Gas: Brücke ins Nichts

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Gaskraftwerk: nachhaltig und gerecht sieht anders aus

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Gasförderung

Das Pariser Klimaabkommen liegt nun genau fünf Jahre zurück. Damals verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten die globale Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Ein Ziel, das noch immer in weiter Ferne liegt. Doch statt endlich entschlossen den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern, trumpft die Bundesregierung mit Plänen auf, die die Kohle mit Erdgas ersetzen sollen. Erdgas – genau so fossil wie Kohle – wird dabei als “zukunftsweisender” Energieträger und seine Technologien zu “Brückentechnologien” verklärt. Mit Investitionen in Milliardenhöhe soll in den kommenden Jahren Gas-Infrastruktur und -Technik ausgebaut werden. Diese Pläne sind selbst mit den eigenen Klimazielen, nach denen Deutschland im Jahr 2050 - in Summe - keine klima-erwärmenden Gase mehr ausstoßen darf - nicht vereinbar. Zudem genügt diese Zielsetzung nicht einmal dem 1,5ºC-Ziel: Laut dem Wuppertal-Institut muss Deutschland dazu schon bis zum Jahr 2035 aus allen fossilen Energien aussteigen (vgl. Studie “Co2-neutral bis 2035“ des Wuppertal-Instituts). Wenn wir jetzt nicht intervenieren, sperren wir uns in einer fossilen Infrastruktur ein, die uns jahrzehntelang toxische Emissionen bescheren wird (sog. “Carbon Lock-In”) – oder deren baldige Abschaltung - wie im Falle der Kohle - teuer mit öffentlichen Geldern erkauft werden muss.

Was dabei auf dem Spiel steht ist dramatisch: Die Klimakrise wird zu weiter auseinanderklaffender sozialer Ungleichheit, zu kriegerischen Konflikten, zur Zerstörung von Lebensgrundlagen, zum massiven Verlust an Biodiversität und zur Zunahme an Extremwetterereignissen führen. Es gibt Kipp-Punkte im Klimasystem. Beim Überschreiten der 1,5ºC-Marke steigt das Risiko immer mehr diese Kipp-Punkte zu erreichen. Die Folge sind unumkehrbare und sich selbst verstärkende klimatische Vorgänge, wofür der sibirische Permafrost oder die Polkappen- und das Grönland-Eisschild mächtige Beispiele darstellen. Unter all dem werden wir alle - ganz besonders aber die am meisten Benachteiligten dieses Planeten - leiden.

Schon jetzt ist Gas ein Klimaproblem!

Auch wenn in Deutschland bisher noch kaum über Gas politisch debattiert wurde (auch für die Klimabewegung stand das Thema immer im Schatten der Kohle): Als Energieträger spielt Gas schon aktuell eine große Rolle. 2018 lag der Erdgasverbrauch Deutschlands insgesamt bei 945,3 Mrd. Kilowattstunden – das sind ca. 23% unseres Primärergieverbrauchs. Vor allem in der Wärmeversorgung, in der Stromerzeugung und Industrie bzw. Gewerbe wird aktuell Erdgas eingesetzt. Der aller größte Teil des hierzulande genutzten Erdgases wird importiert – vor allem aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Damit ist Deutschland weltweit der drittgrößte Importeur von Erdgas.

Anders als die fossile Energiewirtschaft und die Bundesregierung uns versuchen glauben zu machen, ist Erdgas dabei alles andere als “sauber”. Zwar stößt der reine Verbrennungsvorgang von Gas “nur” ungefähr halb so viel Co2 aus, wie die Verbrennung von Kohle, aber zum einen ist auch dies noch zu viel Co2 für unsere Klimaziele und zum anderen hat Erdgas ein dreckiges Geheimnis: Bei der Gewinnung und dem Transport von Gas treten große Mengen an Methan aus – das deutlich klimaschädigender ist als Co2. Für die Förderung von Gas und dessen Transport in den USA zeigt eine Studie: insgesamt 2,3% des Gases entweicht unkontrolliert. Das so entweichende Methan ist deutlich klimschädlicher als Co2 - über 20 Jahre gesehen sogar 86-fach höher, und über 100 Jahre gesehen 35-fach höher.

Es droht ein massiver Ausbau an Gas-Infrastruktur!

Nichts desto trotz setzt die Bundesregierung - insbesondere im Zuge des beschlossenen Kohleausstiegs - auf Gas. Statt die Kohlekraftwerke abzuschalten und eine erneuerbare Strom- und Wärmeversorgung aufzubauen, sollen Stein- und Braunkohlekraftwerke im großen Stil zu Gas umgerüstet werden. Den Kraftwerksbetreibern wird die Umrüstung ihrer Anlagen mit staatlichen “Umrüstungsboni” in Milliardenhöhe schmackhaft gemacht. So könnte der lange überfällige Ausstieg aus der Kohle in Deutschland zu einem deutlichen Anstieg des Gasverbrauchs führen. Kurz nach dem sogenannten Kohlekompromiss, veröffentlichte der Lobbyverband “Zukunft Gas” eine Studie wonach schon der Ersatz der bis 2022 abzuschaltenden Kohlekraftwerke einen Anstiegs des deutschen Gaskonsums über 8% bedeuten würde.

