Holzfäller treffen auf standhafte Kastanie
Protest in Kronberg
Am heutigen Mittwoch, den 18.1. begannen in Kronberg die Rodungen für den Bau des Konzertsaales und des Musikübungszentrums. Nicht Bürgerinitiativler oder RoWo-AktivistInnen waren es, die den größten Widerstand dagegen entwickelten, sondern einer betroffenen Bäume selber. Dazu später mehr.
Beginnen wir mit dem frühen Morgen. Noch in der Dunkelheit werden die Transparente ausgetauscht. Jetzt bekommen der Mammutbaum und die Kastanie Augen aus Stoff. Für heute ist die Rodung angekündigt, und die Holzfäller sollen ihnen „Auge in Auge“ gegenüberstehen. Gegen sechs kurvt ein Streifenwagen vorbei, aber die Besatzung hat mich nicht gesehen. Das Gehölz des Mammutbaumes bietet guten Sîchtschutz.
Als es hell wird, kommen die Pendler auf dem Weg zur S-Bahn-und die Holzfäller. Sie fahren mit der Rückemaschine vor, heben demonstrativ deren Räumschild und verkünden, dass „mich ab jetzt jede Stunde Verzögerung pro Person 500 Euro kosten würde“. Macht mal, sage ich. Leider tun sie das und beginnen nach Rücksprache mit der kommunalen Ordnungspolizei an anderer Stelle zu roden. Dann beginnt das Warten auf die Landespolizei.
Nur wenige Mitglieder der Bürgerinitiative sind dauerhaft präsent und nach drei Stunden im Baum kühlen meine Muskeln aus. Ich muss die Baumaktion abbrechen, nachdem ein Pressefotograf Bilder geschossen hat. Die Landespolizei nimmt nur die Personalien auf. Was ich nicht weiß: Inzwischen geht die Aktion auf Facebook und Twitter um. Heutzutage erfolgt die Demoteilnahme als digitaler Follower, am Schreibtisch oder unterwegs.
Kaum bin ich unten, geht es mit der Fällung los, die offenbar oberste Priorität hat. Der Baum fällt genauso gerade, wie er gewachsen war und ebenso schnell. Zeugen will man dabei möglichst wenige haben – hat sie aber durch die Verzögerung doch, wie die Schulklasse, die am Morgen am Baum vorbeikam und ihn wenig später gefällt am Boden vorfindet. Viele Kinder reagieren entsetzt. Die Kastanie steht noch, und der Platz zu ihrem breiten Fuß wird zum Anlaufpunkt für AnwohnerInnen und Anwohner. Der 325-jährige Baum sieht aus, wie kleine Kinder einen Laubbaum malen: Ein Rechteck, aus dem oben Äste wie Haare heraussprießen. Mittags gegen halb drei kommt die Polizei, auch dieser Baum soll gefällt werden. Die Rückemaschine fährt beinahe in eine Menschengruppe hinein. Es gibt einen Platzverweis und die Fällung beginnt. Die Holzfäller schneiden den Stamm an und versuchen den Baum umzudrücken. Doch nichts passiert, die Räder des Fahrzeugs mahlen sich in den Boden. Dann wird nochmals die Säge angesetzt – mit gleichem Ergebnis. Viermal muss dies wiederholt werden, bis der Baumtorso schließlich fällt.
Nicht nur wir, auch die Polizei, die Stadtvertreter und selbst die Holzfäller sind von dem widerständigen Baum beeindruckt.
Dieser Baum hätte gar nicht als Naturdenkmal entwidmet werden dürfen.
Leider merken viele einen Verlust erst, wenn sie etwas unrückholbar verloren haben. So ist es auch mit den Bäumen. Allerdings sind große Naturflächen am Bahnhof, die vor der Bebauung stehen, noch zu retten.
Peter Illert
Robin Wood Regionalgruppe Rhein-Main