Gegen den Flughafen und seine Welt - die ZAD wird geräumt!

Gestern begann die Räumung der ZAD bei Nantes in Westfrankreich. ZAD steht für  "Zone à défendre",  eine "zu verteidigende Zone".

Bereits um kurz vor 9 Uhr waren 77 Kundgebungen in ganz Frankreich in Solidarität mit den Besetzer*innen angemeldet worden. Im Laufe der letzten Woche wurden mehrere dutzend Plattformen in den Wäldern um die ZAD errichtet, um die Räumung zu erschweren.

Was hat es mit dieser ZAD auf sich? Wie ist sie entstanden, und wie kommt es, dass die Räumung so viel Aufmerksamkeit erfährt?

Auf dem 1650ha großen Gebiet nahe Nantes an der Westküste Frankreichs sollte bereits in den 70er Jahren ein Flughafen gebaut werden. Schon damals regte sich Widerstand aus der lokalen Bevölkerung. Das Vorhaben scheiterte.

2002 wurden die Pläne wieder aufgenommen. Der neue Flughafen würde zu einer kompletten Urbanisierung der bisher ländlichen Gegend führen: der Flughafen, ein TGV Bahnhof, Einkaufszentren, Räume für Konferenzen, ein Industriegebiet, Hotelkomplexe…

Der „Traum“ von einem kapitalistischem Wirtschaftszentrum zwischen Nantes und Rennes (die beide übrigens bereits einen Flughafen besitzen) sollte mit dem Bau des neuen Flughafens erfüllt werden. Doch zu welchem Preis? Umsiedlung der dortigen Bevölkerung und Verlust ihrer Lebensgrundlage, Versiegelung großer wertvoller Biotope, Lärm und Feinstaub für die angrenzenden Ortschaften sowie Klimawandel und die Verschärfung globaler Ungleichheiten (denn wer wird wohl auf diesem Flughafen starten und landen dürfen? Wohl nicht die, die vor Hunger, Klimawandel und Krieg fliehen, sondern eher diejenigen, die ihn antreiben und verwalten).

Als Reaktion auf die neuen Pläne und die drohende Umsiedlung wurde 2007 das erste bereits von seinen Vorbesitzer*innen verlassene Haus auf dem zukünftigen Flughafengelände besetzt.

2009 rief die lokale Bevölkerung, die Widerstand gegen den Flughafenbau leistete, zu einem Klimacamp auf, zu dem zahlreiche Menschen kamen, die blieben und weitere bereits verlassene Höfe besetzten. Auch Felder wurden besetzt und neue Häuser darauf errichtet. Die Menschen begannen, sich selbst zu organisieren und die Felder mit Hilfe der lokalen Bevölkerung zu bewirtschaften.

Im Oktober 2012 startete die Regierung die „Operation Caesar“ mit dem Ziel, die Besetzungen zu räumen. Dem Namen getreu gingen sie skrupellos und gewalttätig vor. Es gab viele Verletzte. Doch die Räumung heizte den Konflikt nur weiter an und nur wenige Tage nach Abschluss der Polizeiaktion (die bis in den November dauerte) wurde zu einer großen Demonstration mit Wiederbesetzung aufgerufen. Es kamen 40.000 Menschen mit Schaufeln, Spaten etc., um das Land wieder zu bewirtschaften. Die von der Polizei zerstörten Hütten wurden schnell wieder aufgebaut. Eine Woche später versuchte die Polizei erneut zu räumen, kam aber nicht weit, denn im Umkreis der Besetzung wurden Barrikaden aufgestellt und Sabotage betrieben. Rund 40 Traktoren umzingelten die Hütte, die von der Polizei zerstört werden sollte. Die Polizei ruderte zurück. Und versuchte mit den Besetzer*innen in Verhandlung zu treten. Doch da das Abblasen des Projektes nicht zur Debatte stand, sondern lediglich die Modalitäten unter denen der Flughafen dann doch gebaut werden könne, bestand wenig Interesse. Die ZAD wurde ab sofort belagert: Wer rein wollte musste sich mindestens einer Passkontrolle, eventuell Durchsuchungen, unterziehen.

Im April 2014 lud „Sème-ta-ZAD“ (dt: Säe deine ZAD) zu einer großen Demonstration mit anschließender Pflanzaktion ein. Eine Woche danach endete auch die Belagerung der ZAD. Nun konnte wirklich begonnen werden, eine Alternative zu Leben. Dazu gehörte das gemeinsame Verteilen der Anbauflächen, Anbaukollektive für Gemüse, Kartoffeln, Weizen, Sonnenblumen…, ein Backkollektiv, das Organisieren eines „non marché“ (dt: Nicht-Markt), bei dem es alles erwirtschaftete zum selbstgewählten Preis gab (auch für Menschen, die nicht Teil der Kollektive waren), auch das Leben wurde kollektiv organisiert in besetzten verlassenen Höfen oder selbstgebauten Häusern und Hütten. Natürlich gab es weiterhin Demonstrationen und Aktionen gegen den Flughafen, denn obwohl nun wieder etwas Ruhe einkehrte und die direkte Bedrohung einer Räumung oder eines Angriffes vorbei war, sollte der Flughafen weiterhin gebaut werden.

Der hartnäckige und entschlossene Widerstand auf der ZAD inspirierte auch in anderen Teilen Frankreichs Gruppen, sich gegen unnütze Großprojekte zu wehren. Im Laufe der Jahre entstanden andere Besetzungen, zum Beispiel im Wald von Sivens gegen ein Staudammprojekt (bei dessen Räumung Rémi Fraisse von der Polizei ermordet wurde), das Flüchtlingscamp in Calais, welches Geflüchteten auf ihrem Weg nach England Zuflucht gab und die Waldbesetzung in Bure gegen den Bau eines nuklearen Endlagers.

Im Januar 2018 kam dann die gute Nachricht: Die Regierung sagte den Flughafenbau (und alle damit verbundenen Bauprojekte) ab! Erstmal war Feiern und Durchatmen angesagt.

Doch schon bald wurde bekanntgegeben, dass die Regierung die Besetzungen räumen möchte. Aus ihrer Sicht gibt es keinen Grund für ein weiteres Fortbestehen. Die Besetzung richtete sich jedoch nicht nur gegen den Bau des Flughafens, sondern auch gegen „son monde“ (dt: „seine Welt“). Ergo gegen kapitalistische Wirtschaftslogik, Ausbeutung von Mensch und Natur weltweit, Unterdrückung und ungleicher Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen. Und dieser Kampf ist noch lange nicht gewonnen. Immer noch ist Zugang zu Ressourcen wie Land und Wasser, aber auch zu industriellen Rohstoffen ungleich verteilt. Unsere Lebensgrundlage wird zugunsten des Profits immer weiter zerstört. Die auf Wachstum und fossilen Rohstoffen basierende Wirtschaftsweise befeuert den Klimawandel, der wiederum weite Teile der Welt unbewohnbar macht und Menschen in die Flucht treibt.

Auch in Zukunft soll die ZAD, die „ zu verteidigende Zone“ ein Ort sein, an dem Menschen zusammenkommen, sich dieser zerstörerischen Logik entgegenstellen und Alternativen ausprobieren und leben!