich in jeder Dieseltankfüllung steckt heute rund ein Liter Palmöldiesel. Betrachtet man nur den Biodiesel-Anteil, so basierten im Jahr 2013 etwa 26 Prozent der Produktion auf frischen Palmöl. Und das könnte nur der Anfang eines neuen Palmölbooms sein.
Der starke Zuwachs an Palmöldiesel ist vor allem auf falsche politische Weichenstellungen zurückzuführen. Der Einsatz von Biokraftstoffen wird in der EU durch die Beimischungsquote geregelt. Dabei beruhte die Beimischungsquote von Anfang an auf einem faulen Deal zwischen der EU und insbesondere den deutschen Autobauern, die sich jahrelang erfolgreich dagegen gewehrt haben, dass ihre Fahrzeuge niedrigere Verbrauchswerte erreichen müssen. Um Daimler, VW, BMW & Co. vom Druck zu befreien, ihre Autos effizienter zu machen, wurde 2005 von der deutschen Regierung die Idee mit der Beimischung entwickelt und in der EU durchgesetzt. Damit sollten Treibhausgas-Emissionen verringert werden, die durch die laschen Vorgaben von Verbrauchswerten nicht eingespart werden konnten.
Nur sehr langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass Biokraftstoffe oft eine dramatisch schlechtere Klima- und Ökobilanz als fossile Kraftstoffe haben. Besonders Palmöl ist ein Klimakiller. Erst im April 2015 verständigte sich die EU auf eine Obergrenze von 7 Prozent für Agrokraftstoffe aus Feldfrüchten. Damit rückte die EU erstmals vom 10 Prozent-Ziel für das Jahr 2020 ab. Die beschlossene Obergrenze ist ein langer überfälliger und wichtigerer Schritt, der aber längst nicht weit genug geht. Denn auch die nun beschlossenen 7 Prozent bedeuten fast eine Verdoppelung des Biokraftstoffanteils gegenüber dem heutigen Niveau von etwa 4,8 Prozent in der EU.

Bis vor wenigen Jahren wurde Kraftstoff auf der Basis von Palmöl dem Dieselkraftstoff vor allem im Sommer beigemischt. Denn Palmöldiesel verklumpt bei niedrigen Temperaturen sehr schnell und kann daher im Winter nur sehr begrenzt eingesetzt werden. Er muss auch mit anderen Biodiesel-Komponenten gemischt werden, weil sonst die vorgeschriebenen Qualitätsstandards nicht erfüllt werden. Trotz allem ist der Palmölanteil auch am herkömmlichen Biodiesel bereits sehr hoch, wie eine Studie des UFOP (Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen) gezeigt hat: Stichproben an 60 deutschen Tankstellen im Sommer 2013 kamen zum Ergebnis, dass herkömmlicher Biodiesel, der Standarddieselkraftstoffen beigemischt worden war, im Schnitt zu
36 Prozent aus Palmöl und Palmkernfett bestand. Im Winter lag dieser Anteil bei nur zehn Prozent. Allerdings ist in dieser Rechnung auch Altöl aus Palmöl, also zum Beispiel altes Frittierfett, enthalten, weil die Analyse nicht zwischen Alt- und Frischöl unterscheiden kann.

Seit einigen Jahren gibt es nun einen Biokraftstoff neuer Generation: die hydrierten Pflanzenöle (HVO). Die HVO sind so rein, dass sie das ganze Jahr über in fast beliebiger Höhe ohne Qualitätseinbußen Dieselkraftstoff beigemischt werden können. Da Palmöl billig ist, das HVO-Verfahren am besten mit Pflanzenölen mit gesättigten Fettsäuren wie Palmöl funktioniert und beim Einsatz von Palmöl zudem deutlich weniger Wasserstoff benötigt wird, besteht dieser neue HVO-Dieselkraftstoff zu fast 100 Prozent aus Palmöl. Rapsöl, dem bisher wichtigsten Rohstoff für herkömmlichen Biodiesel, eignet sich dagegen kaum als Rohstoff für HVO und ist aufgrund seines höheren Preises auch wirtschaftlich langfristig weit weniger attraktiv. Die Nachfrage nach Palmöl könnte daher schnell noch weiter in die Höhe schnellen. International sieht die Lage noch düsterer aus: Zahlreiche Länder fördern den Einsatz von Biokraftstoffen bereits intensiv. So befeuert zum Beispiel Indonesien mit einer aggressiven Subventionierung den Einsatz von Palmöldiesel und damit den Ausbau des Ölpalmanbaus im eigenen Land.
Bisher werden HVO in Deutschland noch nicht produziert. Sie kommen in erster Linie aus Rotterdam, wo das finnische Kraftstoffunternehmen Neste Oil eine eigene Raffinerie besitzt. Neste Oil, das mit dem südostasiatischen Palmölgiganten Wilmar zusammenarbeitet, hat den Palmöldiesel als erstes auf den Markt gebracht. Mittlerweile haben auch andere Kraftstoffproduzenten wie Total und Eni das HVO-Geschäft für sich entdeckt.

Würde bekannter werden, wie viel Palmölsprit schon jetzt in unseren Tanks steckt, würde das ohnehin schon angeschlagene Image der Biokraftstoffe weiter dramatisch leiden. Der Bundesverband Biokraftstoffe behauptet deshalb, im Jahresdurchschnitt nur drei Prozent frisches Palmöl beizumengen, verschweigt dabei aber gerne, dass er sich auf Zahlen aus dem Jahr 2014 bezieht, als der Rapspreis historisch einmalig tief stand und somit das Palmöl im herkömmlichen Biodiesel verdrängen konnte. Außerdem lässt er die HVO, in die ja mittlerweile die größte Menge Palmöl fließt, komplett außen vor.
Wie viel Palmöl sich im Biodiesel versteckt, wird bald nur noch schwer zu ermitteln sein: Während man herkömmlichen Biodiesel noch relativ einfach untersuchen und die Rohstoffbasis aufgrund der unterschiedlichen Fettsäuremuster erkennen kann, ist dies bei HVO nicht mehr möglich. Hier werden die eingesetzten Rohstoffe bei der Produktion so stark verändert, dass die ursprünglichen Fettsäuremuster verloren gehen.
Man kann nur feststellen, ob HVO beigemischt wurden. Und hier zeigen die Zahlen, dass der Anteil der HVO an herkömmlichem Biodiesel, abgesehen von einigen Ausreißern, steil ansteigt! Das goldene Zeitalter für Palmölsprit beginnt womöglich gerade erst.