Im Vordergrund sind Fahrräder zu sehen, im Hintergrund ein landendes Flugzeug

Flughafen-Ausbau in Leipzig/Halle

Während DHL Profite einfährt, zahlen andere die bittere Rechnung des wachsenden Frachtflugverkehrs. Ende Juli sind Proteste geplant.

14. Juni 2022
Mobilität
Jonas Asal
Flugverkehrscampaigner
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2021 blockierten rund 50 Aktivist*innen die Zufahrt des DHL-Geländes. Für Ende Juli werden im Rahmen des Klimacamps Leipziger Lands weitere Aktionen gegen die geplante Erweiterung des Frachtflug-Drehkreuzes geplant.
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Peter Richter mahnt vor den Folgen des wachsenden Flugverkehrs: Nur die Kirche, ein paar Gebäude und eine Infotafel sind noch von Kursdorf geblieben, welches nun zwischen den beiden Landebahnen eingeklemmt liegt. Die Schadstoff- und Lärmbelastungen zwangen vor wenigen Jahren die letzten Einwohner*innen zum Gehen.
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Auf die Frage, wann er zuletzt überlegt habe den Kampf gegen den Fluglärm aufzugeben, zögert Peter Richter nicht lange mit einer Antwort: „Erst heute morgen habe ich daran gedacht, das Haus zu verkaufen und woanders hinzuziehen. Auch meine Ärztin hat mir das geraten. Aber es geht nicht, meine Schwiegereltern wohnen bei uns im Haus und ich kann diese Entscheidung nicht so einfach treffen.“ Dabei, so erzählt der Vorsitzende der Interessensgemeinschaft Nachtflugverbot, wurde sein Haus vor über einem Jahrhundert gebaut und damit einige Jahre vor dem in den 1920er Jahren eröffneten Flugplatz. Und wer hätte damals schon geahnt, dass sich der kleine Flugplatz zwischen Leipzig und Halle einmal zu einem der größten und lärmbelastesten Drehkreuze für den globalen Warenverkehr entwickeln würde?

Als Peter Richter in einer großen Tour das Flughafengelände zeigt, ist ihm deutlich anzumerken, dass er hier oft unterwegs ist und über vieles Bescheid weiß, was hinter dem Zaun vor sich geht. Der Geschäftsführer einer Pferdesportagentur investiert einen großen Teil seiner wenigen freien Zeit in seine ehrenamtliche Tätigkeit als Sprecher der „IG Nachtflugverbot“. Richter wurde aus eigener Betroffenheit aktiv, nachdem sich 2008 ein für ihn denkbar unangenehmer Nachbar am Flughafen angesiedelt hat. Für DHL, eines der weltgrößten Logistik-Unternehmen und Tochterunternehmen der Deutschen Post, rollte man damals den roten Teppich aus: eine zweite Landebahn wurde gebaut und eine neue umstrittene Flugroute genehmigt, die sogenannte Südabkurvung. Die Konsequenz: der Flugverkehr nahm drastisch zu und Peter Richter gehörte nun zu tausenden Menschen, die über eine dauerhafte Lärmbelastung klagten. Besonders nachts, wenn an den meisten Flughäfen ein Flugverbot gilt, stören hier im Minutentakt Frachtmaschinen den Schlaf – mit gravierenden gesundheitlichen Folgen.

Einige Initiativen begleiten den kontinuierlichen Ausbau des Flughafens seit Jahren kritisch, doch auf Regierungs-Ebene gab es bislang kaum Widerstand. Wie weit der Bund und das Land Sachsen damals gingen, um DHL nach Leipzig/Halle zu locken, ist dennoch erstaunlich. Neben der Finanzierung der neuen Landebahn, den Genehmigungen für die neue Flugroute und für Nachtflüge, stellte man für DHL äußerst lukrative Wettbewerbsvorteile sicher – vor allem die Lärmentgelte und Landegebühren sind im europäischen Vergleich extrem gering. Diese Wettbewerbsbedingungen wollte der Freistaat Sachsen sogar mit einer Garantie von 500 Millionen Euro vergolden. Hier schritt die EU-Kommission 2008 jedoch ein und kippte diese Zusicherung. Trotz der massiven Subventionen, die in das Frachtdrehkreuz gepumpt wurden, ist der Betrieb allerdings nur für DHL profitabel: Der Betreiber des Flughafens, die Mitteldeutsche Flughafen AG, befindet sich komplett in öffentlicher Hand und erwirtschaftet jährlich Verluste – an denen sich DHL nicht beteiligt.

Jetzt soll der Flughafen für DHL sogar erweitert werden. Der Plan sieht vor, bis 2030, 36 neue Stellplätze für Frachtflugzeuge zu schaffen und damit die Start- und Lande-Kapazitäten des Flughafens um weitere 50% gegenüber 2019 zu steigern. Und wieder werden vor allem öffentliche Gelder verprasst: Investitionen von rund einer halben Milliarden Euro plant der Flughafenbetreiber. Aktuell läuft ein Planfeststellungsverfahren, doch die Machtverhältnisse in diesem Beteiligungsformat sind mehr als ungleich. Auf der einen Seite steht das globale Unternehmen mit teuren Anwält*innen und Medienprofis eng zusammen mit Regierungsvertreter*innen. Auch die meisten Bürgermeister*innen der Kommunen haben sich nach anfänglichem Widerstand mittlerweile auf diese Seite geschlagen. Mitglieder der IG Nachtflugverbot deuten an, dass dort Einfluss genommen und Geldversprechen für die klammen Kassen der Gemeinden gemacht wurden. Auf der anderen Seite stehen die ehrenamtlichen Gegner*innen des Ausbaus: sie wälzen tausende Seiten Gerichtsakten, schreiben Einwendungen, klagen vor Gericht, organisieren Treffen und investieren dabei nicht nur viel Zeit sondern auch viel privates Geld.

Doch außerhalb des Beteiligungsverfahren bekommt der Widerstand nun immer breitere Unterstützung. Unter dem Schlagwort Klimagerechtigkeit arbeiten vermehrt Initiativen gegen den klimaschädlichen Betrieb des Flughafens und fordern „Rückbau statt Ausbau“. Neben dem Lärmproblem und steigenden Treibhausgas-Emissionen am Flughafen, wird die Zivilgesellschaft auch zu weiteren Ungerechtigkeiten aktiv: gegen die Arbeitsbedingungen bei DHL und beim neuen Amazon-Logistikzentrum, gegen die regelmäßigen Abschiebungen, die in einem abgetrennten Terminal am Flughafen durchgeführt werden und gegen die Waffen- und Militärtransporte, die weitestgehend im Verborgenen stattfinden. Im Sommer 2021 fand vor allem die Aktion der Gruppe „Cancel LEJ“ überregional Beachtung. Rund 50 Aktivist*innen blockierten das Einfahrtstor zum DHL-Gelände für ein paar Stunden. Nachdem DHL mit einer Schadensersatzforderung von 1,5 Millionen Euro reagierte, wurden fast alle Beteiligten für rund 30 Stunden von der Polizei festgenommen. Diese 1,5 Millionen Euro sind für die meisten jungen Protestierenden sehr viel Geld, doch im Vergleich zu den Millionen an Subventionen, oder den Top-Gehältern von DHL wohl eher unbedeutend. Den Zweck der Einschüchterung hat die Forderung von DHL aber wohl eher nicht erfüllt. Die nächsten Aktionen werden fleißig von verschiedenen Gruppen geplant.