Neben den Kraftwerksumrüstungen drohen noch weitere Infrastrukturprojekte uns an ein überkommenes fossiles Energiemodell zu fesseln. Dazu gehört der Ausbau von North-Stream-2 , einem riesigen Gas-Pipeline-Projekt zwischen Russland und Deutschland. Aufgrund von massiven Handelssanktionen der USA ruhte der Bau der Pipeline für über ein Jahr. Ob die zu über 90% fertiggestellte Leitung jemals fertig gebaut wird, ist fraglich und hängt maßgeblich von der kommenden US-Regierung ab. Trotzdem hält die Bundesregierung an dem Projekt fest und setzt sich immer wieder dafür ein.

Gleichzeitig soll Infrastruktur für Flüssiggas (Liquified Natural Gas = LNG) in Deutschland entstehen. Mehrere solcher LNG-Häfen sollen an der deutschen Nordseeküste entstehen. Die Häfen sind als Zugeständnis an die US-Regierung zu werten, denn diese möchte den Export von Erdgas nach Europa massiv ausbauen. Das Erdgas (teilweise gefrackt!) wird unter hohem Energieaufwand verflüssigt und anschließend nach Europa verschifft. Das macht LNG ebenso klimaschädlich wie Braunkohle. Die Häfen sollen mit großzügigen Fördermitteln vom Bund und Niedersachsen bzw. Schleswig-Holstein unterstützt werden. Das Argument: Russlands Einfluss soll hiermit eingedämmt werden, wirtschaftliche Profite sollen gesichert werden und Investitionen in eine “Zukunftstechnologie” gefördert werden.

Grünes Gas ist nicht die Lösung!

Ein beliebtes Argument für Investitionen in Gas-Infrastruktur ist, dass diese in Zukunft mit sogenanntem grünen Gas betrieben werden könnte. So könnte grüner elektrischer Strom – z.B. aus Windkraft gewonnen – durch etwa Elektrolyse zu grünem Gas umgeformt werden (Power-to-Gas). Dieses kann dann verhältnismäßig gut gespeichert und transportiert werden. Das Problem: Bei der Umformung entstehen große Verluste – das Verfahren ist also höchst ineffizient. Auch gibt es noch viel zu wenig “überschüssigen” erneuerbaren Strom, der dafür genutzt werden könnte. So ist die Aussage vieler Studien, sogenannter “Transformationsstudien“, u.a. von Umweltbundesamt (vgl. Studie: “Nachhaltiger Beitrag des Gassektors“) und dem Öko-Institut e.V. (vgl. Studie: “Klimaschutzszenario 2050“): Grünes Gas darf nur eine untergeordnete Rolle spielen und der Gesamt-Gaskonsum muss stetig sinken. Überall wo es möglich ist, ist die dezentrale und erneuerbare Vor-Ort-Technologie zu bevorzugen! Grüne Gase dürfen nur Anwendung finden, wo absolut keine Alternative gefunden wird.

In der Erzählung von grünem Gas findet sich darüber hinaus häufig die neokoloniale Idee von massivem Energieimport. So soll verflüssigtes, grünes Gas beispielsweise aus sonnenreichen Sahara-Regionen importiert werden. Die westlichen Industrieländer, die hauptsächlich für die bereits ausgestoßenen klimaschädlichen Gase verantwortlich sind, wollen nun ihren Energiekonsum also aus Regionen decken, die am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind und sein werden. So kann die Vision für eine klimagerechte Welt nicht aussehen!

Das heißt: Unser Gaskonsum muss jetzt(!) schnell und stetig sinken. Es darf keine weitere fossile Infrastruktur – egal ob Kraftwerke, Pipelines oder Häfen - gebaut werden und alle entsprechenden Subventionen und Förderungen müssen eingestellt werden. Stattdessen brauchen wir einen konsequenten Umstieg auf eine erneuerbare Wärme- und Stromversorgung.

Klimagerechtigkeitsbewegung versus Erdgas:

Das Thema Erdgas ist einer der Schlüsselkonflikte im Kampf um ein schnellstmögliche Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase. Entsprechend rückt das Thema Erdgas immer mehr in den Fokus der Klimagerechtigkeitsbewegung in Deutschland. Schließlich haben wir nicht jahrzehntelang gegen den Klimakiller Kohle gekämpft, um nun einem anderen fossilen Energieträger Tür und Tor zu öffnen!

Das Aktionsbündnis Ende Gelände hat schon im vergangenen Sommer Gas-Infrastruktur blockiert. In Wilhelmshafen und weiteren, von LNG-Häfen betroffenen Küstenstädten organisieren sich Bürgerinitiativen und bundesweit finden Klimaaktive Interesse an einer Auseinandersetzung. Im Ausland sind Aktivist*innen von Code Rood in den Niederlanden, indigene Aktivist*innen der Wet'suwet'en in Kanada und viele weitere schon deutlich länger aktiv.

In solidarischer Synergie mit diesen Aktiven, wollen auch wir bei Robin Wood uns verstärkt dem Kampf gegen Erdgas widmen. Wir sind dabei uns intensiv mit anderen Gruppen und Organisationen zu vernetzen, uns in das Thema einzuarbeiten und erste Aktionen zu planen. Auch gibt es dieses Jahr das erste mal eine Stelle für einen Bundesfreiwilligendienstleistenden zum Thema Gas bei Robin Wood. Wenn ihr Lust habt zu dem Thema aktiv zu werden meldet euch gerne mit einer Mail bei energie [at] robinwood.de. Gemeinsam können wir die fossile Energie endgültig in die Geschichtsbücher verbannen, um nachhaltig und gerecht auf diesem Planeten leben zu können!