Estland: Verbot von Holzeinschlag in Natura 2000-Gebieten

Montag erhielten wir die freudigen Nachricht: „Die estnische Umweltbehörde hat den Holzeinschlag in Natura 2000-Waldgebieten vorläufig für bis zu 28 Monate ausgesetzt“.

Mit dieser Entscheidung Estlands werden mehr als 42.000 Hektar biologisch wertvoller Wald, in denen der Holzeinschlag bisher erlaubt war, nun vorerst geschützt. Wie kaum anders zu erwarten, wurde diese Entscheidung nicht von der estländischen Regierung selbst gefällt. Zuvor hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Estland eingeleitet, da das Land bei der Genehmigung des Holzeinschlags die Auswirkungen auf die Waldlebensräume nicht ausreichend prüfe. Doch nun ist der Weg aufgezeigt und Estland geht mit. Das Ministerium plane sogar, einen Vorschlag zur Änderung des Naturschutzgesetzes vorzulegen, der den endgültigen Schutz der Waldlebensräume über das Moratorium hinaus gewährleisten soll, so die estländische Umweltministerin Erki Savisaar.

Spannend ist, dass die Europäische Kommission den Fall bisher nicht vor den Europäischen Gerichtshof gebracht hatte. Estland entschied nun bereits davor, dass dieses Risiko aufgrund der zu erwartenden hohen Strafzahlungen zu hoch sei. Der Höchstbetrag des Bußgeldes, das Estland durch ein Verfahren drohen würde, beläuft sich auf 17,7 Millionen Euro als Pauschalbetrag. Rückwirkend für die Jahre bis 2004 könnten immerhin noch bis zu 6,9 Millionen Euro für jedes Jahr hinzukommen.

Selbst an eine Entschädigungsregelung für Privatwaldbesitzende hat die estnische Regierung vorbildlich gedacht. Die Stiftung der Privatwaldbesitzenden "SA Erametsakeskus" entschädigt private Waldbesitzende für Einkommensverluste aus den alleine 12.000 Hektar Natura 2000-Privatwaldflächen, die sich aus Umweltauflagen ergeben. Sie haben Anspruch auf einen Betrag von 60 oder 110 Euro pro Hektar und Jahr, je nach Art des Schutzgebiets.

Hoffentlich ein Beispiel, das Schule macht!

Auch gegen Rumänien läuft aktuell ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Abholzungen in Natura 2000 Gebieten. Doch seit zwei Jahren passiert nahezu nichts. Rumänien hat nur an kleinen Stellschrauben gedreht, die die Natura 2000-Gebiete in Zukunft besser vor illegalen oder unsachgemäßen Holzeinschlag schützen sollen. Doch diese Maßnahmen sind aus unserer Sicht völlig unzureichend und werden aufgrund laufender Managementpläne zum Teil erst in zehn Jahren wirksam. Bis dahin könnten sich die Abholzungen stattdessen beschleunigen. Nach zweijährigem Verfahren sieht es nun danach aus, als wolle die Europäische Kommission das Verfahren klammheimlich einstellen, anstatt vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Das ist nicht hinnehmbar! Gerade diese Woche brachte die europäische Waldnaturschutzorganisation Fern einen Artikel dazu heraus.

Und auch gegen Deutschland läuft seit nunmehr sieben Jahren ein Vetragsverletzungsverfahren der europäische Kommission, in dessen Verlauf die Europäische Kommission nach mehreren Warnschüssen vor fast genau einem Jahr vor den Europäischen Gerichtshof zog. Das Verfahren beruht auf Versäumnissen, bei der Sicherung von Schutzgebieten und der geeigneten Formulierung von Schutzzielen über Managementpläne. Besonders fatal: Solange die Ziele nicht mal formuliert sind, können Waldbesitzende jegliche Praxis mit der im Bundesnaturschutzgesetz sehr unklar formulierten „guten fachlichen Praxis“ rechtfertigen – und so erfahren wir regelmäßig von eklatanten Freveln auf Natura 2000-Waldflächen, die weder mit einem Mindestmaß an Klimaschutz noch an Artenschutz vereinbar sind. Damit legt Deutschland als ein wichtiger Mitgliedstaat der EU einen der schlechtesten Standards vor. Seit Jahren fordern wir deshalb eine Überarbeitung des Bundesnaturschutzgesetzes und Implementierung von Schutzzielen für Natura 2000-Gebiete.

Liebe Europäische Kommission,

es ist viel zu tun! Deine durchaus hoffnungsträchtigen juristischen Werkzeuge sind nur so gut wie ihre Durchsetzung. Also pack es an – act now! Wir schauen dir in den nächsten Tagen und Wochen dabei aktiv auf die Finger – lass dich überraschen!

 

* Natura 2000 ist ein länderübergreifendes, zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union, das darauf abzielt, gefährdete Arten und Lebensräume zu erhalten oder Lebensräume wiederherzustellen.