Gerecht geht anders!

Vom 26.-28. Juli findet der G7-Gipfel auf Schloss Elmau statt. Dagegen protestiert morgen ein breites Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden unter dem Motto „Gerecht geht anders“, zu der ROBIN WOOD ebenfalls aufruft (G7-Demo-Aufruf). Mit der Großdemo fordert das Bündnis schnelles Handeln gegen Klimakrise, Artensterben, Armut und Ungleichheit von den mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt. Eine dieser Forderungen ist, bis zum Jahr 2030 30 Prozent des Planeten unter Naturschutz zu stellen. Während wir die Ziele und Forderungen der G7-Demo unterstützen, vertreten wir in puncto Naturschutz eine andere Position. Das pauschale Ziel, 30 Prozent der Erde unter Naturschutz zu stellen, bringt dem Artenschutz im Zweifel wenig, könnte im Gegenteil jedoch zum größten „grünen“ Landraub aller Zeiten führen.

Das Global Biodiversity Framework

Die Bündnis-Forderung, 30 Prozent der Erde bis 2030 unter Schutz zu stellen, ist ein Kernelement des Global Biodiversity Framework, kurz GBF. Das Framework ist ein strategischer Plan, um die Konvention für biologische Vielfalt umzusetzen, die 1992 auf dem UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro verabschiedet und von mittlerweile von 196 Vertragsstaaten unterzeichnet wurde. Das GBF soll noch in diesem Jahr von den Mitgliedsstaaten beschlossen und damit auch die sogenannte „30x30“- Zielvereinbarung getroffen werden.

ROBIN WOOD kritisiert das 30x30 Naturschutzziel. Denn auch wenn es sehr viele gute Gründe gibt, das globale Artensterben zu stoppen – nicht zuletzt unser Überleben – gibt es auch viele gute Gründe, nicht einfach 30 Prozent der Erde in Naturschutzgebiete umzuwandeln und zu hoffen, damit die Artenvielfalt zu erhalten. Ein zentrales Problem der Zielvorgabe liegt in der Unklarheit darüber, wer die Entscheidungsmacht hat oder nach welchen Kriterien entschieden wird, wo genau die Schutzgebiete liegen sollen.

Von Landraub, Artenschutz und dem profitablen Geschäft mit Naturschutz

Aufgrund der großen Überschneidung von Gebieten, die besonders artenreich und gleichzeitig die Heimat lokaler Gemeinschaften und Indigenen Völker sind, besteht insbesondere im Globalen Süden die Gefahr einer neuen Ära des Landraubs. Legitimisiert durch ein übermächtiges Narrativ, angefeuert von Klimakrise und Artensterben, erdrückt die globale Forderung nach mehr Naturschutz die vermeintlich nichtige Anerkennung von lokalen Landrechte.

Naturschutz kann schaden. Während Naturschutz in Deutschland bedeutet, dass Natura 2000 Gebiete im Zweifel doch lieber für neue Autobahnen abgeholzt werden, kann Naturschutz im Globalen Süden Menschenleben zerstören. Plötzlich als Schutzgebiet deklariert, umzäunt und mit Waffengewalt verteidigt – das ist das Konzept der sog. "fortress conservation".

Die Einrichtung von Schutzgebieten nützt dabei häufig vor allem der Wirtschaft, die ihre Kohlenstoffbilanz mit Investitionen in „Naturschutz“ aufbessern will. Damit leisten Unternehmen jedoch einzig einen Beitrag zur Kommodifizierung von Natur und Privatisierung von Umweltschutz und machen mittels Handel von „carbon offsets“, „habitat banks“ oder „wildlife derivatives“ noch Profit. Naturschutz darf aber kein Geschäftsmodell sein!

Hinzukommt, dass nur ein Bruchteil der Schutzgebiete tatsächlich dem Artenschutz dient. Eine Studie (Hallmann et al., 2017), die über einen Zeitraum von fast 30 Jahren die Insekten-Biomasse in geschützten Gebieten Deutschlands erfasst hatte, kam zu einem entsprechend desaströsen Ergebnis: Über die Jahre wurden insgesamt 76% Prozent weniger fliegende Insekten erfasst.

Die Studie zeigt damit, dass es nicht nur auf Schutzgebiete ankommt, wenn es um den Erhalt der Artenvielfalt geht, sondern auch darauf, was dazwischen passiert: Auf den Äckern und Forsten, in den Städten und auf den Straßen. Und genau das wird bei pauschalen Naturschutz-Zielen außer Acht gelassen.

Symptombekämpfung? Gerecht geht anders!

Der Verlust artenreicher Ökosysteme ist die Folge unserer Lebensweise. Die Ausweisung von Naturschutzgebieten ist in diesem Zusammenhang also reine Symptombekämpfung. Damit ändern wir nicht unser Wirtschaftssystem oder unsere Konsummuster, stoppen nicht die steigende Nachfrage nach Rohstoffen und die Expansion agrar-industrieller Produktion von Lebensmitteln – denn das wäre ungemütlich für uns, hier im Globalen Norden.